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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Gefangenen beschränkte; allein die Ausführung ging weit
über diese Gränze hinaus. Die That ward an den Prie-
stern, welche als überführte Verbrecher betrachtet wurden,
ohne alle beschönigende Form vollbracht. Gedungene Mör-
derhaufen drangen zu den Karmelitern ein, trieben die in
der Kirche zusammengesperrten Geistlichen in den Kloster-
garten und schossen nun unter den Haufen; weil aber doch
viele bloß verwundet, manche unversehrt blieben, mußte
man sie einzeln tödten, ließ die Leichen liegen, man zählte
deren 163, darunter der Erzbischof von Arles und zwei
Bischöfe. In eben der Art ward mit den Priestern in an-
dern Verwahrungsplätzen verfahren, man stieß oder schlug
sie nieder, warf ihre Leichen aus den Fenstern auf die offene
Gasse. Dagegen war in den Gefängnissen der Abtei St.
Germain und in La Force, in welchen man die politisch
Verdächtigen planmäßig zusammengehäuft hatte, ein regel-
mäßiges Verfahren veranstaltet. Wir finden in der Abtei
den wohlbekannten Maillard wieder, dieses Mal als Prä-
sidenten eines Geschworenengerichtes von zwölf pariser
Bürgern. Es hat seinen Sitz in der Stube hart am Pfört-
chen zur Straße hin erwählt und arbeitet ohne Unter-
brechung Tag und Nacht. Der Präsident, im grauen Rocke,
den Säbel an der Seite, sieht die Gefangenenliste durch,
läßt einen nach dem anderen von ein Paar Bewaffneten
vorführen, ein förmliches Verfahren beginnt, Fragen und
Antworten wechseln, nicht einmal die Öffentlichkeit fehlt,
denn eine Anzahl gesprächiger Weiber ist zugelassen; aber

Gefangenen beſchränkte; allein die Ausführung ging weit
über dieſe Gränze hinaus. Die That ward an den Prie-
ſtern, welche als überführte Verbrecher betrachtet wurden,
ohne alle beſchönigende Form vollbracht. Gedungene Mör-
derhaufen drangen zu den Karmelitern ein, trieben die in
der Kirche zuſammengeſperrten Geiſtlichen in den Kloſter-
garten und ſchoſſen nun unter den Haufen; weil aber doch
viele bloß verwundet, manche unverſehrt blieben, mußte
man ſie einzeln tödten, ließ die Leichen liegen, man zählte
deren 163, darunter der Erzbiſchof von Arles und zwei
Biſchöfe. In eben der Art ward mit den Prieſtern in an-
dern Verwahrungsplätzen verfahren, man ſtieß oder ſchlug
ſie nieder, warf ihre Leichen aus den Fenſtern auf die offene
Gaſſe. Dagegen war in den Gefängniſſen der Abtei St.
Germain und in La Force, in welchen man die politiſch
Verdächtigen planmäßig zuſammengehäuft hatte, ein regel-
mäßiges Verfahren veranſtaltet. Wir finden in der Abtei
den wohlbekannten Maillard wieder, dieſes Mal als Prä-
ſidenten eines Geſchworenengerichtes von zwölf pariſer
Bürgern. Es hat ſeinen Sitz in der Stube hart am Pfört-
chen zur Straße hin erwählt und arbeitet ohne Unter-
brechung Tag und Nacht. Der Präſident, im grauen Rocke,
den Säbel an der Seite, ſieht die Gefangenenliſte durch,
läßt einen nach dem anderen von ein Paar Bewaffneten
vorführen, ein förmliches Verfahren beginnt, Fragen und
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[464/0474] Gefangenen beſchränkte; allein die Ausführung ging weit über dieſe Gränze hinaus. Die That ward an den Prie- ſtern, welche als überführte Verbrecher betrachtet wurden, ohne alle beſchönigende Form vollbracht. Gedungene Mör- derhaufen drangen zu den Karmelitern ein, trieben die in der Kirche zuſammengeſperrten Geiſtlichen in den Kloſter- garten und ſchoſſen nun unter den Haufen; weil aber doch viele bloß verwundet, manche unverſehrt blieben, mußte man ſie einzeln tödten, ließ die Leichen liegen, man zählte deren 163, darunter der Erzbiſchof von Arles und zwei Biſchöfe. In eben der Art ward mit den Prieſtern in an- dern Verwahrungsplätzen verfahren, man ſtieß oder ſchlug ſie nieder, warf ihre Leichen aus den Fenſtern auf die offene Gaſſe. Dagegen war in den Gefängniſſen der Abtei St. Germain und in La Force, in welchen man die politiſch Verdächtigen planmäßig zuſammengehäuft hatte, ein regel- mäßiges Verfahren veranſtaltet. Wir finden in der Abtei den wohlbekannten Maillard wieder, dieſes Mal als Prä- ſidenten eines Geſchworenengerichtes von zwölf pariſer Bürgern. Es hat ſeinen Sitz in der Stube hart am Pfört- chen zur Straße hin erwählt und arbeitet ohne Unter- brechung Tag und Nacht. Der Präſident, im grauen Rocke, den Säbel an der Seite, ſieht die Gefangenenliſte durch, läßt einen nach dem anderen von ein Paar Bewaffneten vorführen, ein förmliches Verfahren beginnt, Fragen und Antworten wechſeln, nicht einmal die Öffentlichkeit fehlt, denn eine Anzahl geſprächiger Weiber iſt zugelaſſen; aber

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/474>, abgerufen am 28.04.2024.