Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

und man anfing einander kennen zu lernen, bildete sich so-
fort die frühere Scheidung wieder, indem die Gleichge-
sinnten sich rechtshin oder linkshin zusammen setzten, mit
der alten Bedeutung beider Seiten, vergeblich daß der
Präsident den Ausdruck "rechte Seite" nicht dulden wollte.
Weiterhin trat jedoch auf der linken Seite eine noch nicht
vorgekommene Trennung ein, als eine Gruppe dort sich
auf den unteren Bankreihen zusammenhielt, die andere
unlustig die höheren Sitze suchte. Diese Männer des Ber-
ges, wie man sie nannte, blickten verstimmt auf ihre Nach-
barn in der Ebene, die ihre politische Farbe trugen, aber
sich besser dünkten als sie. Freilich kam die Mehrzahl von
diesen aus dem großen, gewerbreichen, vermögenden Bor-
deaux im Departement der Gironde und es fanden sich un-
ter diesen Girondisten Männer von ausgezeichneten Gaben,
vor Allen Vergniaud, Guadet, Gensonne, Grangeneuve;
und Männer von Bildung, wie Condorcet und Brissot,
beide von den Parisern gewählt, schlossen sich ihnen an.
Der Charakter der Girondisten prägt sich am offenherzig-
sten, obgleich nicht gerade auf die ehrenhafteste Weise in
Brissot aus. Sie alle sind keine Freunde der Monarchie,
halten sie für eine veraltete, ziemlich unverständige Regie-
rungsform, allein sie erkennen ihre Verpflichtung der Con-
stitution zu gehorchen bis zu einem gewissen Grad an.
Wenn unversehens eine Republik aus Frankreich würde,
sie hätten gewiß nichts dawider, aber in eine Herrschaft
der rohen Massen, des Pöbels darf es nicht umschlagen;

und man anfing einander kennen zu lernen, bildete ſich ſo-
fort die frühere Scheidung wieder, indem die Gleichge-
ſinnten ſich rechtshin oder linkshin zuſammen ſetzten, mit
der alten Bedeutung beider Seiten, vergeblich daß der
Präſident den Ausdruck „rechte Seite“ nicht dulden wollte.
Weiterhin trat jedoch auf der linken Seite eine noch nicht
vorgekommene Trennung ein, als eine Gruppe dort ſich
auf den unteren Bankreihen zuſammenhielt, die andere
unluſtig die höheren Sitze ſuchte. Dieſe Männer des Ber-
ges, wie man ſie nannte, blickten verſtimmt auf ihre Nach-
barn in der Ebene, die ihre politiſche Farbe trugen, aber
ſich beſſer dünkten als ſie. Freilich kam die Mehrzahl von
dieſen aus dem großen, gewerbreichen, vermögenden Bor-
deaux im Departement der Gironde und es fanden ſich un-
ter dieſen Girondiſten Männer von ausgezeichneten Gaben,
vor Allen Vergniaud, Guadet, Genſonné, Grangeneuve;
und Männer von Bildung, wie Condorcet und Briſſot,
beide von den Pariſern gewählt, ſchloſſen ſich ihnen an.
Der Charakter der Girondiſten prägt ſich am offenherzig-
ſten, obgleich nicht gerade auf die ehrenhafteſte Weiſe in
Briſſot aus. Sie alle ſind keine Freunde der Monarchie,
halten ſie für eine veraltete, ziemlich unverſtändige Regie-
rungsform, allein ſie erkennen ihre Verpflichtung der Con-
ſtitution zu gehorchen bis zu einem gewiſſen Grad an.
Wenn unverſehens eine Republik aus Frankreich würde,
ſie hätten gewiß nichts dawider, aber in eine Herrſchaft
der rohen Maſſen, des Pöbels darf es nicht umſchlagen;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0410" n="400"/>
und man anfing einander kennen zu lernen, bildete &#x017F;ich &#x017F;o-<lb/>
fort die frühere Scheidung wieder, indem die Gleichge-<lb/>
&#x017F;innten &#x017F;ich rechtshin oder linkshin zu&#x017F;ammen &#x017F;etzten, mit<lb/>
der alten Bedeutung beider Seiten, vergeblich daß der<lb/>
Prä&#x017F;ident den Ausdruck &#x201E;rechte Seite&#x201C; nicht dulden wollte.<lb/>
Weiterhin trat jedoch auf der linken Seite eine noch nicht<lb/>
vorgekommene Trennung ein, als eine Gruppe dort &#x017F;ich<lb/>
auf den unteren Bankreihen zu&#x017F;ammenhielt, die andere<lb/>
unlu&#x017F;tig die höheren Sitze &#x017F;uchte. Die&#x017F;e Männer des Ber-<lb/>
ges, wie man &#x017F;ie nannte, blickten ver&#x017F;timmt auf ihre Nach-<lb/>
barn in der Ebene, die ihre politi&#x017F;che Farbe trugen, aber<lb/>
&#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er dünkten als &#x017F;ie. Freilich kam die Mehrzahl von<lb/>
die&#x017F;en aus dem großen, gewerbreichen, vermögenden Bor-<lb/>
deaux im Departement der Gironde und es fanden &#x017F;ich un-<lb/>
ter die&#x017F;en Girondi&#x017F;ten Männer von ausgezeichneten Gaben,<lb/>
vor Allen Vergniaud, Guadet, Gen&#x017F;onné, Grangeneuve;<lb/>
und Männer von Bildung, wie Condorcet und Bri&#x017F;&#x017F;ot,<lb/>
beide von den Pari&#x017F;ern gewählt, &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ihnen an.<lb/>
Der Charakter der Girondi&#x017F;ten prägt &#x017F;ich am offenherzig-<lb/>
&#x017F;ten, obgleich nicht gerade auf die ehrenhafte&#x017F;te Wei&#x017F;e in<lb/>
Bri&#x017F;&#x017F;ot aus. Sie alle &#x017F;ind keine Freunde der Monarchie,<lb/>
halten &#x017F;ie für eine veraltete, ziemlich unver&#x017F;tändige Regie-<lb/>
rungsform, allein &#x017F;ie erkennen ihre Verpflichtung der Con-<lb/>
&#x017F;titution zu gehorchen bis zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grad an.<lb/>
Wenn unver&#x017F;ehens eine Republik aus Frankreich würde,<lb/>
&#x017F;ie hätten gewiß nichts dawider, aber in eine Herr&#x017F;chaft<lb/>
der rohen Ma&#x017F;&#x017F;en, des Pöbels darf es nicht um&#x017F;chlagen;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0410] und man anfing einander kennen zu lernen, bildete ſich ſo- fort die frühere Scheidung wieder, indem die Gleichge- ſinnten ſich rechtshin oder linkshin zuſammen ſetzten, mit der alten Bedeutung beider Seiten, vergeblich daß der Präſident den Ausdruck „rechte Seite“ nicht dulden wollte. Weiterhin trat jedoch auf der linken Seite eine noch nicht vorgekommene Trennung ein, als eine Gruppe dort ſich auf den unteren Bankreihen zuſammenhielt, die andere unluſtig die höheren Sitze ſuchte. Dieſe Männer des Ber- ges, wie man ſie nannte, blickten verſtimmt auf ihre Nach- barn in der Ebene, die ihre politiſche Farbe trugen, aber ſich beſſer dünkten als ſie. Freilich kam die Mehrzahl von dieſen aus dem großen, gewerbreichen, vermögenden Bor- deaux im Departement der Gironde und es fanden ſich un- ter dieſen Girondiſten Männer von ausgezeichneten Gaben, vor Allen Vergniaud, Guadet, Genſonné, Grangeneuve; und Männer von Bildung, wie Condorcet und Briſſot, beide von den Pariſern gewählt, ſchloſſen ſich ihnen an. Der Charakter der Girondiſten prägt ſich am offenherzig- ſten, obgleich nicht gerade auf die ehrenhafteſte Weiſe in Briſſot aus. Sie alle ſind keine Freunde der Monarchie, halten ſie für eine veraltete, ziemlich unverſtändige Regie- rungsform, allein ſie erkennen ihre Verpflichtung der Con- ſtitution zu gehorchen bis zu einem gewiſſen Grad an. Wenn unverſehens eine Republik aus Frankreich würde, ſie hätten gewiß nichts dawider, aber in eine Herrſchaft der rohen Maſſen, des Pöbels darf es nicht umſchlagen;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/410
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/410>, abgerufen am 14.05.2024.