friedlich in seinem ländlichen Exil, als im Ministerrathe des Königs zur Frage kam, ob man die alten Parlamente wie- derherstellen solle. Turgot und die Mehrzahl der Minister war dagegen; ohne die despotischen Maßregeln Maupeou's zu billigen, glaubten sie, man dürfe Nutzen aus dem einmal Geschehenen ziehen. Turgot zumal sah in der Wiederkehr der Parlamente den Widerstand gegen die Reformen orga- nisirt, deren umfassenden Plan er im Kopfe trug; auch die Theorie mußte ihm Recht geben wenn er behauptete, eine solche Verbindung der gesetzgebenden Gewalt mit der gesetzanwendenden, wie sie sich in den Parlamenten Frank- reichs gebildet hatte, sey gefährlich für den Staat. Soll die gesetzgebende Gewalt des Königs beschränkt seyn, so muß es durch Reichsstände geschehen wie vor Alters. Zu den Reichsständen nun bekannte sich seit lange Malesherbes, ja er hatte noch ganz kürzlich von seinem Landsitze her eine Denkschrift, die zu ihrer Berufung rieth, an den Grafen Maurepas gerichtet: Turgot wünschte weder das Eine noch das Andere, wollte sein Werk weder Parlamenten noch Reichsständen vertrauen; auch hätte er die letzteren bei dem Könige, wie das Wetterglas der Grundsätze da- mals stand, nicht durchzusetzen gewußt. Sein Plan war, das was ihm in dem beschränkten Kreise seiner Intendan- tur, vielfach gekreuzt von Oben, dennoch zum Verwun- dern in dreizehnjähriger Thätigkeit geglückt war, jetzt im großen Maßstabe zu vollbringen. Er dachte die Last der Steuern zunächst lediglich durch eine angemessenere Ver-
Französische Revolution. 3
friedlich in ſeinem ländlichen Exil, als im Miniſterrathe des Königs zur Frage kam, ob man die alten Parlamente wie- derherſtellen ſolle. Turgot und die Mehrzahl der Miniſter war dagegen; ohne die despotiſchen Maßregeln Maupeou’s zu billigen, glaubten ſie, man dürfe Nutzen aus dem einmal Geſchehenen ziehen. Turgot zumal ſah in der Wiederkehr der Parlamente den Widerſtand gegen die Reformen orga- niſirt, deren umfaſſenden Plan er im Kopfe trug; auch die Theorie mußte ihm Recht geben wenn er behauptete, eine ſolche Verbindung der geſetzgebenden Gewalt mit der geſetzanwendenden, wie ſie ſich in den Parlamenten Frank- reichs gebildet hatte, ſey gefährlich für den Staat. Soll die geſetzgebende Gewalt des Königs beſchränkt ſeyn, ſo muß es durch Reichsſtände geſchehen wie vor Alters. Zu den Reichsſtänden nun bekannte ſich ſeit lange Malesherbes, ja er hatte noch ganz kürzlich von ſeinem Landſitze her eine Denkſchrift, die zu ihrer Berufung rieth, an den Grafen Maurepas gerichtet: Turgot wünſchte weder das Eine noch das Andere, wollte ſein Werk weder Parlamenten noch Reichsſtänden vertrauen; auch hätte er die letzteren bei dem Könige, wie das Wetterglas der Grundſätze da- mals ſtand, nicht durchzuſetzen gewußt. Sein Plan war, das was ihm in dem beſchränkten Kreiſe ſeiner Intendan- tur, vielfach gekreuzt von Oben, dennoch zum Verwun- dern in dreizehnjähriger Thätigkeit geglückt war, jetzt im großen Maßſtabe zu vollbringen. Er dachte die Laſt der Steuern zunächſt lediglich durch eine angemeſſenere Ver-
Franzöſiſche Revolution. 3
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friedlich in ſeinem ländlichen Exil, als im Miniſterrathe des
Königs zur Frage kam, ob man die alten Parlamente wie-
derherſtellen ſolle. Turgot und die Mehrzahl der Miniſter
war dagegen; ohne die despotiſchen Maßregeln Maupeou’s
zu billigen, glaubten ſie, man dürfe Nutzen aus dem einmal
Geſchehenen ziehen. Turgot zumal ſah in der Wiederkehr
der Parlamente den Widerſtand gegen die Reformen orga-
niſirt, deren umfaſſenden Plan er im Kopfe trug; auch
die Theorie mußte ihm Recht geben wenn er behauptete,
eine ſolche Verbindung der geſetzgebenden Gewalt mit der
geſetzanwendenden, wie ſie ſich in den Parlamenten Frank-
reichs gebildet hatte, ſey gefährlich für den Staat. Soll
die geſetzgebende Gewalt des Königs beſchränkt ſeyn, ſo
muß es durch Reichsſtände geſchehen wie vor Alters. Zu
den Reichsſtänden nun bekannte ſich ſeit lange Malesherbes,
ja er hatte noch ganz kürzlich von ſeinem Landſitze her eine
Denkſchrift, die zu ihrer Berufung rieth, an den Grafen
Maurepas gerichtet: Turgot wünſchte weder das Eine
noch das Andere, wollte ſein Werk weder Parlamenten
noch Reichsſtänden vertrauen; auch hätte er die letzteren
bei dem Könige, wie das Wetterglas der Grundſätze da-
mals ſtand, nicht durchzuſetzen gewußt. Sein Plan war,
das was ihm in dem beſchränkten Kreiſe ſeiner Intendan-
tur, vielfach gekreuzt von Oben, dennoch zum Verwun-
dern in dreizehnjähriger Thätigkeit geglückt war, jetzt im
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/43>, abgerufen am 24.11.2024.
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