Ew. Majestät sich dazu eines Tages entschlösse, sehen wir vorher, daß man unendliche Formschwierigkeiten er- schaffen wird, die sich doch gar leicht heben lassen, sobald Ew. Majestät es wollen wird; denn sie sind nicht von der Art ein wirkliches Hinderniß dem entgegenzusetzen, was durch die glühenden Wünsche eines Volks, welches Sie lieben, von Ihnen geheischt wird." -- "Wir wissen recht gut, daß unsere Vorschläge eine Neuerung sind, allein es giebt nützliche und oftmals nothwendige Neuerungen. Hätte man beharrlich alle Neuerungen verworfen, so leb- ten wir noch unter der Herrschaft der Tyrannei, der Un- wissenheit und Barbarei."
So weit Malesherbes und sein Obersteuerhof. Turgot war einverstanden, nur daß er die Freude seines Freundes über die Herstellung der Parlamente nicht theilte, nur daß er die Reichsstände mehr in den Hintergrund gestellt wünschte. Malesherbes meinte daß die Reichsstände aus Grundbesitzern, ohne Rücksicht auf den Adel, aus Bür- gerlichen, nicht aus Priestern erwachsen müßten, aber in seiner Denkschrift ist darüber nichts enthalten. Diese ward am 5. Mai 1775 eingegeben und erweckte dem Grafen Maurepas und seinem Vertrauten dem Siegelbewahrer nicht geringe Sorge. Auf den Rath Beider erwiederte der Kö- nig, welchen gerade in denselben Tagen Aufläufe wegen einer Getraidetheurung beunruhigten, in ausweichender Fassung, man dürfe nicht zu Vielerlei auf einmal ändern, und es floß sogar der Zweifel ein, ob denn wirklich Mis-
Ew. Majeſtät ſich dazu eines Tages entſchlöſſe, ſehen wir vorher, daß man unendliche Formſchwierigkeiten er- ſchaffen wird, die ſich doch gar leicht heben laſſen, ſobald Ew. Majeſtät es wollen wird; denn ſie ſind nicht von der Art ein wirkliches Hinderniß dem entgegenzuſetzen, was durch die glühenden Wünſche eines Volks, welches Sie lieben, von Ihnen geheiſcht wird.“ — „Wir wiſſen recht gut, daß unſere Vorſchläge eine Neuerung ſind, allein es giebt nützliche und oftmals nothwendige Neuerungen. Hätte man beharrlich alle Neuerungen verworfen, ſo leb- ten wir noch unter der Herrſchaft der Tyrannei, der Un- wiſſenheit und Barbarei.“
So weit Malesherbes und ſein Oberſteuerhof. Turgot war einverſtanden, nur daß er die Freude ſeines Freundes über die Herſtellung der Parlamente nicht theilte, nur daß er die Reichsſtände mehr in den Hintergrund geſtellt wünſchte. Malesherbes meinte daß die Reichsſtände aus Grundbeſitzern, ohne Rückſicht auf den Adel, aus Bür- gerlichen, nicht aus Prieſtern erwachſen müßten, aber in ſeiner Denkſchrift iſt darüber nichts enthalten. Dieſe ward am 5. Mai 1775 eingegeben und erweckte dem Grafen Maurepas und ſeinem Vertrauten dem Siegelbewahrer nicht geringe Sorge. Auf den Rath Beider erwiederte der Kö- nig, welchen gerade in denſelben Tagen Aufläufe wegen einer Getraidetheurung beunruhigten, in ausweichender Faſſung, man dürfe nicht zu Vielerlei auf einmal ändern, und es floß ſogar der Zweifel ein, ob denn wirklich Mis-
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Ew. Majeſtät ſich dazu eines Tages entſchlöſſe, ſehen
wir vorher, daß man unendliche Formſchwierigkeiten er-
ſchaffen wird, die ſich doch gar leicht heben laſſen, ſobald
Ew. Majeſtät es wollen wird; denn ſie ſind nicht von der
Art ein wirkliches Hinderniß dem entgegenzuſetzen, was
durch die glühenden Wünſche eines Volks, welches Sie
lieben, von Ihnen geheiſcht wird.“ — „Wir wiſſen recht
gut, daß unſere Vorſchläge eine Neuerung ſind, allein es
giebt nützliche und oftmals nothwendige Neuerungen.
Hätte man beharrlich alle Neuerungen verworfen, ſo leb-
ten wir noch unter der Herrſchaft der Tyrannei, der Un-
wiſſenheit und Barbarei.“
So weit Malesherbes und ſein Oberſteuerhof. Turgot
war einverſtanden, nur daß er die Freude ſeines Freundes
über die Herſtellung der Parlamente nicht theilte, nur
daß er die Reichsſtände mehr in den Hintergrund geſtellt
wünſchte. Malesherbes meinte daß die Reichsſtände aus
Grundbeſitzern, ohne Rückſicht auf den Adel, aus Bür-
gerlichen, nicht aus Prieſtern erwachſen müßten, aber in
ſeiner Denkſchrift iſt darüber nichts enthalten. Dieſe ward
am 5. Mai 1775 eingegeben und erweckte dem Grafen
Maurepas und ſeinem Vertrauten dem Siegelbewahrer nicht
geringe Sorge. Auf den Rath Beider erwiederte der Kö-
nig, welchen gerade in denſelben Tagen Aufläufe wegen
einer Getraidetheurung beunruhigten, in ausweichender
Faſſung, man dürfe nicht zu Vielerlei auf einmal ändern,
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/56>, abgerufen am 28.11.2024.
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