Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsstände; landständisch od. repräsentativ.
jetzt Diäten, die das Land bezahlt.

Den Vorsitz bei den Ständen führte nach dem Herkommen
ein Bischof, oder ein Prälat, oder auch ein Landmarschall,
den der Landesherr erblich damit belehnte; der Vorsitz
konnte auch ein dingliches Recht, an einem Gute haftend
werden;

jetzt wählen die Kammern sich ihre Präsidenten unter
Bestätigung des Landesherrn.

Die Stände versammelten sich überall nach Standes-
Curien als Prälaten, Ritter, städtische Obrigkeiten; Bauern
als vierter Stand, wie in Tyrol und Schweden, waren
im Mittelalter eine Ausnahme, und in den meisten Lan-
den, in welchen die Reformation durchdrang, ward die
Prälaten-Curie schwach und lehnte sich an die Ritter an.
Sonst stellte sich jeder Stand zuvörderst als unabhängig
hin; kein Gedanke, daß ein Stand aus dem Geldbeutel
seines Mitstandes Steuern bewilligen könne; dagegen man
wenig Bedenken trug, ritterschaftliche Güter, die in nicht-
ritterschaftliche Hände gekommen waren, und die Amts-
Districte mit Landtags-Steuern zu belasten; was sich
freilich mit selbständigen Rechten ausgestattete Landschaften
nicht gefallen ließen. Daher kam es, daß Steuern und
Standes-Sachen in jeder Standes-Curie für sich abge-
than wurden; gemeinsame Angelegenheiten aber und all-
gemeine Landes-Sachen (denn der Landtag legte sich ein
Repräsentations-Recht für das ganze Land bei und reichte
Landesbeschwerden ein) Gegenstand der allgemeinen Be-
rathung wurden, wo denn allenfalls zwei Curien die dritte
überstimmen mochten, oder auch viritim abgestimmt wurde;
letzteres gewiß zum Vortheile der Ritterschaft. Denn
der Städte waren weniger an der Zahl, manche Städte
verloren die Landstandschaft, weil sie abgetheilten Herren

Reichsſtaͤnde; landſtaͤndiſch od. repraͤſentativ.
jetzt Diaͤten, die das Land bezahlt.

Den Vorſitz bei den Staͤnden fuͤhrte nach dem Herkommen
ein Biſchof, oder ein Praͤlat, oder auch ein Landmarſchall,
den der Landesherr erblich damit belehnte; der Vorſitz
konnte auch ein dingliches Recht, an einem Gute haftend
werden;

jetzt waͤhlen die Kammern ſich ihre Praͤſidenten unter
Beſtaͤtigung des Landesherrn.

Die Staͤnde verſammelten ſich uͤberall nach Standes-
Curien als Praͤlaten, Ritter, ſtaͤdtiſche Obrigkeiten; Bauern
als vierter Stand, wie in Tyrol und Schweden, waren
im Mittelalter eine Ausnahme, und in den meiſten Lan-
den, in welchen die Reformation durchdrang, ward die
Praͤlaten-Curie ſchwach und lehnte ſich an die Ritter an.
Sonſt ſtellte ſich jeder Stand zuvoͤrderſt als unabhaͤngig
hin; kein Gedanke, daß ein Stand aus dem Geldbeutel
ſeines Mitſtandes Steuern bewilligen koͤnne; dagegen man
wenig Bedenken trug, ritterſchaftliche Guͤter, die in nicht-
ritterſchaftliche Haͤnde gekommen waren, und die Amts-
Diſtricte mit Landtags-Steuern zu belaſten; was ſich
freilich mit ſelbſtaͤndigen Rechten ausgeſtattete Landſchaften
nicht gefallen ließen. Daher kam es, daß Steuern und
Standes-Sachen in jeder Standes-Curie fuͤr ſich abge-
than wurden; gemeinſame Angelegenheiten aber und all-
gemeine Landes-Sachen (denn der Landtag legte ſich ein
Repraͤſentations-Recht fuͤr das ganze Land bei und reichte
Landesbeſchwerden ein) Gegenſtand der allgemeinen Be-
rathung wurden, wo denn allenfalls zwei Curien die dritte
uͤberſtimmen mochten, oder auch viritim abgeſtimmt wurde;
letzteres gewiß zum Vortheile der Ritterſchaft. Denn
der Staͤdte waren weniger an der Zahl, manche Staͤdte
verloren die Landſtandſchaft, weil ſie abgetheilten Herren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0129" n="117"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde; land&#x017F;ta&#x0364;ndi&#x017F;ch od. repra&#x0364;&#x017F;entativ</hi>.</fw><lb/>
              <list>
                <item>jetzt Dia&#x0364;ten, die das Land bezahlt.</item>
              </list><lb/>
              <p>Den Vor&#x017F;itz bei den Sta&#x0364;nden fu&#x0364;hrte nach dem Herkommen<lb/>
ein Bi&#x017F;chof, oder ein Pra&#x0364;lat, oder auch ein Landmar&#x017F;chall,<lb/>
den der Landesherr erblich damit belehnte; der Vor&#x017F;itz<lb/>
konnte auch ein dingliches Recht, an einem Gute haftend<lb/>
werden;</p><lb/>
              <list>
                <item>jetzt wa&#x0364;hlen die Kammern &#x017F;ich ihre Pra&#x0364;&#x017F;identen unter<lb/>
Be&#x017F;ta&#x0364;tigung des Landesherrn.</item>
              </list><lb/>
              <p>Die Sta&#x0364;nde ver&#x017F;ammelten &#x017F;ich u&#x0364;berall nach Standes-<lb/>
Curien als Pra&#x0364;laten, Ritter, &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;che Obrigkeiten; Bauern<lb/>
als vierter Stand, wie in Tyrol und Schweden, waren<lb/>
im Mittelalter eine Ausnahme, und in den mei&#x017F;ten Lan-<lb/>
den, in welchen die Reformation durchdrang, ward die<lb/>
Pra&#x0364;laten-Curie &#x017F;chwach und lehnte &#x017F;ich an die Ritter an.<lb/>
Son&#x017F;t &#x017F;tellte &#x017F;ich jeder Stand zuvo&#x0364;rder&#x017F;t als unabha&#x0364;ngig<lb/>
hin; kein Gedanke, daß ein Stand aus dem Geldbeutel<lb/>
&#x017F;eines Mit&#x017F;tandes Steuern bewilligen ko&#x0364;nne; dagegen man<lb/>
wenig Bedenken trug, ritter&#x017F;chaftliche Gu&#x0364;ter, die in nicht-<lb/>
ritter&#x017F;chaftliche Ha&#x0364;nde gekommen waren, und die Amts-<lb/>
Di&#x017F;tricte mit Landtags-Steuern zu bela&#x017F;ten; was &#x017F;ich<lb/>
freilich mit &#x017F;elb&#x017F;ta&#x0364;ndigen Rechten ausge&#x017F;tattete Land&#x017F;chaften<lb/>
nicht gefallen ließen. Daher kam es, daß Steuern und<lb/>
Standes-Sachen in jeder Standes-Curie fu&#x0364;r &#x017F;ich abge-<lb/>
than wurden; gemein&#x017F;ame Angelegenheiten aber und all-<lb/>
gemeine Landes-Sachen (denn der Landtag legte &#x017F;ich ein<lb/>
Repra&#x0364;&#x017F;entations-Recht fu&#x0364;r das ganze Land bei und reichte<lb/>
Landesbe&#x017F;chwerden ein) Gegen&#x017F;tand der allgemeinen Be-<lb/>
rathung wurden, wo denn allenfalls zwei Curien die dritte<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;timmen mochten, oder auch <hi rendition="#aq">viritim</hi> abge&#x017F;timmt wurde;<lb/>
letzteres gewiß zum Vortheile der Ritter&#x017F;chaft. Denn<lb/>
der Sta&#x0364;dte waren weniger an der Zahl, manche Sta&#x0364;dte<lb/>
verloren die Land&#x017F;tand&#x017F;chaft, weil &#x017F;ie abgetheilten Herren<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0129] Reichsſtaͤnde; landſtaͤndiſch od. repraͤſentativ. jetzt Diaͤten, die das Land bezahlt. Den Vorſitz bei den Staͤnden fuͤhrte nach dem Herkommen ein Biſchof, oder ein Praͤlat, oder auch ein Landmarſchall, den der Landesherr erblich damit belehnte; der Vorſitz konnte auch ein dingliches Recht, an einem Gute haftend werden; jetzt waͤhlen die Kammern ſich ihre Praͤſidenten unter Beſtaͤtigung des Landesherrn. Die Staͤnde verſammelten ſich uͤberall nach Standes- Curien als Praͤlaten, Ritter, ſtaͤdtiſche Obrigkeiten; Bauern als vierter Stand, wie in Tyrol und Schweden, waren im Mittelalter eine Ausnahme, und in den meiſten Lan- den, in welchen die Reformation durchdrang, ward die Praͤlaten-Curie ſchwach und lehnte ſich an die Ritter an. Sonſt ſtellte ſich jeder Stand zuvoͤrderſt als unabhaͤngig hin; kein Gedanke, daß ein Stand aus dem Geldbeutel ſeines Mitſtandes Steuern bewilligen koͤnne; dagegen man wenig Bedenken trug, ritterſchaftliche Guͤter, die in nicht- ritterſchaftliche Haͤnde gekommen waren, und die Amts- Diſtricte mit Landtags-Steuern zu belaſten; was ſich freilich mit ſelbſtaͤndigen Rechten ausgeſtattete Landſchaften nicht gefallen ließen. Daher kam es, daß Steuern und Standes-Sachen in jeder Standes-Curie fuͤr ſich abge- than wurden; gemeinſame Angelegenheiten aber und all- gemeine Landes-Sachen (denn der Landtag legte ſich ein Repraͤſentations-Recht fuͤr das ganze Land bei und reichte Landesbeſchwerden ein) Gegenſtand der allgemeinen Be- rathung wurden, wo denn allenfalls zwei Curien die dritte uͤberſtimmen mochten, oder auch viritim abgeſtimmt wurde; letzteres gewiß zum Vortheile der Ritterſchaft. Denn der Staͤdte waren weniger an der Zahl, manche Staͤdte verloren die Landſtandſchaft, weil ſie abgetheilten Herren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/129
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/129>, abgerufen am 07.05.2024.