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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Von den Staatsbeamten.
Annahme auf Aufkündigung am Platze und um so weniger
der Staat im Stande, den Lohn über die Dienstleistung
hinaus zu erstrecken. Eben hier könnte man auch versucht
seyn, das Kriegsheer einzureihen, ginge nicht der hohe
und gefahrvolle Staatszweck, welchem sich der gebundene
Gehorsam des gemeinen Kriegers widmet, weit hinaus
über Schreiber- und Boten-Dienst.

Gönner (Der Staatsdienst aus dem Gesichtspunkt des Rechts und
der National-Oeconomie betrachtet, nebst der Hauptlandesprag-
matik über die Dienstverhältnisse der Staatsdiener im König-
reiche Baiern. Landsh. 1808.) macht die Rechte des Staats ge-
gen die ältere rein privatrechtliche (van der Becke vgl. Leist,
Staatsr. §. 120.) und die bedingt privatrechtliche Ansicht (von
Seuffert
) geltend; Rehberg (Über die Staatsverwaltung
deutscher Länder. Hannover 1807.) wird nicht berücksichtigt. F.
Saalfeld, comment. Num principi liceat ministros publicos in-
cognita causa dimittere. Heidelb.
1807. 4. ist bloß Ausführung
der Rehbergischen Ansicht. Wie wenig aber die ältere deutsche
Ansicht die älteste sey, wie wenig noch ein Ludolph Hugo an der
Entsetzung nach Willkühr zweifle (Nam pleraque officia non
tam a legibus quam a solo nutu principis dependent
), zeigt
Eichhorn St. u. R. G. IV, §. 549. vgl. §. 616. und über die
ganze Frage Heffter, Einige Bemerkungen über die Rechtsver-
hältnisse der Staatsdiener. In dessen Beiträgen zum Deutschen
Staats- und Fürstenrecht. 1ste Lief. Berl. 1829. S. 106-167.

255. Die jedem Unterthan obliegende Pflicht sich dem
Staate dienstlich zu erweisen, wird bei dem Staatsbeam-
ten durch die Einweisung in eine bestimmte Amtssphäre
und durch die besondere Verpflichtung des Diensteides 1)
gesteigert. Die Fähigkeit Staatszwecke auszuführen kann
heutzutage weniger als je mit Gelde erkauft, oder er-
erbt werden; denn die Pärie ist kein Staatsamt, sie
ist Staatsgewalt. Aber der Staat darf auch nicht gestat-

Von den Staatsbeamten.
Annahme auf Aufkuͤndigung am Platze und um ſo weniger
der Staat im Stande, den Lohn uͤber die Dienſtleiſtung
hinaus zu erſtrecken. Eben hier koͤnnte man auch verſucht
ſeyn, das Kriegsheer einzureihen, ginge nicht der hohe
und gefahrvolle Staatszweck, welchem ſich der gebundene
Gehorſam des gemeinen Kriegers widmet, weit hinaus
uͤber Schreiber- und Boten-Dienſt.

Goͤnner (Der Staatsdienſt aus dem Geſichtspunkt des Rechts und
der National-Oeconomie betrachtet, nebſt der Hauptlandesprag-
matik uͤber die Dienſtverhaͤltniſſe der Staatsdiener im Koͤnig-
reiche Baiern. Landsh. 1808.) macht die Rechte des Staats ge-
gen die aͤltere rein privatrechtliche (van der Becke vgl. Leiſt,
Staatsr. §. 120.) und die bedingt privatrechtliche Anſicht (von
Seuffert
) geltend; Rehberg (Über die Staatsverwaltung
deutſcher Laͤnder. Hannover 1807.) wird nicht beruͤckſichtigt. F.
Saalfeld, comment. Num principi liceat ministros publicos in-
cognita causa dimittere. Heidelb.
1807. 4. iſt bloß Ausfuͤhrung
der Rehbergiſchen Anſicht. Wie wenig aber die aͤltere deutſche
Anſicht die aͤlteſte ſey, wie wenig noch ein Ludolph Hugo an der
Entſetzung nach Willkuͤhr zweifle (Nam pleraque officia non
tam a legibus quam a solo nutu principis dependent
), zeigt
Eichhorn St. u. R. G. IV, §. 549. vgl. §. 616. und uͤber die
ganze Frage Heffter, Einige Bemerkungen uͤber die Rechtsver-
haͤltniſſe der Staatsdiener. In deſſen Beitraͤgen zum Deutſchen
Staats- und Fuͤrſtenrecht. 1ſte Lief. Berl. 1829. S. 106‒167.

255. Die jedem Unterthan obliegende Pflicht ſich dem
Staate dienſtlich zu erweiſen, wird bei dem Staatsbeam-
ten durch die Einweiſung in eine beſtimmte Amtsſphaͤre
und durch die beſondere Verpflichtung des Dienſteides 1)
geſteigert. Die Faͤhigkeit Staatszwecke auszufuͤhren kann
heutzutage weniger als je mit Gelde erkauft, oder er-
erbt werden; denn die Paͤrie iſt kein Staatsamt, ſie
iſt Staatsgewalt. Aber der Staat darf auch nicht geſtat-

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[249/0261] Von den Staatsbeamten. Annahme auf Aufkuͤndigung am Platze und um ſo weniger der Staat im Stande, den Lohn uͤber die Dienſtleiſtung hinaus zu erſtrecken. Eben hier koͤnnte man auch verſucht ſeyn, das Kriegsheer einzureihen, ginge nicht der hohe und gefahrvolle Staatszweck, welchem ſich der gebundene Gehorſam des gemeinen Kriegers widmet, weit hinaus uͤber Schreiber- und Boten-Dienſt. Goͤnner (Der Staatsdienſt aus dem Geſichtspunkt des Rechts und der National-Oeconomie betrachtet, nebſt der Hauptlandesprag- matik uͤber die Dienſtverhaͤltniſſe der Staatsdiener im Koͤnig- reiche Baiern. Landsh. 1808.) macht die Rechte des Staats ge- gen die aͤltere rein privatrechtliche (van der Becke vgl. Leiſt, Staatsr. §. 120.) und die bedingt privatrechtliche Anſicht (von Seuffert) geltend; Rehberg (Über die Staatsverwaltung deutſcher Laͤnder. Hannover 1807.) wird nicht beruͤckſichtigt. F. Saalfeld, comment. Num principi liceat ministros publicos in- cognita causa dimittere. Heidelb. 1807. 4. iſt bloß Ausfuͤhrung der Rehbergiſchen Anſicht. Wie wenig aber die aͤltere deutſche Anſicht die aͤlteſte ſey, wie wenig noch ein Ludolph Hugo an der Entſetzung nach Willkuͤhr zweifle (Nam pleraque officia non tam a legibus quam a solo nutu principis dependent), zeigt Eichhorn St. u. R. G. IV, §. 549. vgl. §. 616. und uͤber die ganze Frage Heffter, Einige Bemerkungen uͤber die Rechtsver- haͤltniſſe der Staatsdiener. In deſſen Beitraͤgen zum Deutſchen Staats- und Fuͤrſtenrecht. 1ſte Lief. Berl. 1829. S. 106‒167. 255. Die jedem Unterthan obliegende Pflicht ſich dem Staate dienſtlich zu erweiſen, wird bei dem Staatsbeam- ten durch die Einweiſung in eine beſtimmte Amtsſphaͤre und durch die beſondere Verpflichtung des Dienſteides 1) geſteigert. Die Faͤhigkeit Staatszwecke auszufuͤhren kann heutzutage weniger als je mit Gelde erkauft, oder er- erbt werden; denn die Paͤrie iſt kein Staatsamt, ſie iſt Staatsgewalt. Aber der Staat darf auch nicht geſtat-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/261>, abgerufen am 25.11.2024.