Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

gedrückt, zuletzt sogar für seine persönliche Sicherheit in
Sorgen, nahm und empfing er seinen Abschied. Ein freund-Sept. 4.
liches Wort, er gesteht es selbst, hätte ihn zum Bleiben
bewogen, allein die Nationalversammlung schien seinen
Abgang kaum zu beachten. Zweimal auf seiner Reise an-
gehalten, gleich als ob er der Gerechtigkeit entrinnen
wolle, er der zwei Millionen von seinem Vermögen dem
Schatze geliehen hatte, bedurfte er der Dazwischenkunft
der Nationalversammlung, um unter vielfachen Kränkun-
gen in die Schweiz zu gelangen. Neckers politische Lauf-
bahn ist hiemit zu Ende. Seine Zurückgezogenheit stützte
ein reines Gewissen und eine nie getrübte, in seiner
Schriftstellerei durchweg ausgeprägte wunderbare Selbst-
zufriedenheit mit allen seinen staatsmännischen Leistungen.
"Malebranche," sprach Mirabeau, "sieht Alles in Gott,
Necker Alles in Necker."

Was Neckern zunächst forttrieb, war die obschwebende
finanzielle Frage. Man hatte bereits 330 Millionen As-
signaten ausgegeben und beschlossen sie auf 400 Millionen
zu bringen. Wollte man auf diesem Wege fortfahren, so
mußte man denjenigen Recht geben, welche zwei Milliar-
den Assignaten forderten. Necker war keineswegs dieser
Meinung; er bewies daß man mit 200 Millionen neuer
Assignaten die Bedürfnisse des öffentlichen Dienstes decken
könne, rieth hier anzuhalten, alle rückständige Verbind-
lichkeiten mit Schuldscheinen zu 5 Procent verzinslich zu
bestreiten. Schon verloren in den Departements die As-

22*

gedrückt, zuletzt ſogar für ſeine perſönliche Sicherheit in
Sorgen, nahm und empfing er ſeinen Abſchied. Ein freund-Sept. 4.
liches Wort, er geſteht es ſelbſt, hätte ihn zum Bleiben
bewogen, allein die Nationalverſammlung ſchien ſeinen
Abgang kaum zu beachten. Zweimal auf ſeiner Reiſe an-
gehalten, gleich als ob er der Gerechtigkeit entrinnen
wolle, er der zwei Millionen von ſeinem Vermögen dem
Schatze geliehen hatte, bedurfte er der Dazwiſchenkunft
der Nationalverſammlung, um unter vielfachen Kränkun-
gen in die Schweiz zu gelangen. Neckers politiſche Lauf-
bahn iſt hiemit zu Ende. Seine Zurückgezogenheit ſtützte
ein reines Gewiſſen und eine nie getrübte, in ſeiner
Schriftſtellerei durchweg ausgeprägte wunderbare Selbſt-
zufriedenheit mit allen ſeinen ſtaatsmänniſchen Leiſtungen.
„Malebranche,“ ſprach Mirabeau, „ſieht Alles in Gott,
Necker Alles in Necker.“

Was Neckern zunächſt forttrieb, war die obſchwebende
finanzielle Frage. Man hatte bereits 330 Millionen Aſ-
ſignaten ausgegeben und beſchloſſen ſie auf 400 Millionen
zu bringen. Wollte man auf dieſem Wege fortfahren, ſo
mußte man denjenigen Recht geben, welche zwei Milliar-
den Aſſignaten forderten. Necker war keineswegs dieſer
Meinung; er bewies daß man mit 200 Millionen neuer
Aſſignaten die Bedürfniſſe des öffentlichen Dienſtes decken
könne, rieth hier anzuhalten, alle rückſtändige Verbind-
lichkeiten mit Schuldſcheinen zu 5 Procent verzinslich zu
beſtreiten. Schon verloren in den Departements die Aſ-

22*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" n="339"/>
gedrückt, zuletzt &#x017F;ogar für &#x017F;eine per&#x017F;önliche Sicherheit in<lb/>
Sorgen, nahm und empfing er &#x017F;einen Ab&#x017F;chied. Ein freund-<note place="right">Sept. 4.</note><lb/>
liches Wort, er ge&#x017F;teht es &#x017F;elb&#x017F;t, hätte ihn zum Bleiben<lb/>
bewogen, allein die Nationalver&#x017F;ammlung &#x017F;chien &#x017F;einen<lb/>
Abgang kaum zu beachten. Zweimal auf &#x017F;einer Rei&#x017F;e an-<lb/>
gehalten, gleich als ob er der Gerechtigkeit entrinnen<lb/>
wolle, er der zwei Millionen von &#x017F;einem Vermögen dem<lb/>
Schatze geliehen hatte, bedurfte er der Dazwi&#x017F;chenkunft<lb/>
der Nationalver&#x017F;ammlung, um unter vielfachen Kränkun-<lb/>
gen in die Schweiz zu gelangen. Neckers politi&#x017F;che Lauf-<lb/>
bahn i&#x017F;t hiemit zu Ende. Seine Zurückgezogenheit &#x017F;tützte<lb/>
ein reines Gewi&#x017F;&#x017F;en und eine nie getrübte, in &#x017F;einer<lb/>
Schrift&#x017F;tellerei durchweg ausgeprägte wunderbare Selb&#x017F;t-<lb/>
zufriedenheit mit allen &#x017F;einen &#x017F;taatsmänni&#x017F;chen Lei&#x017F;tungen.<lb/>
&#x201E;Malebranche,&#x201C; &#x017F;prach Mirabeau, &#x201E;&#x017F;ieht Alles in Gott,<lb/>
Necker Alles in Necker.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Was Neckern zunäch&#x017F;t forttrieb, war die ob&#x017F;chwebende<lb/>
finanzielle Frage. Man hatte bereits 330 Millionen A&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ignaten ausgegeben und be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie auf 400 Millionen<lb/>
zu bringen. Wollte man auf die&#x017F;em Wege fortfahren, &#x017F;o<lb/>
mußte man denjenigen Recht geben, welche zwei Milliar-<lb/>
den A&#x017F;&#x017F;ignaten forderten. Necker war keineswegs die&#x017F;er<lb/>
Meinung; er bewies daß man mit 200 Millionen neuer<lb/>
A&#x017F;&#x017F;ignaten die Bedürfni&#x017F;&#x017F;e des öffentlichen Dien&#x017F;tes decken<lb/>
könne, rieth hier anzuhalten, alle rück&#x017F;tändige Verbind-<lb/>
lichkeiten mit Schuld&#x017F;cheinen zu 5 Procent verzinslich zu<lb/>
be&#x017F;treiten. Schon verloren in den Departements die A&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0349] gedrückt, zuletzt ſogar für ſeine perſönliche Sicherheit in Sorgen, nahm und empfing er ſeinen Abſchied. Ein freund- liches Wort, er geſteht es ſelbſt, hätte ihn zum Bleiben bewogen, allein die Nationalverſammlung ſchien ſeinen Abgang kaum zu beachten. Zweimal auf ſeiner Reiſe an- gehalten, gleich als ob er der Gerechtigkeit entrinnen wolle, er der zwei Millionen von ſeinem Vermögen dem Schatze geliehen hatte, bedurfte er der Dazwiſchenkunft der Nationalverſammlung, um unter vielfachen Kränkun- gen in die Schweiz zu gelangen. Neckers politiſche Lauf- bahn iſt hiemit zu Ende. Seine Zurückgezogenheit ſtützte ein reines Gewiſſen und eine nie getrübte, in ſeiner Schriftſtellerei durchweg ausgeprägte wunderbare Selbſt- zufriedenheit mit allen ſeinen ſtaatsmänniſchen Leiſtungen. „Malebranche,“ ſprach Mirabeau, „ſieht Alles in Gott, Necker Alles in Necker.“ Sept. 4. Was Neckern zunächſt forttrieb, war die obſchwebende finanzielle Frage. Man hatte bereits 330 Millionen Aſ- ſignaten ausgegeben und beſchloſſen ſie auf 400 Millionen zu bringen. Wollte man auf dieſem Wege fortfahren, ſo mußte man denjenigen Recht geben, welche zwei Milliar- den Aſſignaten forderten. Necker war keineswegs dieſer Meinung; er bewies daß man mit 200 Millionen neuer Aſſignaten die Bedürfniſſe des öffentlichen Dienſtes decken könne, rieth hier anzuhalten, alle rückſtändige Verbind- lichkeiten mit Schuldſcheinen zu 5 Procent verzinslich zu beſtreiten. Schon verloren in den Departements die Aſ- 22*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/349
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/349>, abgerufen am 22.12.2024.