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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Eilftes Capitel.
ten, daß sein Beamter fester an sein Amt gebunden sey,
als an den Zweck desselben; er legt nicht bloß Ord-
nungsstrafen auf, er suspendirt, quiescirt, entläßt, ohne
die gerichtliche Entscheidung abzuwarten, denn das Staats-
interesse kann nicht warten, und die Gesetze haben keinen
Maasstab für die Gradationen der Tüchtigkeit und keine
Wage für das Gewicht der Gesinnung und des öffentlichen
Vertrauens im heutigen Staatsleben. Mag die Käuflich-
keit und Erblichkeit von Staatsämtern eine Schutzwehr
gegen Willkühr im alten königlichen Frankreich gewesen
seyn, mag auch die mit Eifer behauptete und im Ganzen
genommen durchgesetzte Inamovibilität gleichen Nutzen in
unserm Vaterlande gehabt haben, welches die Beamtenge-
walt in demselben Grade steigen sah als die Kraft der ständi-
schen Rechte sank, -- wo heute die Repräsentativ-Verfassung
den Gang der Staatsregierung begleitet und, wenn auch
berichtigt, doch häufig aufhält, darf dieser Grundsatz nicht
länger gelten. "Eine Regierung, in der gesetzgebenden Ge-
walt durch Stände, in der Ausführung der Gesetze durch
die Selbständigkeit ihrer eigenen Beamten beschränkt, wäre
eine baare Nullität" (Heffter). Das Staatsamt darf
dem Lehn weder darin gleichen, daß es abgelehnt werden,
noch daß es nur durch einen Spruch der Lehnsgleichen
verloren gehen dürfte.

1) Sehr treffend sagt Möser in den Patriotischen Phantasien,
der Diensteid gewähre dem Richter den Vortheil einer Nonne,
die mit der Berufung auf ihr Gelübde der Keuschheit alle Be-
theurungen und Bemühungen ihres Liebhabers vereitelt.

256. Auf der andern Seite darf weder vergessen wer-
den was bei Auflösung eines auf lebenslängliche Dauer
angelegten, den ganzen Mann vom Schulalter an in An-

Eilftes Capitel.
ten, daß ſein Beamter feſter an ſein Amt gebunden ſey,
als an den Zweck desſelben; er legt nicht bloß Ord-
nungsſtrafen auf, er ſuspendirt, quiescirt, entlaͤßt, ohne
die gerichtliche Entſcheidung abzuwarten, denn das Staats-
intereſſe kann nicht warten, und die Geſetze haben keinen
Maasſtab fuͤr die Gradationen der Tuͤchtigkeit und keine
Wage fuͤr das Gewicht der Geſinnung und des oͤffentlichen
Vertrauens im heutigen Staatsleben. Mag die Kaͤuflich-
keit und Erblichkeit von Staatsaͤmtern eine Schutzwehr
gegen Willkuͤhr im alten koͤniglichen Frankreich geweſen
ſeyn, mag auch die mit Eifer behauptete und im Ganzen
genommen durchgeſetzte Inamovibilitaͤt gleichen Nutzen in
unſerm Vaterlande gehabt haben, welches die Beamtenge-
walt in demſelben Grade ſteigen ſah als die Kraft der ſtaͤndi-
ſchen Rechte ſank, — wo heute die Repraͤſentativ-Verfaſſung
den Gang der Staatsregierung begleitet und, wenn auch
berichtigt, doch haͤufig aufhaͤlt, darf dieſer Grundſatz nicht
laͤnger gelten. “Eine Regierung, in der geſetzgebenden Ge-
walt durch Staͤnde, in der Ausfuͤhrung der Geſetze durch
die Selbſtaͤndigkeit ihrer eigenen Beamten beſchraͤnkt, waͤre
eine baare Nullitaͤt” (Heffter). Das Staatsamt darf
dem Lehn weder darin gleichen, daß es abgelehnt werden,
noch daß es nur durch einen Spruch der Lehnsgleichen
verloren gehen duͤrfte.

1) Sehr treffend ſagt Moͤſer in den Patriotiſchen Phantaſien,
der Dienſteid gewaͤhre dem Richter den Vortheil einer Nonne,
die mit der Berufung auf ihr Geluͤbde der Keuſchheit alle Be-
theurungen und Bemuͤhungen ihres Liebhabers vereitelt.

256. Auf der andern Seite darf weder vergeſſen wer-
den was bei Aufloͤſung eines auf lebenslaͤngliche Dauer
angelegten, den ganzen Mann vom Schulalter an in An-

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[250/0262] Eilftes Capitel. ten, daß ſein Beamter feſter an ſein Amt gebunden ſey, als an den Zweck desſelben; er legt nicht bloß Ord- nungsſtrafen auf, er ſuspendirt, quiescirt, entlaͤßt, ohne die gerichtliche Entſcheidung abzuwarten, denn das Staats- intereſſe kann nicht warten, und die Geſetze haben keinen Maasſtab fuͤr die Gradationen der Tuͤchtigkeit und keine Wage fuͤr das Gewicht der Geſinnung und des oͤffentlichen Vertrauens im heutigen Staatsleben. Mag die Kaͤuflich- keit und Erblichkeit von Staatsaͤmtern eine Schutzwehr gegen Willkuͤhr im alten koͤniglichen Frankreich geweſen ſeyn, mag auch die mit Eifer behauptete und im Ganzen genommen durchgeſetzte Inamovibilitaͤt gleichen Nutzen in unſerm Vaterlande gehabt haben, welches die Beamtenge- walt in demſelben Grade ſteigen ſah als die Kraft der ſtaͤndi- ſchen Rechte ſank, — wo heute die Repraͤſentativ-Verfaſſung den Gang der Staatsregierung begleitet und, wenn auch berichtigt, doch haͤufig aufhaͤlt, darf dieſer Grundſatz nicht laͤnger gelten. “Eine Regierung, in der geſetzgebenden Ge- walt durch Staͤnde, in der Ausfuͤhrung der Geſetze durch die Selbſtaͤndigkeit ihrer eigenen Beamten beſchraͤnkt, waͤre eine baare Nullitaͤt” (Heffter). Das Staatsamt darf dem Lehn weder darin gleichen, daß es abgelehnt werden, noch daß es nur durch einen Spruch der Lehnsgleichen verloren gehen duͤrfte. ¹⁾ Sehr treffend ſagt Moͤſer in den Patriotiſchen Phantaſien, der Dienſteid gewaͤhre dem Richter den Vortheil einer Nonne, die mit der Berufung auf ihr Geluͤbde der Keuſchheit alle Be- theurungen und Bemuͤhungen ihres Liebhabers vereitelt. 256. Auf der andern Seite darf weder vergeſſen wer- den was bei Aufloͤſung eines auf lebenslaͤngliche Dauer angelegten, den ganzen Mann vom Schulalter an in An-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/262>, abgerufen am 25.11.2024.