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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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aber wandte er sich der Rechtsgelehrsamkeit und zugleich
den Naturwissenschaften zu und machte sich, schon Parla-
mentsrath, einen gewissen Namen dadurch daß er am
8. Januar 1760 einen Kometen im Orion mit unbewaff-
netem Auge entdeckte. Damals nämlich hatte er das prie-
sterliche Gewand seit vielen Jahren abgelegt und nach dem
Beispiele seines Vaters und Großvaters den Weg zur Ma-
gistratur eingeschlagen. Von seinen ersten Studien aber
blieb ihm die Vorliebe für die großen Alten, welche er in
den Ursprachen las und in metrischen Übersetzungen in
seine Muttersprache übertrug, ohne selbst vor der Nachbil-
dung des Hexameters zu erschrecken. Er war schon maeitre
des requetes
als er deutsch lernte, und mit so gutem Er-
folge, daß durch ihn seine Landsleute in die Bekanntschaft
mit Geßners Idyllen und theilweise auch dem Klopstockschen
Messias eingeführt werden konnten. Wie nun diese Rich-
tung seines Geistes, unterstützt von einer edeln Erschei-
nung und feinen Sitten, ihn der Frauenwelt ungemein em-
pfahl, so unterschied er sich von fast allen seinen Zeitge-
nossen durch die Zartheit, mit welcher er dieses Verhält-
niß behandelte. Niemals auch konnte er sich mit der Art
befreunden, wie man in Frankreich die Ehe unter den
höheren Ständen als ein Handelsgeschäft, mit Geburt und
Reichthum marktend vollbrachte, wovon die erkältende Wir-
kung auf die Kinder des Hauses vererbte; und er blieb un-
vermählt. Für seine früh begonnenen staatswirthschaftlichen
Studien nahm er den Vater der Ökonomisten Quesnay

aber wandte er ſich der Rechtsgelehrſamkeit und zugleich
den Naturwiſſenſchaften zu und machte ſich, ſchon Parla-
mentsrath, einen gewiſſen Namen dadurch daß er am
8. Januar 1760 einen Kometen im Orion mit unbewaff-
netem Auge entdeckte. Damals nämlich hatte er das prie-
ſterliche Gewand ſeit vielen Jahren abgelegt und nach dem
Beiſpiele ſeines Vaters und Großvaters den Weg zur Ma-
giſtratur eingeſchlagen. Von ſeinen erſten Studien aber
blieb ihm die Vorliebe für die großen Alten, welche er in
den Urſprachen las und in metriſchen Überſetzungen in
ſeine Mutterſprache übertrug, ohne ſelbſt vor der Nachbil-
dung des Hexameters zu erſchrecken. Er war ſchon maître
des requêtes
als er deutſch lernte, und mit ſo gutem Er-
folge, daß durch ihn ſeine Landsleute in die Bekanntſchaft
mit Geßners Idyllen und theilweiſe auch dem Klopſtockſchen
Meſſias eingeführt werden konnten. Wie nun dieſe Rich-
tung ſeines Geiſtes, unterſtützt von einer edeln Erſchei-
nung und feinen Sitten, ihn der Frauenwelt ungemein em-
pfahl, ſo unterſchied er ſich von faſt allen ſeinen Zeitge-
noſſen durch die Zartheit, mit welcher er dieſes Verhält-
niß behandelte. Niemals auch konnte er ſich mit der Art
befreunden, wie man in Frankreich die Ehe unter den
höheren Ständen als ein Handelsgeſchäft, mit Geburt und
Reichthum marktend vollbrachte, wovon die erkältende Wir-
kung auf die Kinder des Hauſes vererbte; und er blieb un-
vermählt. Für ſeine früh begonnenen ſtaatswirthſchaftlichen
Studien nahm er den Vater der Ökonomiſten Quesnay

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[28/0038] aber wandte er ſich der Rechtsgelehrſamkeit und zugleich den Naturwiſſenſchaften zu und machte ſich, ſchon Parla- mentsrath, einen gewiſſen Namen dadurch daß er am 8. Januar 1760 einen Kometen im Orion mit unbewaff- netem Auge entdeckte. Damals nämlich hatte er das prie- ſterliche Gewand ſeit vielen Jahren abgelegt und nach dem Beiſpiele ſeines Vaters und Großvaters den Weg zur Ma- giſtratur eingeſchlagen. Von ſeinen erſten Studien aber blieb ihm die Vorliebe für die großen Alten, welche er in den Urſprachen las und in metriſchen Überſetzungen in ſeine Mutterſprache übertrug, ohne ſelbſt vor der Nachbil- dung des Hexameters zu erſchrecken. Er war ſchon maître des requêtes als er deutſch lernte, und mit ſo gutem Er- folge, daß durch ihn ſeine Landsleute in die Bekanntſchaft mit Geßners Idyllen und theilweiſe auch dem Klopſtockſchen Meſſias eingeführt werden konnten. Wie nun dieſe Rich- tung ſeines Geiſtes, unterſtützt von einer edeln Erſchei- nung und feinen Sitten, ihn der Frauenwelt ungemein em- pfahl, ſo unterſchied er ſich von faſt allen ſeinen Zeitge- noſſen durch die Zartheit, mit welcher er dieſes Verhält- niß behandelte. Niemals auch konnte er ſich mit der Art befreunden, wie man in Frankreich die Ehe unter den höheren Ständen als ein Handelsgeſchäft, mit Geburt und Reichthum marktend vollbrachte, wovon die erkältende Wir- kung auf die Kinder des Hauſes vererbte; und er blieb un- vermählt. Für ſeine früh begonnenen ſtaatswirthſchaftlichen Studien nahm er den Vater der Ökonomiſten Quesnay

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/38>, abgerufen am 26.04.2024.