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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Unverantwortlichkeit des Königs.
fassungsmäßig, nach Maasgabe ihres Inhalts, von einem
Minister, oder mehreren, oder allen mitunterzeichnet (con-
trasignirt) seyn; nicht bloß um die Ächtheit zu bezeugen;
die Unterzeichneten sind für ihren Inhalt verantwortlich.

1) Quod principi placuit legis habet vigorem.

131. Als Minister (Ministerial-Vorstände) sind daher
allein diejenigen Staatsbeamten zu betrachten, zwischen
denen und dem königlichen Willen kein anderer Wille steht.
Sie dürfen ihre Unterschrift, ohne welche der königliche
Wille keine Vollziehung hat, verweigern, und müssen daher
berechtigt seyn, zu jeder Zeit zu resigniren. Der König
aber kennt keine Schranken in der Wahl und Entlassung
seiner Minister; ein Ministerium, das dem Könige gesetzt
wird, oder das er, einmahl gewählt, nicht wieder ändern
darf, heiße es Hausmeyer oder Reichs-Rath, ist Mit-
König.

Daß der König auch ein Ministerium, welches die Majorität
im Parlament hat, entläßt, worüber die November 1834. ent-
lassenen Minister klagen, fast als ob es wider die Constitution
sey, dürfte seit der Reform-Acte wol öfter vorkommen.

132. Die Verantwortlichkeit der Minister ist theils
politisch, theils strafrechtlich. Die erstere ist von
unbeschränktem Umfange. Die freie Presse ruft die Hand-
lungen der Minister täglich vor den Richterstuhl der öffent-
lichen Meinung; sie beschränkt sich nicht auf die Rüge
von Gesetzwidrigkeiten, sie nimmt Alles auf, was, gethan
oder unterlassen, mit der öffentlichen Wohlfahrt streitet.
Die ständischen Versammlungen aller Art nöthigen den
Ministern auf jedem Schritte ihrer Bahn Rechenschaft,
Verantwortungen über ihr Verfahren, ihre Grundsätze und
Absichten ab. Bittschriften aus dem Volk, aus den

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Unverantwortlichkeit des Koͤnigs.
faſſungsmaͤßig, nach Maasgabe ihres Inhalts, von einem
Miniſter, oder mehreren, oder allen mitunterzeichnet (con-
traſignirt) ſeyn; nicht bloß um die Ächtheit zu bezeugen;
die Unterzeichneten ſind fuͤr ihren Inhalt verantwortlich.

1) Quod principi placuit legis habet vigorem.

131. Als Miniſter (Miniſterial-Vorſtaͤnde) ſind daher
allein diejenigen Staatsbeamten zu betrachten, zwiſchen
denen und dem koͤniglichen Willen kein anderer Wille ſteht.
Sie duͤrfen ihre Unterſchrift, ohne welche der koͤnigliche
Wille keine Vollziehung hat, verweigern, und muͤſſen daher
berechtigt ſeyn, zu jeder Zeit zu reſigniren. Der Koͤnig
aber kennt keine Schranken in der Wahl und Entlaſſung
ſeiner Miniſter; ein Miniſterium, das dem Koͤnige geſetzt
wird, oder das er, einmahl gewaͤhlt, nicht wieder aͤndern
darf, heiße es Hausmeyer oder Reichs-Rath, iſt Mit-
Koͤnig.

Daß der Koͤnig auch ein Miniſterium, welches die Majoritaͤt
im Parlament hat, entlaͤßt, woruͤber die November 1834. ent-
laſſenen Miniſter klagen, faſt als ob es wider die Conſtitution
ſey, duͤrfte ſeit der Reform-Acte wol oͤfter vorkommen.

132. Die Verantwortlichkeit der Miniſter iſt theils
politiſch, theils ſtrafrechtlich. Die erſtere iſt von
unbeſchraͤnktem Umfange. Die freie Preſſe ruft die Hand-
lungen der Miniſter taͤglich vor den Richterſtuhl der oͤffent-
lichen Meinung; ſie beſchraͤnkt ſich nicht auf die Ruͤge
von Geſetzwidrigkeiten, ſie nimmt Alles auf, was, gethan
oder unterlaſſen, mit der oͤffentlichen Wohlfahrt ſtreitet.
Die ſtaͤndiſchen Verſammlungen aller Art noͤthigen den
Miniſtern auf jedem Schritte ihrer Bahn Rechenſchaft,
Verantwortungen uͤber ihr Verfahren, ihre Grundſaͤtze und
Abſichten ab. Bittſchriften aus dem Volk, aus den

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[99/0111] Unverantwortlichkeit des Koͤnigs. faſſungsmaͤßig, nach Maasgabe ihres Inhalts, von einem Miniſter, oder mehreren, oder allen mitunterzeichnet (con- traſignirt) ſeyn; nicht bloß um die Ächtheit zu bezeugen; die Unterzeichneten ſind fuͤr ihren Inhalt verantwortlich. ¹⁾ Quod principi placuit legis habet vigorem. 131. Als Miniſter (Miniſterial-Vorſtaͤnde) ſind daher allein diejenigen Staatsbeamten zu betrachten, zwiſchen denen und dem koͤniglichen Willen kein anderer Wille ſteht. Sie duͤrfen ihre Unterſchrift, ohne welche der koͤnigliche Wille keine Vollziehung hat, verweigern, und muͤſſen daher berechtigt ſeyn, zu jeder Zeit zu reſigniren. Der Koͤnig aber kennt keine Schranken in der Wahl und Entlaſſung ſeiner Miniſter; ein Miniſterium, das dem Koͤnige geſetzt wird, oder das er, einmahl gewaͤhlt, nicht wieder aͤndern darf, heiße es Hausmeyer oder Reichs-Rath, iſt Mit- Koͤnig. Daß der Koͤnig auch ein Miniſterium, welches die Majoritaͤt im Parlament hat, entlaͤßt, woruͤber die November 1834. ent- laſſenen Miniſter klagen, faſt als ob es wider die Conſtitution ſey, duͤrfte ſeit der Reform-Acte wol oͤfter vorkommen. 132. Die Verantwortlichkeit der Miniſter iſt theils politiſch, theils ſtrafrechtlich. Die erſtere iſt von unbeſchraͤnktem Umfange. Die freie Preſſe ruft die Hand- lungen der Miniſter taͤglich vor den Richterſtuhl der oͤffent- lichen Meinung; ſie beſchraͤnkt ſich nicht auf die Ruͤge von Geſetzwidrigkeiten, ſie nimmt Alles auf, was, gethan oder unterlaſſen, mit der oͤffentlichen Wohlfahrt ſtreitet. Die ſtaͤndiſchen Verſammlungen aller Art noͤthigen den Miniſtern auf jedem Schritte ihrer Bahn Rechenſchaft, Verantwortungen uͤber ihr Verfahren, ihre Grundſaͤtze und Abſichten ab. Bittſchriften aus dem Volk, aus den 7*

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/111>, abgerufen am 08.05.2024.