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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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fährigkeit und trat an Lafayette's Stelle in den Oberbe-
fehl ein; den verdächtigten ungeschickten Luckner ersetzte
Kellermann. Mit Recht sagt Dumouriez in seinen Denk-
würdigkeiten: der Herzog von Braunschweig hätte seinen
Angriff auf ein Heer ohne Feldherrn machen sollen, zu ei-
ner Zeit da Lafayette geflohen war und Dumouriez ihn
noch nicht ersetzt hatte. Aber der Oberfeldherr der deut-
schen Mächte, innerlich unklar, gegen jeden hohen Rath-
schlag sich tief verbeugend, keinem mit Hingebung folgend,
schritt behutsam über Trier und Luxemburg vor, vollbrachte
die Vereinigung mit den 20,000 Österreichern unter Clair-
Aug. 19.fait, und hatte als er endlich die Gränze überschritt in
zwanzig Tagen immer doch seine vierzig Stunden Weges
zurückgelegt. Als Danton auf die Coblenzer Redensarten
vom 25sten Julius das blutige Werk des 10ten Augusts
zur Antwort gab, rief König Friedrich Wilhelm in ritter-
licher Ungeduld: "Wohlan, wenn der König nicht zu ret-
ten ist, so retten wir das Königthum." Sein Feldherr
dachte anders; man hatte auf eine royalistische Bewegung
in Frankreich gerechnet; diese Hoffnung schien durch den
10ten August vereitelt; der Herbst war vor der Thüre,
schon kündigten ihn Regengüsse an; der Herzog hätte sich
für diesen Feldzug auf einen Festungskrieg beschränken mö-
gen, allein der königliche Wille schob ihn vorwärts. Wei-
ter aber kam es auch nicht, und so stand er zwar nicht stille,
wußte aber der Forderung, rasch auf Paris vorwärts zu
dringen, mochte sie nun vom Könige oder von überlästigen

fährigkeit und trat an Lafayette’s Stelle in den Oberbe-
fehl ein; den verdächtigten ungeſchickten Luckner erſetzte
Kellermann. Mit Recht ſagt Dumouriez in ſeinen Denk-
würdigkeiten: der Herzog von Braunſchweig hätte ſeinen
Angriff auf ein Heer ohne Feldherrn machen ſollen, zu ei-
ner Zeit da Lafayette geflohen war und Dumouriez ihn
noch nicht erſetzt hatte. Aber der Oberfeldherr der deut-
ſchen Mächte, innerlich unklar, gegen jeden hohen Rath-
ſchlag ſich tief verbeugend, keinem mit Hingebung folgend,
ſchritt behutſam über Trier und Luxemburg vor, vollbrachte
die Vereinigung mit den 20,000 Öſterreichern unter Clair-
Aug. 19.fait, und hatte als er endlich die Gränze überſchritt in
zwanzig Tagen immer doch ſeine vierzig Stunden Weges
zurückgelegt. Als Danton auf die Coblenzer Redensarten
vom 25ſten Julius das blutige Werk des 10ten Auguſts
zur Antwort gab, rief König Friedrich Wilhelm in ritter-
licher Ungeduld: „Wohlan, wenn der König nicht zu ret-
ten iſt, ſo retten wir das Königthum.“ Sein Feldherr
dachte anders; man hatte auf eine royaliſtiſche Bewegung
in Frankreich gerechnet; dieſe Hoffnung ſchien durch den
10ten Auguſt vereitelt; der Herbſt war vor der Thüre,
ſchon kündigten ihn Regengüſſe an; der Herzog hätte ſich
für dieſen Feldzug auf einen Feſtungskrieg beſchränken mö-
gen, allein der königliche Wille ſchob ihn vorwärts. Wei-
ter aber kam es auch nicht, und ſo ſtand er zwar nicht ſtille,
wußte aber der Forderung, raſch auf Paris vorwärts zu
dringen, mochte ſie nun vom Könige oder von überläſtigen

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[454/0464] fährigkeit und trat an Lafayette’s Stelle in den Oberbe- fehl ein; den verdächtigten ungeſchickten Luckner erſetzte Kellermann. Mit Recht ſagt Dumouriez in ſeinen Denk- würdigkeiten: der Herzog von Braunſchweig hätte ſeinen Angriff auf ein Heer ohne Feldherrn machen ſollen, zu ei- ner Zeit da Lafayette geflohen war und Dumouriez ihn noch nicht erſetzt hatte. Aber der Oberfeldherr der deut- ſchen Mächte, innerlich unklar, gegen jeden hohen Rath- ſchlag ſich tief verbeugend, keinem mit Hingebung folgend, ſchritt behutſam über Trier und Luxemburg vor, vollbrachte die Vereinigung mit den 20,000 Öſterreichern unter Clair- fait, und hatte als er endlich die Gränze überſchritt in zwanzig Tagen immer doch ſeine vierzig Stunden Weges zurückgelegt. Als Danton auf die Coblenzer Redensarten vom 25ſten Julius das blutige Werk des 10ten Auguſts zur Antwort gab, rief König Friedrich Wilhelm in ritter- licher Ungeduld: „Wohlan, wenn der König nicht zu ret- ten iſt, ſo retten wir das Königthum.“ Sein Feldherr dachte anders; man hatte auf eine royaliſtiſche Bewegung in Frankreich gerechnet; dieſe Hoffnung ſchien durch den 10ten Auguſt vereitelt; der Herbſt war vor der Thüre, ſchon kündigten ihn Regengüſſe an; der Herzog hätte ſich für dieſen Feldzug auf einen Feſtungskrieg beſchränken mö- gen, allein der königliche Wille ſchob ihn vorwärts. Wei- ter aber kam es auch nicht, und ſo ſtand er zwar nicht ſtille, wußte aber der Forderung, raſch auf Paris vorwärts zu dringen, mochte ſie nun vom Könige oder von überläſtigen Aug. 19.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/464>, abgerufen am 28.04.2024.