73. Die Prälaten und großen Barone saßen in des Königs Rath, parlement; sie bildeten den Gerichtshof des Königs, curia regis, theils versammelt, theils die Grafschaften durchreisend. Wenn Steuern noth sind, und sie sind überall noth, wo nicht Provinzen, in der Römer Art, aushelfen, bringen die reisenden Richter sie in den einzelnen Grafschaften und Städten auf. Ausnahmsweise wurden Deputirte aus den Grafschaften (Ritter von den Einwohnern gewählt im J. 1254.) etwa zum Könige be- rufen, um in Zeiten des Dranges Beisteuern zu geben. Die Regel war eine Reihe von Privat-Verträgen. Es gab noch keine steuerbewilligende Versammlung.
Im Jahre 1264 aber führten die großen Baronen Krieg mit ihrem auf Ausländer bauenden Könige Hein- rich III. wegen gekränkter Freiheit; der schwache König fiel mit seinem Erben gefangen in des Grafen von Lei- cesier, Simon von Montfort, Hände. Da beruft im nächsten Jahre der Sieger, um die usurpirte Macht zu sichern, Deputirte aus Grafschaften, Städten und Flecken zur Parlaments-Versammlung. Diese Anordnung ward dauernd, nachdem der aus der Gefangenschaft befreite Königssohn die Krone wiederhergestellt hatte und als Eduard I. herrschte.
Die neue Versammlung ward um der Steuern Willen berufen, welche die Gemeinden, deren Organ die De- putirten waren, bewilligen sollten. Sie erschienen nicht aus persönlichem Rechte, wie die Mitglieder alter Volks- versammlungen, und die Versammlung ihrer geistlichen und weltlichen Lords. Kein Zweifel auch, daß sie an Aufträge ihrer Wähler gebunden, erst im Verlaufe der Jahrhunderte zu Vertretern, nach eigner freier Einsicht handelnd, gediehen. Um so weniger ist es zu verwundern, daß die
Drittes Capitel.
73. Die Praͤlaten und großen Barone ſaßen in des Koͤnigs Rath, parlement; ſie bildeten den Gerichtshof des Koͤnigs, curia regis, theils verſammelt, theils die Grafſchaften durchreiſend. Wenn Steuern noth ſind, und ſie ſind uͤberall noth, wo nicht Provinzen, in der Roͤmer Art, aushelfen, bringen die reiſenden Richter ſie in den einzelnen Grafſchaften und Staͤdten auf. Ausnahmsweiſe wurden Deputirte aus den Grafſchaften (Ritter von den Einwohnern gewaͤhlt im J. 1254.) etwa zum Koͤnige be- rufen, um in Zeiten des Dranges Beiſteuern zu geben. Die Regel war eine Reihe von Privat-Vertraͤgen. Es gab noch keine ſteuerbewilligende Verſammlung.
Im Jahre 1264 aber fuͤhrten die großen Baronen Krieg mit ihrem auf Auslaͤnder bauenden Koͤnige Hein- rich III. wegen gekraͤnkter Freiheit; der ſchwache Koͤnig fiel mit ſeinem Erben gefangen in des Grafen von Lei- ceſier, Simon von Montfort, Haͤnde. Da beruft im naͤchſten Jahre der Sieger, um die uſurpirte Macht zu ſichern, Deputirte aus Grafſchaften, Staͤdten und Flecken zur Parlaments-Verſammlung. Dieſe Anordnung ward dauernd, nachdem der aus der Gefangenſchaft befreite Koͤnigsſohn die Krone wiederhergeſtellt hatte und als Eduard I. herrſchte.
Die neue Verſammlung ward um der Steuern Willen berufen, welche die Gemeinden, deren Organ die De- putirten waren, bewilligen ſollten. Sie erſchienen nicht aus perſoͤnlichem Rechte, wie die Mitglieder alter Volks- verſammlungen, und die Verſammlung ihrer geiſtlichen und weltlichen Lords. Kein Zweifel auch, daß ſie an Auftraͤge ihrer Waͤhler gebunden, erſt im Verlaufe der Jahrhunderte zu Vertretern, nach eigner freier Einſicht handelnd, gediehen. Um ſo weniger iſt es zu verwundern, daß die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0068"n="56"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/><p>73. Die Praͤlaten und großen Barone ſaßen in des<lb/>
Koͤnigs Rath, <hirendition="#aq">parlement;</hi>ſie bildeten den Gerichtshof<lb/>
des Koͤnigs, <hirendition="#aq">curia regis,</hi> theils verſammelt, theils die<lb/>
Grafſchaften durchreiſend. Wenn Steuern noth ſind, und<lb/>ſie ſind uͤberall noth, wo nicht Provinzen, in der Roͤmer<lb/>
Art, aushelfen, bringen die reiſenden Richter ſie in den<lb/>
einzelnen Grafſchaften und Staͤdten auf. Ausnahmsweiſe<lb/>
wurden Deputirte aus den Grafſchaften (Ritter von den<lb/>
Einwohnern gewaͤhlt im J. 1254.) etwa zum Koͤnige be-<lb/>
rufen, um in Zeiten des Dranges Beiſteuern zu geben.<lb/>
Die Regel war eine Reihe von Privat-Vertraͤgen. Es<lb/>
gab noch keine ſteuerbewilligende Verſammlung.</p><lb/><p>Im Jahre 1264 aber fuͤhrten die großen Baronen<lb/>
Krieg mit ihrem auf Auslaͤnder bauenden Koͤnige Hein-<lb/>
rich <hirendition="#aq">III.</hi> wegen gekraͤnkter Freiheit; der ſchwache Koͤnig<lb/>
fiel mit ſeinem Erben gefangen in des Grafen von Lei-<lb/>
ceſier, Simon von Montfort, Haͤnde. Da beruft im<lb/>
naͤchſten Jahre der Sieger, um die uſurpirte Macht zu<lb/>ſichern, Deputirte aus Grafſchaften, Staͤdten und Flecken<lb/>
zur Parlaments-Verſammlung. Dieſe Anordnung ward<lb/>
dauernd, nachdem der aus der Gefangenſchaft befreite<lb/>
Koͤnigsſohn die Krone wiederhergeſtellt hatte und als<lb/>
Eduard <hirendition="#aq">I.</hi> herrſchte.</p><lb/><p>Die neue Verſammlung ward um der Steuern Willen<lb/>
berufen, welche die Gemeinden, deren Organ die De-<lb/>
putirten waren, bewilligen ſollten. Sie erſchienen nicht<lb/>
aus perſoͤnlichem Rechte, wie die Mitglieder alter Volks-<lb/>
verſammlungen, und die Verſammlung ihrer geiſtlichen und<lb/>
weltlichen Lords. Kein Zweifel auch, daß ſie an Auftraͤge<lb/>
ihrer Waͤhler gebunden, erſt im Verlaufe der Jahrhunderte<lb/>
zu <hirendition="#g">Vertretern</hi>, nach eigner freier Einſicht handelnd,<lb/>
gediehen. Um ſo weniger iſt es zu verwundern, daß die<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[56/0068]
Drittes Capitel.
73. Die Praͤlaten und großen Barone ſaßen in des
Koͤnigs Rath, parlement; ſie bildeten den Gerichtshof
des Koͤnigs, curia regis, theils verſammelt, theils die
Grafſchaften durchreiſend. Wenn Steuern noth ſind, und
ſie ſind uͤberall noth, wo nicht Provinzen, in der Roͤmer
Art, aushelfen, bringen die reiſenden Richter ſie in den
einzelnen Grafſchaften und Staͤdten auf. Ausnahmsweiſe
wurden Deputirte aus den Grafſchaften (Ritter von den
Einwohnern gewaͤhlt im J. 1254.) etwa zum Koͤnige be-
rufen, um in Zeiten des Dranges Beiſteuern zu geben.
Die Regel war eine Reihe von Privat-Vertraͤgen. Es
gab noch keine ſteuerbewilligende Verſammlung.
Im Jahre 1264 aber fuͤhrten die großen Baronen
Krieg mit ihrem auf Auslaͤnder bauenden Koͤnige Hein-
rich III. wegen gekraͤnkter Freiheit; der ſchwache Koͤnig
fiel mit ſeinem Erben gefangen in des Grafen von Lei-
ceſier, Simon von Montfort, Haͤnde. Da beruft im
naͤchſten Jahre der Sieger, um die uſurpirte Macht zu
ſichern, Deputirte aus Grafſchaften, Staͤdten und Flecken
zur Parlaments-Verſammlung. Dieſe Anordnung ward
dauernd, nachdem der aus der Gefangenſchaft befreite
Koͤnigsſohn die Krone wiederhergeſtellt hatte und als
Eduard I. herrſchte.
Die neue Verſammlung ward um der Steuern Willen
berufen, welche die Gemeinden, deren Organ die De-
putirten waren, bewilligen ſollten. Sie erſchienen nicht
aus perſoͤnlichem Rechte, wie die Mitglieder alter Volks-
verſammlungen, und die Verſammlung ihrer geiſtlichen und
weltlichen Lords. Kein Zweifel auch, daß ſie an Auftraͤge
ihrer Waͤhler gebunden, erſt im Verlaufe der Jahrhunderte
zu Vertretern, nach eigner freier Einſicht handelnd,
gediehen. Um ſo weniger iſt es zu verwundern, daß die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/68>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.