Nassau, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs- ritterschaft, und es ging diese Frage keineswegs bloß die späteren Einbußen des deutschen Reiches, sondern außer Lothringen und Elsaß, auch die Freigrafschaft und Henne- gauische und Luxemburgische Gebiete an. Nun hätte sich zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Entschädigung finden lassen, und die Nationalversammlung erklärte sich dazu geneigt, aber sie that das lediglich in Bezug auf das Elsaß, und ohne der Ausführung ihrer Beschlüsse Anstand zu geben. Von deutscher Seite schlug man die zu vergü- tenden Verluste auf mindestens 100 Millionen Livres an, wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Entschädi- gung nichts wissen, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor, hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte seine Suffraganen, die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun durchaus nicht fahren lassen. Die meisten geistlichen Her- ren, deren politischer und kirchlicher Glaube zugleich ver- letzt war, verwarfen beharrlich jede Entschädigung. Ver- geblich sprach Kurhannover auf dem Reichstag dawider die Sache auf eine gefährliche Spitze zu stellen; es zeigte sich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu bedenken daß Österreich und Preußen vor nur wenig Mona- ten mit gezücktem Schwert gegen einander gestanden, und wie so gar nichts ohne die Einigkeit dieser das an allen Gliedern gebrochene Heiligthum des deutschen Reiches ver- möge. Der neue Kaiser Leopold II. billigte die Rüstungs- plätze der Emigranten auf deutschem Reichsboden nicht,
Naſſau, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs- ritterſchaft, und es ging dieſe Frage keineswegs bloß die ſpäteren Einbußen des deutſchen Reiches, ſondern außer Lothringen und Elſaß, auch die Freigrafſchaft und Henne- gauiſche und Luxemburgiſche Gebiete an. Nun hätte ſich zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Entſchädigung finden laſſen, und die Nationalverſammlung erklärte ſich dazu geneigt, aber ſie that das lediglich in Bezug auf das Elſaß, und ohne der Ausführung ihrer Beſchlüſſe Anſtand zu geben. Von deutſcher Seite ſchlug man die zu vergü- tenden Verluſte auf mindeſtens 100 Millionen Livres an, wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Entſchädi- gung nichts wiſſen, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor, hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte ſeine Suffraganen, die Biſchöfe von Metz, Toul und Verdun durchaus nicht fahren laſſen. Die meiſten geiſtlichen Her- ren, deren politiſcher und kirchlicher Glaube zugleich ver- letzt war, verwarfen beharrlich jede Entſchädigung. Ver- geblich ſprach Kurhannover auf dem Reichstag dawider die Sache auf eine gefährliche Spitze zu ſtellen; es zeigte ſich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu bedenken daß Öſterreich und Preußen vor nur wenig Mona- ten mit gezücktem Schwert gegen einander geſtanden, und wie ſo gar nichts ohne die Einigkeit dieſer das an allen Gliedern gebrochene Heiligthum des deutſchen Reiches ver- möge. Der neue Kaiſer Leopold II. billigte die Rüſtungs- plätze der Emigranten auf deutſchem Reichsboden nicht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0426"n="416"/>
Naſſau, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs-<lb/>
ritterſchaft, und es ging dieſe Frage keineswegs bloß die<lb/>ſpäteren Einbußen des deutſchen Reiches, ſondern außer<lb/>
Lothringen und Elſaß, auch die Freigrafſchaft und Henne-<lb/>
gauiſche und Luxemburgiſche Gebiete an. Nun hätte ſich<lb/>
zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Entſchädigung<lb/>
finden laſſen, und die Nationalverſammlung erklärte ſich<lb/>
dazu geneigt, aber ſie that das lediglich in Bezug auf das<lb/>
Elſaß, und ohne der Ausführung ihrer Beſchlüſſe Anſtand<lb/>
zu geben. Von deutſcher Seite ſchlug man die zu vergü-<lb/>
tenden Verluſte auf mindeſtens 100 Millionen Livres an,<lb/>
wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Entſchädi-<lb/>
gung nichts wiſſen, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor,<lb/>
hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte ſeine<lb/>
Suffraganen, die Biſchöfe von Metz, Toul und Verdun<lb/>
durchaus nicht fahren laſſen. Die meiſten geiſtlichen Her-<lb/>
ren, deren politiſcher und kirchlicher Glaube zugleich ver-<lb/>
letzt war, verwarfen beharrlich jede Entſchädigung. Ver-<lb/>
geblich ſprach Kurhannover auf dem Reichstag dawider<lb/>
die Sache auf eine gefährliche Spitze zu ſtellen; es zeigte<lb/>ſich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu<lb/>
bedenken daß Öſterreich und Preußen vor nur wenig Mona-<lb/>
ten mit gezücktem Schwert gegen einander geſtanden, und<lb/>
wie ſo gar nichts ohne die Einigkeit dieſer das an allen<lb/>
Gliedern gebrochene Heiligthum des deutſchen Reiches ver-<lb/>
möge. Der neue Kaiſer Leopold <hirendition="#aq">II.</hi> billigte die Rüſtungs-<lb/>
plätze der Emigranten auf deutſchem Reichsboden nicht,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[416/0426]
Naſſau, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs-
ritterſchaft, und es ging dieſe Frage keineswegs bloß die
ſpäteren Einbußen des deutſchen Reiches, ſondern außer
Lothringen und Elſaß, auch die Freigrafſchaft und Henne-
gauiſche und Luxemburgiſche Gebiete an. Nun hätte ſich
zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Entſchädigung
finden laſſen, und die Nationalverſammlung erklärte ſich
dazu geneigt, aber ſie that das lediglich in Bezug auf das
Elſaß, und ohne der Ausführung ihrer Beſchlüſſe Anſtand
zu geben. Von deutſcher Seite ſchlug man die zu vergü-
tenden Verluſte auf mindeſtens 100 Millionen Livres an,
wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Entſchädi-
gung nichts wiſſen, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor,
hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte ſeine
Suffraganen, die Biſchöfe von Metz, Toul und Verdun
durchaus nicht fahren laſſen. Die meiſten geiſtlichen Her-
ren, deren politiſcher und kirchlicher Glaube zugleich ver-
letzt war, verwarfen beharrlich jede Entſchädigung. Ver-
geblich ſprach Kurhannover auf dem Reichstag dawider
die Sache auf eine gefährliche Spitze zu ſtellen; es zeigte
ſich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu
bedenken daß Öſterreich und Preußen vor nur wenig Mona-
ten mit gezücktem Schwert gegen einander geſtanden, und
wie ſo gar nichts ohne die Einigkeit dieſer das an allen
Gliedern gebrochene Heiligthum des deutſchen Reiches ver-
möge. Der neue Kaiſer Leopold II. billigte die Rüſtungs-
plätze der Emigranten auf deutſchem Reichsboden nicht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/426>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.