Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

gesperrt, nun kann der König nicht über die Brücke. Bald
auch waren die Behörden wach, die Sturmglocke läutete,
und als nun die Menge von allen Seiten herbeiströmte,
hatten die auch hier aufgestellten Mannschaften Noth nur
davon zu kommen; der jüngere Bouille war dabei; er eilte
seinen Vater zu benachrichtigen. Der Beamte der Ge-
meinde, ein kleiner Krämer und Lichtzieher, hieß Sausse,
trat schüchtern an die Kutsche, bat den König in demüthi-
gen Ausdrücken, unter sein Dach zu treten. Hier ange-
kommen, ließ Ludwig die Verstellung fahren, gab sich zu
erkennen, erklärte daß er Paris verlassen habe, um un-
zähligen Kränkungen zu entgehen, aber in Frankreich bleibe;
er warf sich in die Arme Sausse's, beschwor ihn, vereint
mit der Königin, um seine und der Seinigen Rettung.
Dann sich ermannend sprach er: "Sie verlangen meine
Befehle, lassen Sie meinen Wagen unverzüglich anspan-
nen, um meinen Weg nach Montmedy fortzusetzen." Das
begab sich in der Gegenwart Vieler, die, in das Haus
schon eingedrungen, die königliche Familie mit neugieri-
gen Blicken musterten. Hätte Sausse auch gewollt, er
konnte, so umgeben, nichts für den König thun. Eben
so stand es mit dem Haufen Husaren, der im Verlaufe
der Nacht unter verschiedenen Officieren sich in Varennes
zusammengefunden hatte. Den König und seine Familie
schnell beritten machen, sie in die Mitte nehmen und
sich heraushauen, mitten durch die Nationalgarden hin-
durch, war der heherzte Rath der Officiere, welcher aber,

geſperrt, nun kann der König nicht über die Brücke. Bald
auch waren die Behörden wach, die Sturmglocke läutete,
und als nun die Menge von allen Seiten herbeiſtrömte,
hatten die auch hier aufgeſtellten Mannſchaften Noth nur
davon zu kommen; der jüngere Bouillé war dabei; er eilte
ſeinen Vater zu benachrichtigen. Der Beamte der Ge-
meinde, ein kleiner Krämer und Lichtzieher, hieß Sauſſe,
trat ſchüchtern an die Kutſche, bat den König in demüthi-
gen Ausdrücken, unter ſein Dach zu treten. Hier ange-
kommen, ließ Ludwig die Verſtellung fahren, gab ſich zu
erkennen, erklärte daß er Paris verlaſſen habe, um un-
zähligen Kränkungen zu entgehen, aber in Frankreich bleibe;
er warf ſich in die Arme Sauſſe’s, beſchwor ihn, vereint
mit der Königin, um ſeine und der Seinigen Rettung.
Dann ſich ermannend ſprach er: „Sie verlangen meine
Befehle, laſſen Sie meinen Wagen unverzüglich anſpan-
nen, um meinen Weg nach Montmedy fortzuſetzen.“ Das
begab ſich in der Gegenwart Vieler, die, in das Haus
ſchon eingedrungen, die königliche Familie mit neugieri-
gen Blicken muſterten. Hätte Sauſſe auch gewollt, er
konnte, ſo umgeben, nichts für den König thun. Eben
ſo ſtand es mit dem Haufen Huſaren, der im Verlaufe
der Nacht unter verſchiedenen Officieren ſich in Varennes
zuſammengefunden hatte. Den König und ſeine Familie
ſchnell beritten machen, ſie in die Mitte nehmen und
ſich heraushauen, mitten durch die Nationalgarden hin-
durch, war der heherzte Rath der Officiere, welcher aber,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0387" n="377"/>
ge&#x017F;perrt, nun kann der König nicht über die Brücke. Bald<lb/>
auch waren die Behörden wach, die Sturmglocke läutete,<lb/>
und als nun die Menge von allen Seiten herbei&#x017F;trömte,<lb/>
hatten die auch hier aufge&#x017F;tellten Mann&#x017F;chaften Noth nur<lb/>
davon zu kommen; der jüngere Bouillé war dabei; er eilte<lb/>
&#x017F;einen Vater zu benachrichtigen. Der Beamte der Ge-<lb/>
meinde, ein kleiner Krämer und Lichtzieher, hieß Sau&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
trat &#x017F;chüchtern an die Kut&#x017F;che, bat den König in demüthi-<lb/>
gen Ausdrücken, unter &#x017F;ein Dach zu treten. Hier ange-<lb/>
kommen, ließ Ludwig die Ver&#x017F;tellung fahren, gab &#x017F;ich zu<lb/>
erkennen, erklärte daß er Paris verla&#x017F;&#x017F;en habe, um un-<lb/>
zähligen Kränkungen zu entgehen, aber in Frankreich bleibe;<lb/>
er warf &#x017F;ich in die Arme Sau&#x017F;&#x017F;e&#x2019;s, be&#x017F;chwor ihn, vereint<lb/>
mit der Königin, um &#x017F;eine und der Seinigen Rettung.<lb/>
Dann &#x017F;ich ermannend &#x017F;prach er: &#x201E;Sie verlangen meine<lb/>
Befehle, la&#x017F;&#x017F;en Sie meinen Wagen unverzüglich an&#x017F;pan-<lb/>
nen, um meinen Weg nach Montmedy fortzu&#x017F;etzen.&#x201C; Das<lb/>
begab &#x017F;ich in der Gegenwart Vieler, die, in das Haus<lb/>
&#x017F;chon eingedrungen, die königliche Familie mit neugieri-<lb/>
gen Blicken mu&#x017F;terten. Hätte Sau&#x017F;&#x017F;e auch gewollt, er<lb/>
konnte, &#x017F;o umgeben, nichts für den König thun. Eben<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tand es mit dem Haufen Hu&#x017F;aren, der im Verlaufe<lb/>
der Nacht unter ver&#x017F;chiedenen Officieren &#x017F;ich in Varennes<lb/>
zu&#x017F;ammengefunden hatte. Den König und &#x017F;eine Familie<lb/>
&#x017F;chnell beritten machen, &#x017F;ie in die Mitte nehmen und<lb/>
&#x017F;ich heraushauen, mitten durch die Nationalgarden hin-<lb/>
durch, war der heherzte Rath der Officiere, welcher aber,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377/0387] geſperrt, nun kann der König nicht über die Brücke. Bald auch waren die Behörden wach, die Sturmglocke läutete, und als nun die Menge von allen Seiten herbeiſtrömte, hatten die auch hier aufgeſtellten Mannſchaften Noth nur davon zu kommen; der jüngere Bouillé war dabei; er eilte ſeinen Vater zu benachrichtigen. Der Beamte der Ge- meinde, ein kleiner Krämer und Lichtzieher, hieß Sauſſe, trat ſchüchtern an die Kutſche, bat den König in demüthi- gen Ausdrücken, unter ſein Dach zu treten. Hier ange- kommen, ließ Ludwig die Verſtellung fahren, gab ſich zu erkennen, erklärte daß er Paris verlaſſen habe, um un- zähligen Kränkungen zu entgehen, aber in Frankreich bleibe; er warf ſich in die Arme Sauſſe’s, beſchwor ihn, vereint mit der Königin, um ſeine und der Seinigen Rettung. Dann ſich ermannend ſprach er: „Sie verlangen meine Befehle, laſſen Sie meinen Wagen unverzüglich anſpan- nen, um meinen Weg nach Montmedy fortzuſetzen.“ Das begab ſich in der Gegenwart Vieler, die, in das Haus ſchon eingedrungen, die königliche Familie mit neugieri- gen Blicken muſterten. Hätte Sauſſe auch gewollt, er konnte, ſo umgeben, nichts für den König thun. Eben ſo ſtand es mit dem Haufen Huſaren, der im Verlaufe der Nacht unter verſchiedenen Officieren ſich in Varennes zuſammengefunden hatte. Den König und ſeine Familie ſchnell beritten machen, ſie in die Mitte nehmen und ſich heraushauen, mitten durch die Nationalgarden hin- durch, war der heherzte Rath der Officiere, welcher aber,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/387
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/387>, abgerufen am 22.12.2024.