Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Schritt, so ließ sich ein Präsident für die Republik Frank-
reich retten, aber freilich Ludwig konnte dieser Präsident
nicht mehr seyn, auch nicht der Herzog von Orleans, den,
seit er wieder von England zurück, niemand beachtete.
Allein Condorcet saß nicht in der Nationalversammlung
und selbst als ihr Mitglied würde er nicht durchgedrungen
seyn. Denn je weniger das Königthum noch haltbar war,
um so entschlossener war diese, es am Zipfel festzuhalten,
denn freilich ihr Ruhm bei der Nachwelt, ihr ganzes Ver-
fassungswerk beruhte darauf. Es wird glaubhaft behaup-
tet daß für die Republik damals keine dreißig Stimmen in
der Versammlung waren; von dem dunkeln Gefühle daß
sie gleichwohl hereinbreche betroffen, suchte mancher Ab-
geordnete damals Stützen auf, die er früher verschmäht
hatte. Seit Mirabeau's Tode näherte sich Alexander La-
meth durch Montmorin dem Hofe. Lehren weiser Mäßi-
gung tönten selbst aus Duports Munde. Insbesondere
bemerkte man an Barnave eine große Veränderung, seit
er von jener Begleitung der königlichen Familie zurück-
kehrte. Die Eifersucht gegen Mirabeau trübte seinen Blick
nicht mehr, und das traurige Schicksal dieses Königspaares
drang ihm tief ins Herz. Während sein Gefährte Petion
sich selbstgefällig zwischen König und Königin zur Tafel
setzte, hielt sich Barnave bescheiden zurück; zweimal un-
terredete er sich insgeheim mit der Königin während der
Reise, bot ihr seine Dienste mit Wärme an. Er war es
auch, der mannhaft der äußersten Linken entgegentrat, als

Schritt, ſo ließ ſich ein Präſident für die Republik Frank-
reich retten, aber freilich Ludwig konnte dieſer Präſident
nicht mehr ſeyn, auch nicht der Herzog von Orleans, den,
ſeit er wieder von England zurück, niemand beachtete.
Allein Condorcet ſaß nicht in der Nationalverſammlung
und ſelbſt als ihr Mitglied würde er nicht durchgedrungen
ſeyn. Denn je weniger das Königthum noch haltbar war,
um ſo entſchloſſener war dieſe, es am Zipfel feſtzuhalten,
denn freilich ihr Ruhm bei der Nachwelt, ihr ganzes Ver-
faſſungswerk beruhte darauf. Es wird glaubhaft behaup-
tet daß für die Republik damals keine dreißig Stimmen in
der Verſammlung waren; von dem dunkeln Gefühle daß
ſie gleichwohl hereinbreche betroffen, ſuchte mancher Ab-
geordnete damals Stützen auf, die er früher verſchmäht
hatte. Seit Mirabeau’s Tode näherte ſich Alexander La-
meth durch Montmorin dem Hofe. Lehren weiſer Mäßi-
gung tönten ſelbſt aus Duports Munde. Insbeſondere
bemerkte man an Barnave eine große Veränderung, ſeit
er von jener Begleitung der königlichen Familie zurück-
kehrte. Die Eiferſucht gegen Mirabeau trübte ſeinen Blick
nicht mehr, und das traurige Schickſal dieſes Königspaares
drang ihm tief ins Herz. Während ſein Gefährte Pétion
ſich ſelbſtgefällig zwiſchen König und Königin zur Tafel
ſetzte, hielt ſich Barnave beſcheiden zurück; zweimal un-
terredete er ſich insgeheim mit der Königin während der
Reiſe, bot ihr ſeine Dienſte mit Wärme an. Er war es
auch, der mannhaft der äußerſten Linken entgegentrat, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0392" n="382"/>
Schritt, &#x017F;o ließ &#x017F;ich ein Prä&#x017F;ident für die Republik Frank-<lb/>
reich retten, aber freilich Ludwig konnte die&#x017F;er Prä&#x017F;ident<lb/>
nicht mehr &#x017F;eyn, auch nicht der Herzog von Orleans, den,<lb/>
&#x017F;eit er wieder von England zurück, niemand beachtete.<lb/>
Allein Condorcet &#x017F;aß nicht in der Nationalver&#x017F;ammlung<lb/>
und &#x017F;elb&#x017F;t als ihr Mitglied würde er nicht durchgedrungen<lb/>
&#x017F;eyn. Denn je weniger das Königthum noch haltbar war,<lb/>
um &#x017F;o ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ener war die&#x017F;e, es am Zipfel fe&#x017F;tzuhalten,<lb/>
denn freilich ihr Ruhm bei der Nachwelt, ihr ganzes Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ungswerk beruhte darauf. Es wird glaubhaft behaup-<lb/>
tet daß für die Republik damals keine dreißig Stimmen in<lb/>
der Ver&#x017F;ammlung waren; von dem dunkeln Gefühle daß<lb/>
&#x017F;ie gleichwohl hereinbreche betroffen, &#x017F;uchte mancher Ab-<lb/>
geordnete damals Stützen auf, die er früher ver&#x017F;chmäht<lb/>
hatte. Seit Mirabeau&#x2019;s Tode näherte &#x017F;ich Alexander La-<lb/>
meth durch Montmorin dem Hofe. Lehren wei&#x017F;er Mäßi-<lb/>
gung tönten &#x017F;elb&#x017F;t aus Duports Munde. Insbe&#x017F;ondere<lb/>
bemerkte man an Barnave eine große Veränderung, &#x017F;eit<lb/>
er von jener Begleitung der königlichen Familie zurück-<lb/>
kehrte. Die Eifer&#x017F;ucht gegen Mirabeau trübte &#x017F;einen Blick<lb/>
nicht mehr, und das traurige Schick&#x017F;al die&#x017F;es Königspaares<lb/>
drang ihm tief ins Herz. Während &#x017F;ein Gefährte Pétion<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;tgefällig zwi&#x017F;chen König und Königin zur Tafel<lb/>
&#x017F;etzte, hielt &#x017F;ich Barnave be&#x017F;cheiden zurück; zweimal un-<lb/>
terredete er &#x017F;ich insgeheim mit der Königin während der<lb/>
Rei&#x017F;e, bot ihr &#x017F;eine Dien&#x017F;te mit Wärme an. Er war es<lb/>
auch, der mannhaft der äußer&#x017F;ten Linken entgegentrat, als<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0392] Schritt, ſo ließ ſich ein Präſident für die Republik Frank- reich retten, aber freilich Ludwig konnte dieſer Präſident nicht mehr ſeyn, auch nicht der Herzog von Orleans, den, ſeit er wieder von England zurück, niemand beachtete. Allein Condorcet ſaß nicht in der Nationalverſammlung und ſelbſt als ihr Mitglied würde er nicht durchgedrungen ſeyn. Denn je weniger das Königthum noch haltbar war, um ſo entſchloſſener war dieſe, es am Zipfel feſtzuhalten, denn freilich ihr Ruhm bei der Nachwelt, ihr ganzes Ver- faſſungswerk beruhte darauf. Es wird glaubhaft behaup- tet daß für die Republik damals keine dreißig Stimmen in der Verſammlung waren; von dem dunkeln Gefühle daß ſie gleichwohl hereinbreche betroffen, ſuchte mancher Ab- geordnete damals Stützen auf, die er früher verſchmäht hatte. Seit Mirabeau’s Tode näherte ſich Alexander La- meth durch Montmorin dem Hofe. Lehren weiſer Mäßi- gung tönten ſelbſt aus Duports Munde. Insbeſondere bemerkte man an Barnave eine große Veränderung, ſeit er von jener Begleitung der königlichen Familie zurück- kehrte. Die Eiferſucht gegen Mirabeau trübte ſeinen Blick nicht mehr, und das traurige Schickſal dieſes Königspaares drang ihm tief ins Herz. Während ſein Gefährte Pétion ſich ſelbſtgefällig zwiſchen König und Königin zur Tafel ſetzte, hielt ſich Barnave beſcheiden zurück; zweimal un- terredete er ſich insgeheim mit der Königin während der Reiſe, bot ihr ſeine Dienſte mit Wärme an. Er war es auch, der mannhaft der äußerſten Linken entgegentrat, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/392
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/392>, abgerufen am 14.05.2024.