unter dem Bilde Benjamin Franklins, welcher die Ver- dienste dieses seltenen Bürgers um die Menschheit eben so kurz als eigenthümlich preist:
Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis, Dieser entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Scepter,
wird ihm zugeschrieben; allein seine Denkschrift an den König über Frankreichs Stellung zu diesem inhaltsschwe- ren Ereigniß mußte freilich andere Bahnen gehn. Sie ist wenig Wochen vor seiner Entlassung verfaßt. Turgot er- kennt in dem ganzen Vorgange einen großen und unver- meidlichen Wendepunct der Zeit: nichts natürlicher als daß Kinder, die sich der elterlichen Leitung entwachsen fühlen, ihren eigenen Weg versuchen, und in dem Falle daß die Eltern nicht verständig genug sind ihnen eine ihrer Kraft entsprechende freie Bewegung zu gestatten, sich wohl gar völlig losreißen. Er sieht voraus daß die Colonien der übrigen Reiche unseres Welttheiles diesem Beispiele folgen werden, und meint, Spanien ins Besondere werde weise thun, sich auf eine gänzlich veränderte Colonial- Politik zu rüsten; übrigens sey es ein Irrthum zu glau- ben daß die gelungene Losreißung Englands Macht und Wohlfahrt zu Grunde richten müsse. Seine Meinung in Bezug auf Frankreich ist: Ein Staat, welcher ein fort- laufendes Deficit von 20 Millionen hat, und dessen er- stes Bedürfniß ist durch eine tiefgreifende Reform die Lasten des Volks zu erleichtern, muß die vielleicht unwiederbring- liche Zeit zu diesem Zwecke benutzen, darf einen solchen
unter dem Bilde Benjamin Franklins, welcher die Ver- dienſte dieſes ſeltenen Bürgers um die Menſchheit eben ſo kurz als eigenthümlich preiſt:
Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis, Dieſer entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Scepter,
wird ihm zugeſchrieben; allein ſeine Denkſchrift an den König über Frankreichs Stellung zu dieſem inhaltsſchwe- ren Ereigniß mußte freilich andere Bahnen gehn. Sie iſt wenig Wochen vor ſeiner Entlaſſung verfaßt. Turgot er- kennt in dem ganzen Vorgange einen großen und unver- meidlichen Wendepunct der Zeit: nichts natürlicher als daß Kinder, die ſich der elterlichen Leitung entwachſen fühlen, ihren eigenen Weg verſuchen, und in dem Falle daß die Eltern nicht verſtändig genug ſind ihnen eine ihrer Kraft entſprechende freie Bewegung zu geſtatten, ſich wohl gar völlig losreißen. Er ſieht voraus daß die Colonien der übrigen Reiche unſeres Welttheiles dieſem Beiſpiele folgen werden, und meint, Spanien ins Beſondere werde weiſe thun, ſich auf eine gänzlich veränderte Colonial- Politik zu rüſten; übrigens ſey es ein Irrthum zu glau- ben daß die gelungene Losreißung Englands Macht und Wohlfahrt zu Grunde richten müſſe. Seine Meinung in Bezug auf Frankreich iſt: Ein Staat, welcher ein fort- laufendes Deficit von 20 Millionen hat, und deſſen er- ſtes Bedürfniß iſt durch eine tiefgreifende Reform die Laſten des Volks zu erleichtern, muß die vielleicht unwiederbring- liche Zeit zu dieſem Zwecke benutzen, darf einen ſolchen
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unter dem Bilde Benjamin Franklins, welcher die Ver-
dienſte dieſes ſeltenen Bürgers um die Menſchheit eben ſo
kurz als eigenthümlich preiſt:
Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis,
Dieſer entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Scepter,
wird ihm zugeſchrieben; allein ſeine Denkſchrift an den
König über Frankreichs Stellung zu dieſem inhaltsſchwe-
ren Ereigniß mußte freilich andere Bahnen gehn. Sie iſt
wenig Wochen vor ſeiner Entlaſſung verfaßt. Turgot er-
kennt in dem ganzen Vorgange einen großen und unver-
meidlichen Wendepunct der Zeit: nichts natürlicher als
daß Kinder, die ſich der elterlichen Leitung entwachſen
fühlen, ihren eigenen Weg verſuchen, und in dem Falle
daß die Eltern nicht verſtändig genug ſind ihnen eine ihrer
Kraft entſprechende freie Bewegung zu geſtatten, ſich wohl
gar völlig losreißen. Er ſieht voraus daß die Colonien
der übrigen Reiche unſeres Welttheiles dieſem Beiſpiele
folgen werden, und meint, Spanien ins Beſondere werde
weiſe thun, ſich auf eine gänzlich veränderte Colonial-
Politik zu rüſten; übrigens ſey es ein Irrthum zu glau-
ben daß die gelungene Losreißung Englands Macht und
Wohlfahrt zu Grunde richten müſſe. Seine Meinung in
Bezug auf Frankreich iſt: Ein Staat, welcher ein fort-
laufendes Deficit von 20 Millionen hat, und deſſen er-
ſtes Bedürfniß iſt durch eine tiefgreifende Reform die Laſten
des Volks zu erleichtern, muß die vielleicht unwiederbring-
liche Zeit zu dieſem Zwecke benutzen, darf einen ſolchen
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/74>, abgerufen am 26.11.2024.
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