Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

scher Rechte der Unterthanen bestehen. Allein das Trach-
ten dieser Bischofswerder und Wöllner, betrogener Betrü-
ger, die dem neuen Könige unvermerkt die Last der Regie-
rung abnahmen und mit frommer Ergebung in ihren
Vortheil auf die eigenen Schultern luden, war durchaus
auf jenen Stein der Weisen gerichtet, welcher die Güter
dieser Welt ausschließlich in die Hände der Gläubigen
bringt. Wie sie ihren König mit Geistererscheinungen
täuschten, die sich sogar bis zu Christus verstiegen, eben
so zuversichtlich verschlossen sie die Augen vor den Geistern,
welche wirklich erschienen waren. Weil aber dem Volk
eine gleiche Geistesstärke nicht zuzutrauen, legte man durch
ein Religionsedict eine breite Binde um seine Augen und
verpflichtete drohend seine Lehrer zu aller formalen Recht-
gläubigkeit des sechzehnten Jahrhunderts, setzte den Preß-
zwang wieder in Thätigkeit, welchen Friedrich hatte ver-
alten lassen. Während mancher Deutsche schwermüthig be-
geistert ahnte, das neue Licht von Frankreich her werde auch
einen Strahl in unsere vaterländischen Abgründe werfen,
schloß man in Berlin alle Läden zu und beschloß sich auf den
Weg zu machen, um die Irrlichter Frankreichs auszuputzen.

In diese Stimmungen und Meinungskämpfe fiel Ed-
mund Burke's gewichtiges Buch über die französische Re-
volution, im November 1790 erscheinend, breit hinein.
Der außerordentliche Mann hatte sich die Sache leicht ge-
macht. Ohne in den Nothstand des französischen Volks,
die Zerrüttung seiner Finanzen, die Rechtlosigkeit so vieler

ſcher Rechte der Unterthanen beſtehen. Allein das Trach-
ten dieſer Biſchofswerder und Wöllner, betrogener Betrü-
ger, die dem neuen Könige unvermerkt die Laſt der Regie-
rung abnahmen und mit frommer Ergebung in ihren
Vortheil auf die eigenen Schultern luden, war durchaus
auf jenen Stein der Weiſen gerichtet, welcher die Güter
dieſer Welt ausſchließlich in die Hände der Gläubigen
bringt. Wie ſie ihren König mit Geiſtererſcheinungen
täuſchten, die ſich ſogar bis zu Chriſtus verſtiegen, eben
ſo zuverſichtlich verſchloſſen ſie die Augen vor den Geiſtern,
welche wirklich erſchienen waren. Weil aber dem Volk
eine gleiche Geiſtesſtärke nicht zuzutrauen, legte man durch
ein Religionsedict eine breite Binde um ſeine Augen und
verpflichtete drohend ſeine Lehrer zu aller formalen Recht-
gläubigkeit des ſechzehnten Jahrhunderts, ſetzte den Preß-
zwang wieder in Thätigkeit, welchen Friedrich hatte ver-
alten laſſen. Während mancher Deutſche ſchwermüthig be-
geiſtert ahnte, das neue Licht von Frankreich her werde auch
einen Strahl in unſere vaterländiſchen Abgründe werfen,
ſchloß man in Berlin alle Läden zu und beſchloß ſich auf den
Weg zu machen, um die Irrlichter Frankreichs auszuputzen.

In dieſe Stimmungen und Meinungskämpfe fiel Ed-
mund Burke’s gewichtiges Buch über die franzöſiſche Re-
volution, im November 1790 erſcheinend, breit hinein.
Der außerordentliche Mann hatte ſich die Sache leicht ge-
macht. Ohne in den Nothſtand des franzöſiſchen Volks,
die Zerrüttung ſeiner Finanzen, die Rechtloſigkeit ſo vieler

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0433" n="423"/>
&#x017F;cher Rechte der Unterthanen be&#x017F;tehen. Allein das Trach-<lb/>
ten die&#x017F;er Bi&#x017F;chofswerder und Wöllner, betrogener Betrü-<lb/>
ger, die dem neuen Könige unvermerkt die La&#x017F;t der Regie-<lb/>
rung abnahmen und mit frommer Ergebung in ihren<lb/>
Vortheil auf die eigenen Schultern luden, war durchaus<lb/>
auf jenen Stein der Wei&#x017F;en gerichtet, welcher die Güter<lb/>
die&#x017F;er Welt aus&#x017F;chließlich in die Hände der Gläubigen<lb/>
bringt. Wie &#x017F;ie ihren König mit Gei&#x017F;terer&#x017F;cheinungen<lb/>
täu&#x017F;chten, die &#x017F;ich &#x017F;ogar bis zu Chri&#x017F;tus ver&#x017F;tiegen, eben<lb/>
&#x017F;o zuver&#x017F;ichtlich ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie die Augen vor den Gei&#x017F;tern,<lb/>
welche wirklich er&#x017F;chienen waren. Weil aber dem Volk<lb/>
eine gleiche Gei&#x017F;tes&#x017F;tärke nicht zuzutrauen, legte man durch<lb/>
ein Religionsedict eine breite Binde um &#x017F;eine Augen und<lb/>
verpflichtete drohend &#x017F;eine Lehrer zu aller formalen Recht-<lb/>
gläubigkeit des &#x017F;echzehnten Jahrhunderts, &#x017F;etzte den Preß-<lb/>
zwang wieder in Thätigkeit, welchen Friedrich hatte ver-<lb/>
alten la&#x017F;&#x017F;en. Während mancher Deut&#x017F;che &#x017F;chwermüthig be-<lb/>
gei&#x017F;tert ahnte, das neue Licht von Frankreich her werde auch<lb/>
einen Strahl in un&#x017F;ere vaterländi&#x017F;chen Abgründe werfen,<lb/>
&#x017F;chloß man in Berlin alle Läden zu und be&#x017F;chloß &#x017F;ich auf den<lb/>
Weg zu machen, um die Irrlichter Frankreichs auszuputzen.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;e Stimmungen und Meinungskämpfe fiel Ed-<lb/>
mund Burke&#x2019;s gewichtiges Buch über die franzö&#x017F;i&#x017F;che Re-<lb/>
volution, im November 1790 er&#x017F;cheinend, breit hinein.<lb/>
Der außerordentliche Mann hatte &#x017F;ich die Sache leicht ge-<lb/>
macht. Ohne in den Noth&#x017F;tand des franzö&#x017F;i&#x017F;chen Volks,<lb/>
die Zerrüttung &#x017F;einer Finanzen, die Rechtlo&#x017F;igkeit &#x017F;o vieler<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0433] ſcher Rechte der Unterthanen beſtehen. Allein das Trach- ten dieſer Biſchofswerder und Wöllner, betrogener Betrü- ger, die dem neuen Könige unvermerkt die Laſt der Regie- rung abnahmen und mit frommer Ergebung in ihren Vortheil auf die eigenen Schultern luden, war durchaus auf jenen Stein der Weiſen gerichtet, welcher die Güter dieſer Welt ausſchließlich in die Hände der Gläubigen bringt. Wie ſie ihren König mit Geiſtererſcheinungen täuſchten, die ſich ſogar bis zu Chriſtus verſtiegen, eben ſo zuverſichtlich verſchloſſen ſie die Augen vor den Geiſtern, welche wirklich erſchienen waren. Weil aber dem Volk eine gleiche Geiſtesſtärke nicht zuzutrauen, legte man durch ein Religionsedict eine breite Binde um ſeine Augen und verpflichtete drohend ſeine Lehrer zu aller formalen Recht- gläubigkeit des ſechzehnten Jahrhunderts, ſetzte den Preß- zwang wieder in Thätigkeit, welchen Friedrich hatte ver- alten laſſen. Während mancher Deutſche ſchwermüthig be- geiſtert ahnte, das neue Licht von Frankreich her werde auch einen Strahl in unſere vaterländiſchen Abgründe werfen, ſchloß man in Berlin alle Läden zu und beſchloß ſich auf den Weg zu machen, um die Irrlichter Frankreichs auszuputzen. In dieſe Stimmungen und Meinungskämpfe fiel Ed- mund Burke’s gewichtiges Buch über die franzöſiſche Re- volution, im November 1790 erſcheinend, breit hinein. Der außerordentliche Mann hatte ſich die Sache leicht ge- macht. Ohne in den Nothſtand des franzöſiſchen Volks, die Zerrüttung ſeiner Finanzen, die Rechtloſigkeit ſo vieler

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/433
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/433>, abgerufen am 14.05.2024.