Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Capitel.
Rechte begründeten Erwerbungsarten sich beziehen, sind von den
Gerichtsbehörden nach den Gesetzen zu beurtheilen." Allgem.
bürgerl. Gesetzbuch für die Österreich. Monarchie Th. I. Hptst.
1. §. 20. If any person has, in point of property, a just
demand upon the king, he must petition him in his court of
chancery, where his chancellor will administer right as a
matter of grace, though not upon compulsion. Blackstone
Comment. on the law of England. B.I. Chapt. 7. (T. I. p. 242.
the 15d ed. by Christian).

130. Auch die Unverletzlichkeit des Königs, die
Unverantwortlichkeit seiner Regierungshandlungen ist im
Königthum und zunächst schon in seiner Lebenslänglich-
keit enthalten. Regieren und verantwortlich seyn, gleich-
zeitig gedacht, sind Widersprüche; nun erscheint für den
lebenslänglichen Herrscher der Zeitpunkt seiner Verantwort-
lichkeit vor Menschen nimmer. Wo aber bleibt der Schutz
der mit den Ständen verabredeten Gesetze, wenn niemand
hernach für ihre Verletzung einsteht? wo der Schutz vor
der rohen Gewalt, die leicht dem verletzten Gesetz zu
Hülfe eilend, Übel auf Übel häufen und den Thron er-
schüttern möchte? Politische Erfahrung hat hier einen
Ausweg gefunden. Ein Gericht kann über Regierungs-
handlungen dadurch allein ergehen, daß ein Unterthan die-
selben sich zu eigen macht und ihre Verantwortung auf
eigene Gefahr übernimmt. Darum muß in jedem Staate,
welcher zwischen dem Willen des Fürsten 1) und dem Ge-
setze unterscheidet, der nothwendigen Forderung der fürst-
lichen Macht, daß sie einen Antheil an der Gesetzgebung
habe, die ebenfalls nothwendige Forderung der gesetzlichen
Freiheit gegenüber stehn, daß der Herrscher Minister an-
stelle, welche für die Gesetzmäßigkeit jeder Regierungs-
maasregel bürgen. Alle königlichen Befehle müssen ver-

Fuͤnftes Capitel.
Rechte begruͤndeten Erwerbungsarten ſich beziehen, ſind von den
Gerichtsbehoͤrden nach den Geſetzen zu beurtheilen.“ Allgem.
buͤrgerl. Geſetzbuch fuͤr die Öſterreich. Monarchie Th. I. Hptſt.
1. §. 20. If any person has, in point of property, a just
demand upon the king, he must petition him in his court of
chancery, where his chancellor will administer right as a
matter of grace, though not upon compulsion. Blackstone
Comment. on the law of England. B.I. Chapt. 7. (T. I. p. 242.
the 15d ed. by Christian).

130. Auch die Unverletzlichkeit des Koͤnigs, die
Unverantwortlichkeit ſeiner Regierungshandlungen iſt im
Koͤnigthum und zunaͤchſt ſchon in ſeiner Lebenslaͤnglich-
keit enthalten. Regieren und verantwortlich ſeyn, gleich-
zeitig gedacht, ſind Widerſpruͤche; nun erſcheint fuͤr den
lebenslaͤnglichen Herrſcher der Zeitpunkt ſeiner Verantwort-
lichkeit vor Menſchen nimmer. Wo aber bleibt der Schutz
der mit den Staͤnden verabredeten Geſetze, wenn niemand
hernach fuͤr ihre Verletzung einſteht? wo der Schutz vor
der rohen Gewalt, die leicht dem verletzten Geſetz zu
Huͤlfe eilend, Übel auf Übel haͤufen und den Thron er-
ſchuͤttern moͤchte? Politiſche Erfahrung hat hier einen
Ausweg gefunden. Ein Gericht kann uͤber Regierungs-
handlungen dadurch allein ergehen, daß ein Unterthan die-
ſelben ſich zu eigen macht und ihre Verantwortung auf
eigene Gefahr uͤbernimmt. Darum muß in jedem Staate,
welcher zwiſchen dem Willen des Fuͤrſten 1) und dem Ge-
ſetze unterſcheidet, der nothwendigen Forderung der fuͤrſt-
lichen Macht, daß ſie einen Antheil an der Geſetzgebung
habe, die ebenfalls nothwendige Forderung der geſetzlichen
Freiheit gegenuͤber ſtehn, daß der Herrſcher Miniſter an-
ſtelle, welche fuͤr die Geſetzmaͤßigkeit jeder Regierungs-
maasregel buͤrgen. Alle koͤniglichen Befehle muͤſſen ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <note place="end" n="1)"><pb facs="#f0110" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Rechte begru&#x0364;ndeten Erwerbungsarten &#x017F;ich beziehen, &#x017F;ind von den<lb/>
Gerichtsbeho&#x0364;rden nach den Ge&#x017F;etzen zu beurtheilen.&#x201C; Allgem.<lb/>
bu&#x0364;rgerl. Ge&#x017F;etzbuch fu&#x0364;r die <hi rendition="#g">Ö&#x017F;terreich</hi>. Monarchie Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> Hpt&#x017F;t.<lb/>
1. §. 20. <hi rendition="#aq">If any person has, in point of property, a just<lb/>
demand upon the king, he must petition him in his court of<lb/>
chancery, where his chancellor will administer right as a<lb/>
matter of grace, though not upon compulsion. Blackstone<lb/>
Comment. on the law of England. B.I. Chapt. 7. (T. I. p. 242.<lb/>
the 15<hi rendition="#sup">d</hi> ed. by Christian).</hi></note><lb/>
              <p>130. Auch die Unverletzlichkeit des Ko&#x0364;nigs, die<lb/>
Unverantwortlichkeit &#x017F;einer Regierungshandlungen i&#x017F;t im<lb/>
Ko&#x0364;nigthum und zuna&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;chon in &#x017F;einer Lebensla&#x0364;nglich-<lb/>
keit enthalten. Regieren und verantwortlich &#x017F;eyn, gleich-<lb/>
zeitig gedacht, &#x017F;ind Wider&#x017F;pru&#x0364;che; nun er&#x017F;cheint fu&#x0364;r den<lb/>
lebensla&#x0364;nglichen Herr&#x017F;cher der Zeitpunkt &#x017F;einer Verantwort-<lb/>
lichkeit vor Men&#x017F;chen nimmer. Wo aber bleibt der Schutz<lb/>
der mit den Sta&#x0364;nden verabredeten Ge&#x017F;etze, wenn niemand<lb/>
hernach fu&#x0364;r ihre Verletzung ein&#x017F;teht? wo der Schutz vor<lb/>
der rohen Gewalt, die leicht dem verletzten Ge&#x017F;etz zu<lb/>
Hu&#x0364;lfe eilend, Übel auf Übel ha&#x0364;ufen und den Thron er-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttern mo&#x0364;chte? Politi&#x017F;che Erfahrung hat hier einen<lb/>
Ausweg gefunden. Ein Gericht kann u&#x0364;ber Regierungs-<lb/>
handlungen dadurch allein ergehen, daß ein Unterthan die-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;ich zu eigen macht und ihre Verantwortung auf<lb/>
eigene Gefahr u&#x0364;bernimmt. Darum muß in jedem Staate,<lb/>
welcher zwi&#x017F;chen dem Willen des Fu&#x0364;r&#x017F;ten <hi rendition="#sup">1</hi>) und dem Ge-<lb/>
&#x017F;etze unter&#x017F;cheidet, der nothwendigen Forderung der fu&#x0364;r&#x017F;t-<lb/>
lichen Macht, daß &#x017F;ie einen Antheil an der Ge&#x017F;etzgebung<lb/>
habe, die ebenfalls nothwendige Forderung der ge&#x017F;etzlichen<lb/>
Freiheit gegenu&#x0364;ber &#x017F;tehn, daß der Herr&#x017F;cher Mini&#x017F;ter an-<lb/>
&#x017F;telle, welche fu&#x0364;r die Ge&#x017F;etzma&#x0364;ßigkeit jeder Regierungs-<lb/>
maasregel bu&#x0364;rgen. Alle ko&#x0364;niglichen Befehle mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0110] Fuͤnftes Capitel. ¹⁾ Rechte begruͤndeten Erwerbungsarten ſich beziehen, ſind von den Gerichtsbehoͤrden nach den Geſetzen zu beurtheilen.“ Allgem. buͤrgerl. Geſetzbuch fuͤr die Öſterreich. Monarchie Th. I. Hptſt. 1. §. 20. If any person has, in point of property, a just demand upon the king, he must petition him in his court of chancery, where his chancellor will administer right as a matter of grace, though not upon compulsion. Blackstone Comment. on the law of England. B.I. Chapt. 7. (T. I. p. 242. the 15d ed. by Christian). 130. Auch die Unverletzlichkeit des Koͤnigs, die Unverantwortlichkeit ſeiner Regierungshandlungen iſt im Koͤnigthum und zunaͤchſt ſchon in ſeiner Lebenslaͤnglich- keit enthalten. Regieren und verantwortlich ſeyn, gleich- zeitig gedacht, ſind Widerſpruͤche; nun erſcheint fuͤr den lebenslaͤnglichen Herrſcher der Zeitpunkt ſeiner Verantwort- lichkeit vor Menſchen nimmer. Wo aber bleibt der Schutz der mit den Staͤnden verabredeten Geſetze, wenn niemand hernach fuͤr ihre Verletzung einſteht? wo der Schutz vor der rohen Gewalt, die leicht dem verletzten Geſetz zu Huͤlfe eilend, Übel auf Übel haͤufen und den Thron er- ſchuͤttern moͤchte? Politiſche Erfahrung hat hier einen Ausweg gefunden. Ein Gericht kann uͤber Regierungs- handlungen dadurch allein ergehen, daß ein Unterthan die- ſelben ſich zu eigen macht und ihre Verantwortung auf eigene Gefahr uͤbernimmt. Darum muß in jedem Staate, welcher zwiſchen dem Willen des Fuͤrſten 1) und dem Ge- ſetze unterſcheidet, der nothwendigen Forderung der fuͤrſt- lichen Macht, daß ſie einen Antheil an der Geſetzgebung habe, die ebenfalls nothwendige Forderung der geſetzlichen Freiheit gegenuͤber ſtehn, daß der Herrſcher Miniſter an- ſtelle, welche fuͤr die Geſetzmaͤßigkeit jeder Regierungs- maasregel buͤrgen. Alle koͤniglichen Befehle muͤſſen ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/110
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/110>, abgerufen am 07.05.2024.