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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Bildung der zweiten Kammer.
die schweigenden Wahlen den Ausschlag gegeben haben.
Ein wirklich gegründetes Bedenken gegen laute Wahlen
liegt aber in der gewöhnlich gar geringen Zahl der Wäh-
ler, zumahl in unsern Städten; ein Umstand der, wenn
vollends unter den Wählern die Haupt-Bewerber sich be-
sinden, der ganzen Handlung leicht einen sehr gereizten
und persönlichen Anstrich giebt. Ob aber minder Feind-
schaft folge aus der herausgerechneten als aus der erklär-
ten Gegnerschaft, steht noch immer wohl dahin.

1) -- Suffragandi nimia libido in non bonis causis eripienda fuit
potentibus; non latebra danda populo, in qua bonis ignoran-
tibus, quid quisque sentiret, tabella vitiosum occultaret suffra-
gium. Cicero de legibus III, 16.
2) In der Verfassung von 1791. findet sich gar keine Bestimmung.
Acte constitutionnel de la republique (1793) art. 16. Les
elections se font au scrutin ou a haute voix, au choix de
chaque votant.
vgl. art. 17. 18. Verfassung von 1795. titre 3.
art. 31. Toutes les elections se font au scrutin secret.
Die
Charte Ludwigs XVIII. bestimmt nichts, aber das Wahlgesetz
vom 5. Febr. 1817. lautet art. 15. Les electeurs votent par
bulletin de liste. -- Ordonnance du 25 Juillet 1830. art. 23.
Les electeurs voteront par bulletin de liste. Chaque bulletin
contiendra autant de noms qu'il y aura de nominations a faire.
-- 24. Les electeurs ecriront leurs votes sur le bureau ou
l'y feront ecrire par l'un des scrutateurs
. Wo bleibt aber in
diesem gewiß häufig vorkommenden Falle das Geheimniß?
3) Deren eine gute Zahl in der neuen Ausg. von Pölitz's Constitu-
tionen beisammen. Ich glaube aber, daß diejenigen Regierun-
gen es nicht bereuen werden, welche bis zur gehörigen Berichti-
gung ihres Gemeindewesens provisorische Wahl-Anordnungen
treffen. -- Die Frage wegen der Abstimmung haben nach den
entgegengesetzten Seiten Burchardi in Kiel (Kieler Correspon-
denz-Blatt Juli 1832. N. 52.) und Welcker in Freiburg (Staats-
Lexicon I, 1. Abstimmung.) behandelt; dem Ersteren muß ich
beitreten.

Bildung der zweiten Kammer.
die ſchweigenden Wahlen den Ausſchlag gegeben haben.
Ein wirklich gegruͤndetes Bedenken gegen laute Wahlen
liegt aber in der gewoͤhnlich gar geringen Zahl der Waͤh-
ler, zumahl in unſern Staͤdten; ein Umſtand der, wenn
vollends unter den Waͤhlern die Haupt-Bewerber ſich be-
ſinden, der ganzen Handlung leicht einen ſehr gereizten
und perſoͤnlichen Anſtrich giebt. Ob aber minder Feind-
ſchaft folge aus der herausgerechneten als aus der erklaͤr-
ten Gegnerſchaft, ſteht noch immer wohl dahin.

1)Suffragandi nimia libido in non bonis causis eripienda fuit
potentibus; non latebra danda populo, in qua bonis ignoran-
tibus, quid quisque sentiret, tabella vitiosum occultaret suffra-
gium. Cicero de legibus III, 16.
2) In der Verfaſſung von 1791. findet ſich gar keine Beſtimmung.
Acte constitutionnel de la république (1793) art. 16. Les
élections se font au scrutin ou à haute voix, au choix de
chaque votant.
vgl. art. 17. 18. Verfaſſung von 1795. titre 3.
art. 31. Toutes les élections se font au scrutin secret.
Die
Charte Ludwigs XVIII. beſtimmt nichts, aber das Wahlgeſetz
vom 5. Febr. 1817. lautet art. 15. Les électeurs votent par
bulletin de liste. — Ordonnance du 25 Juillet 1830. art. 23.
Les électeurs voteront par bulletin de liste. Chaque bulletin
contiendra autant de noms qu’il y aura de nominations à faire.
— 24. Les électeurs écriront leurs votes sur le bureau ou
l’y feront écrire par l’un des scrutateurs
. Wo bleibt aber in
dieſem gewiß haͤufig vorkommenden Falle das Geheimniß?
3) Deren eine gute Zahl in der neuen Ausg. von Poͤlitz’s Conſtitu-
tionen beiſammen. Ich glaube aber, daß diejenigen Regierun-
gen es nicht bereuen werden, welche bis zur gehoͤrigen Berichti-
gung ihres Gemeindeweſens proviſoriſche Wahl-Anordnungen
treffen. — Die Frage wegen der Abſtimmung haben nach den
entgegengeſetzten Seiten Burchardi in Kiel (Kieler Correſpon-
denz-Blatt Juli 1832. N. 52.) und Welcker in Freiburg (Staats-
Lexicon I, 1. Abſtimmung.) behandelt; dem Erſteren muß ich
beitreten.
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[137/0149] Bildung der zweiten Kammer. die ſchweigenden Wahlen den Ausſchlag gegeben haben. Ein wirklich gegruͤndetes Bedenken gegen laute Wahlen liegt aber in der gewoͤhnlich gar geringen Zahl der Waͤh- ler, zumahl in unſern Staͤdten; ein Umſtand der, wenn vollends unter den Waͤhlern die Haupt-Bewerber ſich be- ſinden, der ganzen Handlung leicht einen ſehr gereizten und perſoͤnlichen Anſtrich giebt. Ob aber minder Feind- ſchaft folge aus der herausgerechneten als aus der erklaͤr- ten Gegnerſchaft, ſteht noch immer wohl dahin. ¹⁾ — Suffragandi nimia libido in non bonis causis eripienda fuit potentibus; non latebra danda populo, in qua bonis ignoran- tibus, quid quisque sentiret, tabella vitiosum occultaret suffra- gium. Cicero de legibus III, 16. ²⁾ In der Verfaſſung von 1791. findet ſich gar keine Beſtimmung. Acte constitutionnel de la république (1793) art. 16. Les élections se font au scrutin ou à haute voix, au choix de chaque votant. vgl. art. 17. 18. Verfaſſung von 1795. titre 3. art. 31. Toutes les élections se font au scrutin secret. Die Charte Ludwigs XVIII. beſtimmt nichts, aber das Wahlgeſetz vom 5. Febr. 1817. lautet art. 15. Les électeurs votent par bulletin de liste. — Ordonnance du 25 Juillet 1830. art. 23. Les électeurs voteront par bulletin de liste. Chaque bulletin contiendra autant de noms qu’il y aura de nominations à faire. — 24. Les électeurs écriront leurs votes sur le bureau ou l’y feront écrire par l’un des scrutateurs. Wo bleibt aber in dieſem gewiß haͤufig vorkommenden Falle das Geheimniß? ³⁾ Deren eine gute Zahl in der neuen Ausg. von Poͤlitz’s Conſtitu- tionen beiſammen. Ich glaube aber, daß diejenigen Regierun- gen es nicht bereuen werden, welche bis zur gehoͤrigen Berichti- gung ihres Gemeindeweſens proviſoriſche Wahl-Anordnungen treffen. — Die Frage wegen der Abſtimmung haben nach den entgegengeſetzten Seiten Burchardi in Kiel (Kieler Correſpon- denz-Blatt Juli 1832. N. 52.) und Welcker in Freiburg (Staats- Lexicon I, 1. Abſtimmung.) behandelt; dem Erſteren muß ich beitreten.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/149>, abgerufen am 24.11.2024.