Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

des Königs und seiner Familie aus seiner Hauptstadt alle
Ortschaften, welche sich solchem Beginnen nicht widersetzen,
mit denselben äußersten und unerläßlichen Strafen wie die
Stadt Paris bedroht.

Wer da behaupten wollte, der französische Königsthron
sey durch diese Coblenzer Manifester umgestürzt, sagte ganz
gewiß zu viel. Allein ein zweckmäßigeres Mittel, den
König zum Volksfeind zu stempeln und alle politischen
Parteien in Frankreich zum einträchtigen Widerstande zu
entflammen, konnte nicht erdacht werden. Ein König,
dessen völlige Unfähigkeit ein Recht der Herrschaft nach
dem andern dem Volk überliefert hat, soll nun durch einen
"militärischen Spaziergang" von Ausländern, welche
Polen theilten, dieses selbige Volk mit gebundenen Hän-
den ausgeliefert erhalten, damit er diejenige Strafe an
ihm übe, welche die Rachsucht der Ausgewanderten seiner
Schwäche dictiren wird. Ganz dahin sind also alle hohen
Gedanken, welche seit drei Jahren Frankreich begeisterten
und den aufmerksamen Welttheil in ein zwischen Hoffnung
und Sorge getheiltes Erstaunen setzten, eine schmählichere
Unterwürfigkeit als jede frühere tritt an ihre Stelle. Denn
das steht ja fest: diese Zurückgekehrten werden nicht allein
ihre Habe zurückfordern, welche neuerdings erst der ver-
letzten Nation als Schadloshaltung zugesprochen ist, der-März 30.
selbe Sturm, welcher das politische Recht der Franzosen
entblättert, wird dem dienstlosen Leben des Landmannes,
dem geliebten Grundsatze der Gleichheit in Besteurung und

des Königs und ſeiner Familie aus ſeiner Hauptſtadt alle
Ortſchaften, welche ſich ſolchem Beginnen nicht widerſetzen,
mit denſelben äußerſten und unerläßlichen Strafen wie die
Stadt Paris bedroht.

Wer da behaupten wollte, der franzöſiſche Königsthron
ſey durch dieſe Coblenzer Manifeſter umgeſtürzt, ſagte ganz
gewiß zu viel. Allein ein zweckmäßigeres Mittel, den
König zum Volksfeind zu ſtempeln und alle politiſchen
Parteien in Frankreich zum einträchtigen Widerſtande zu
entflammen, konnte nicht erdacht werden. Ein König,
deſſen völlige Unfähigkeit ein Recht der Herrſchaft nach
dem andern dem Volk überliefert hat, ſoll nun durch einen
„militäriſchen Spaziergang“ von Ausländern, welche
Polen theilten, dieſes ſelbige Volk mit gebundenen Hän-
den ausgeliefert erhalten, damit er diejenige Strafe an
ihm übe, welche die Rachſucht der Ausgewanderten ſeiner
Schwäche dictiren wird. Ganz dahin ſind alſo alle hohen
Gedanken, welche ſeit drei Jahren Frankreich begeiſterten
und den aufmerkſamen Welttheil in ein zwiſchen Hoffnung
und Sorge getheiltes Erſtaunen ſetzten, eine ſchmählichere
Unterwürfigkeit als jede frühere tritt an ihre Stelle. Denn
das ſteht ja feſt: dieſe Zurückgekehrten werden nicht allein
ihre Habe zurückfordern, welche neuerdings erſt der ver-
letzten Nation als Schadloshaltung zugeſprochen iſt, der-März 30.
ſelbe Sturm, welcher das politiſche Recht der Franzoſen
entblättert, wird dem dienſtloſen Leben des Landmannes,
dem geliebten Grundſatze der Gleichheit in Beſteurung und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0453" n="443"/>
des Königs und &#x017F;einer Familie aus &#x017F;einer Haupt&#x017F;tadt alle<lb/>
Ort&#x017F;chaften, welche &#x017F;ich &#x017F;olchem Beginnen nicht wider&#x017F;etzen,<lb/>
mit den&#x017F;elben äußer&#x017F;ten und unerläßlichen Strafen wie die<lb/>
Stadt Paris bedroht.</p><lb/>
          <p>Wer da behaupten wollte, der franzö&#x017F;i&#x017F;che Königsthron<lb/>
&#x017F;ey durch die&#x017F;e Coblenzer Manife&#x017F;ter umge&#x017F;türzt, &#x017F;agte ganz<lb/>
gewiß zu viel. Allein ein zweckmäßigeres Mittel, den<lb/>
König zum Volksfeind zu &#x017F;tempeln und alle politi&#x017F;chen<lb/>
Parteien in Frankreich zum einträchtigen Wider&#x017F;tande zu<lb/>
entflammen, konnte nicht erdacht werden. Ein König,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en völlige Unfähigkeit ein Recht der Herr&#x017F;chaft nach<lb/>
dem andern dem Volk überliefert hat, &#x017F;oll nun durch einen<lb/>
&#x201E;militäri&#x017F;chen Spaziergang&#x201C; von Ausländern, welche<lb/>
Polen theilten, die&#x017F;es &#x017F;elbige Volk mit gebundenen Hän-<lb/>
den ausgeliefert erhalten, damit er diejenige Strafe an<lb/>
ihm übe, welche die Rach&#x017F;ucht der Ausgewanderten &#x017F;einer<lb/>
Schwäche dictiren wird. Ganz dahin &#x017F;ind al&#x017F;o alle hohen<lb/>
Gedanken, welche &#x017F;eit drei Jahren Frankreich begei&#x017F;terten<lb/>
und den aufmerk&#x017F;amen Welttheil in ein zwi&#x017F;chen Hoffnung<lb/>
und Sorge getheiltes Er&#x017F;taunen &#x017F;etzten, eine &#x017F;chmählichere<lb/>
Unterwürfigkeit als jede frühere tritt an ihre Stelle. Denn<lb/>
das &#x017F;teht ja fe&#x017F;t: die&#x017F;e Zurückgekehrten werden nicht allein<lb/>
ihre Habe zurückfordern, welche neuerdings er&#x017F;t der ver-<lb/>
letzten Nation als Schadloshaltung zuge&#x017F;prochen i&#x017F;t, der-<note place="right">März 30.</note><lb/>
&#x017F;elbe Sturm, welcher das politi&#x017F;che Recht der Franzo&#x017F;en<lb/>
entblättert, wird dem dien&#x017F;tlo&#x017F;en Leben des Landmannes,<lb/>
dem geliebten Grund&#x017F;atze der Gleichheit in Be&#x017F;teurung und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[443/0453] des Königs und ſeiner Familie aus ſeiner Hauptſtadt alle Ortſchaften, welche ſich ſolchem Beginnen nicht widerſetzen, mit denſelben äußerſten und unerläßlichen Strafen wie die Stadt Paris bedroht. Wer da behaupten wollte, der franzöſiſche Königsthron ſey durch dieſe Coblenzer Manifeſter umgeſtürzt, ſagte ganz gewiß zu viel. Allein ein zweckmäßigeres Mittel, den König zum Volksfeind zu ſtempeln und alle politiſchen Parteien in Frankreich zum einträchtigen Widerſtande zu entflammen, konnte nicht erdacht werden. Ein König, deſſen völlige Unfähigkeit ein Recht der Herrſchaft nach dem andern dem Volk überliefert hat, ſoll nun durch einen „militäriſchen Spaziergang“ von Ausländern, welche Polen theilten, dieſes ſelbige Volk mit gebundenen Hän- den ausgeliefert erhalten, damit er diejenige Strafe an ihm übe, welche die Rachſucht der Ausgewanderten ſeiner Schwäche dictiren wird. Ganz dahin ſind alſo alle hohen Gedanken, welche ſeit drei Jahren Frankreich begeiſterten und den aufmerkſamen Welttheil in ein zwiſchen Hoffnung und Sorge getheiltes Erſtaunen ſetzten, eine ſchmählichere Unterwürfigkeit als jede frühere tritt an ihre Stelle. Denn das ſteht ja feſt: dieſe Zurückgekehrten werden nicht allein ihre Habe zurückfordern, welche neuerdings erſt der ver- letzten Nation als Schadloshaltung zugeſprochen iſt, der- ſelbe Sturm, welcher das politiſche Recht der Franzoſen entblättert, wird dem dienſtloſen Leben des Landmannes, dem geliebten Grundſatze der Gleichheit in Beſteurung und März 30.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/453
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/453>, abgerufen am 27.04.2024.