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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Unverantwortlichkeit des Königs.
Gerichtshof, that den manchmahl blutigen Spruch, aber
es gehörten noch eigene Erfahrungen dazu (Lord Danbys
Proceß, 1678., der des Königs Begnadigung eventuell
schon in der Tasche hatte), bevor man inne ward, daß
jede Minister-Anklage illusorisch sei, wenn nicht die Krone
ein für alle Mahl auf Begnadigung in solchem Falle
Verzicht leistet. Das geschah durch dieselbe Acte, welche
das Haus Braunschweig auf den Thron berief (act of
settlement
. 1701.) 2). Allein auch Erfahrungen anderer
Art fanden Eingang. Man lernte einsehen, daß keine
Gesetzgebung dem Drange aller Umstände gewachsen ist,
daß die Thatsache manchmahl den Minister über das Gesetz
hinausreißen muß. Darum war man indeß weit entfernt,
die alten Freiheitsbriefe, welche die Suspension der Gesetze
verbieten, aufzuheben, weit lieber ließ man der eingestan-
denen Überschreitung hinten nach Straflosigkeit angedeihen;
das Parlament genehmigte die von den Ministern erbe-
tene bill of indemnity 3). Nur hat die Opposition stets,
und namentlich im J. 1807., gefordert, solche Ausnahmen
müßten überhaupt selten vorkommen, dürften keinen Fun-
damental-Satz der Verfassung angehn, ihre Nothwendig-
keit für die Sicherung des Gemeinwohls müsse jedes Mahl
nachgewiesen werden, und daß diese Nothwendigkeit nicht
durch die Minister verschuldet sey 4). Im übrigen über-
läßt man den Theoretikern die Frage, ob das Ministerium
solidarisch hafte, sowie den Alterthumsforschern die andere
Frage, ob nicht eigentlich der Geheimerath haften solle,
nicht das Cabinets-Ministerium (Hallam). Niemand zwei-
felt dort gegenwärtig an der Verantwortlichkeit der Mini-
ster, und man achtet eine Beschränkung des Anklagerechtes
des Unterhauses nicht für nöthig, weil man an müßiger
Anklage weder Freude, noch Zeit dazu hat. Auch ist die

Unverantwortlichkeit des Koͤnigs.
Gerichtshof, that den manchmahl blutigen Spruch, aber
es gehoͤrten noch eigene Erfahrungen dazu (Lord Danbys
Proceß, 1678., der des Koͤnigs Begnadigung eventuell
ſchon in der Taſche hatte), bevor man inne ward, daß
jede Miniſter-Anklage illuſoriſch ſei, wenn nicht die Krone
ein fuͤr alle Mahl auf Begnadigung in ſolchem Falle
Verzicht leiſtet. Das geſchah durch dieſelbe Acte, welche
das Haus Braunſchweig auf den Thron berief (act of
settlement
. 1701.) 2). Allein auch Erfahrungen anderer
Art fanden Eingang. Man lernte einſehen, daß keine
Geſetzgebung dem Drange aller Umſtaͤnde gewachſen iſt,
daß die Thatſache manchmahl den Miniſter uͤber das Geſetz
hinausreißen muß. Darum war man indeß weit entfernt,
die alten Freiheitsbriefe, welche die Suspenſion der Geſetze
verbieten, aufzuheben, weit lieber ließ man der eingeſtan-
denen Überſchreitung hinten nach Strafloſigkeit angedeihen;
das Parlament genehmigte die von den Miniſtern erbe-
tene bill of indemnity 3). Nur hat die Oppoſition ſtets,
und namentlich im J. 1807., gefordert, ſolche Ausnahmen
muͤßten uͤberhaupt ſelten vorkommen, duͤrften keinen Fun-
damental-Satz der Verfaſſung angehn, ihre Nothwendig-
keit fuͤr die Sicherung des Gemeinwohls muͤſſe jedes Mahl
nachgewieſen werden, und daß dieſe Nothwendigkeit nicht
durch die Miniſter verſchuldet ſey 4). Im uͤbrigen uͤber-
laͤßt man den Theoretikern die Frage, ob das Miniſterium
ſolidariſch hafte, ſowie den Alterthumsforſchern die andere
Frage, ob nicht eigentlich der Geheimerath haften ſolle,
nicht das Cabinets-Miniſterium (Hallam). Niemand zwei-
felt dort gegenwaͤrtig an der Verantwortlichkeit der Mini-
ſter, und man achtet eine Beſchraͤnkung des Anklagerechtes
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Anklage weder Freude, noch Zeit dazu hat. Auch iſt die

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[101/0113] Unverantwortlichkeit des Koͤnigs. Gerichtshof, that den manchmahl blutigen Spruch, aber es gehoͤrten noch eigene Erfahrungen dazu (Lord Danbys Proceß, 1678., der des Koͤnigs Begnadigung eventuell ſchon in der Taſche hatte), bevor man inne ward, daß jede Miniſter-Anklage illuſoriſch ſei, wenn nicht die Krone ein fuͤr alle Mahl auf Begnadigung in ſolchem Falle Verzicht leiſtet. Das geſchah durch dieſelbe Acte, welche das Haus Braunſchweig auf den Thron berief (act of settlement. 1701.) 2). Allein auch Erfahrungen anderer Art fanden Eingang. Man lernte einſehen, daß keine Geſetzgebung dem Drange aller Umſtaͤnde gewachſen iſt, daß die Thatſache manchmahl den Miniſter uͤber das Geſetz hinausreißen muß. Darum war man indeß weit entfernt, die alten Freiheitsbriefe, welche die Suspenſion der Geſetze verbieten, aufzuheben, weit lieber ließ man der eingeſtan- denen Überſchreitung hinten nach Strafloſigkeit angedeihen; das Parlament genehmigte die von den Miniſtern erbe- tene bill of indemnity 3). Nur hat die Oppoſition ſtets, und namentlich im J. 1807., gefordert, ſolche Ausnahmen muͤßten uͤberhaupt ſelten vorkommen, duͤrften keinen Fun- damental-Satz der Verfaſſung angehn, ihre Nothwendig- keit fuͤr die Sicherung des Gemeinwohls muͤſſe jedes Mahl nachgewieſen werden, und daß dieſe Nothwendigkeit nicht durch die Miniſter verſchuldet ſey 4). Im uͤbrigen uͤber- laͤßt man den Theoretikern die Frage, ob das Miniſterium ſolidariſch hafte, ſowie den Alterthumsforſchern die andere Frage, ob nicht eigentlich der Geheimerath haften ſolle, nicht das Cabinets-Miniſterium (Hallam). Niemand zwei- felt dort gegenwaͤrtig an der Verantwortlichkeit der Mini- ſter, und man achtet eine Beſchraͤnkung des Anklagerechtes des Unterhauſes nicht fuͤr noͤthig, weil man an muͤßiger Anklage weder Freude, noch Zeit dazu hat. Auch iſt die

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/113>, abgerufen am 24.11.2024.