verderblichen Verzicht auf ihre angestammten Rechte. Mi- rabeau's Thätigkeit war ungeheuer, man möchte sie über- menschlich nennen. Nach den Sitzungen der Nationalver- sammlung sah derselbe späte Abend ihn oft bei den Jaco- binern und dann wieder in einem andern Club jüngster Stiftung, in welchem Männer sich trafen, die neuerdings für gemäßigt galten. Sieyes war der erste Präsident; La- fayette, Talleyrand, Röderer, mit Mirabeau näher ver- bunden, Bailly, Le Chapelier, der in der Frage über Krieg und Frieden sich an Mirabeau schloß, Dupont de Nemours nahmen Theil; man nannte sich den Club von 1789. Dazu die nimmer ruhenden Liebesabenteuer des Mannes, seine Vergnügungen, wie seine Arbeiten, über- schwänglich. Ein böses Augenübel hielt ihn eine Reihe von Tagen von der Nationalversammlung entfernt, doch sah man ihn am 11ten Junius wieder, Franklins Tod verkündigend. Seinem Antrage, dem großen Manne, der den Blitz und die Tyrannen bändigte, für welchen die dankbaren Bürger der vierzehn Freistaaten zwei Monate lang Trauer trugen, eine dreitägige Trauer in der Versamm- lung zu widmen, begegnete allgemeiner Beifall. Wer nur machte Mirabeau nicht zu schaffen? Endlich mußte er noch für seinen eigenen Bruder auftreten. Dieser, von Natur unerträglich heftig, verwickelte sich mit jedem Tage mehr in eine unhaltbare Gegnerschaft. Er war Malteser, hatte in Amerika tapfere Dienste gethan, aber für die National- versammlung taugten seine drohenden, aristokratischen
verderblichen Verzicht auf ihre angeſtammten Rechte. Mi- rabeau’s Thätigkeit war ungeheuer, man möchte ſie über- menſchlich nennen. Nach den Sitzungen der Nationalver- ſammlung ſah derſelbe ſpäte Abend ihn oft bei den Jaco- binern und dann wieder in einem andern Club jüngſter Stiftung, in welchem Männer ſich trafen, die neuerdings für gemäßigt galten. Sieyes war der erſte Präſident; La- fayette, Talleyrand, Röderer, mit Mirabeau näher ver- bunden, Bailly, Le Chapelier, der in der Frage über Krieg und Frieden ſich an Mirabeau ſchloß, Dupont de Nemours nahmen Theil; man nannte ſich den Club von 1789. Dazu die nimmer ruhenden Liebesabenteuer des Mannes, ſeine Vergnügungen, wie ſeine Arbeiten, über- ſchwänglich. Ein böſes Augenübel hielt ihn eine Reihe von Tagen von der Nationalverſammlung entfernt, doch ſah man ihn am 11ten Junius wieder, Franklins Tod verkündigend. Seinem Antrage, dem großen Manne, der den Blitz und die Tyrannen bändigte, für welchen die dankbaren Bürger der vierzehn Freiſtaaten zwei Monate lang Trauer trugen, eine dreitägige Trauer in der Verſamm- lung zu widmen, begegnete allgemeiner Beifall. Wer nur machte Mirabeau nicht zu ſchaffen? Endlich mußte er noch für ſeinen eigenen Bruder auftreten. Dieſer, von Natur unerträglich heftig, verwickelte ſich mit jedem Tage mehr in eine unhaltbare Gegnerſchaft. Er war Malteſer, hatte in Amerika tapfere Dienſte gethan, aber für die National- verſammlung taugten ſeine drohenden, ariſtokratiſchen
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verderblichen Verzicht auf ihre angeſtammten Rechte. Mi-
rabeau’s Thätigkeit war ungeheuer, man möchte ſie über-
menſchlich nennen. Nach den Sitzungen der Nationalver-
ſammlung ſah derſelbe ſpäte Abend ihn oft bei den Jaco-
binern und dann wieder in einem andern Club jüngſter
Stiftung, in welchem Männer ſich trafen, die neuerdings
für gemäßigt galten. Sieyes war der erſte Präſident; La-
fayette, Talleyrand, Röderer, mit Mirabeau näher ver-
bunden, Bailly, Le Chapelier, der in der Frage über
Krieg und Frieden ſich an Mirabeau ſchloß, Dupont de
Nemours nahmen Theil; man nannte ſich den Club von
1789. Dazu die nimmer ruhenden Liebesabenteuer des
Mannes, ſeine Vergnügungen, wie ſeine Arbeiten, über-
ſchwänglich. Ein böſes Augenübel hielt ihn eine Reihe
von Tagen von der Nationalverſammlung entfernt, doch
ſah man ihn am 11ten Junius wieder, Franklins Tod
verkündigend. Seinem Antrage, dem großen Manne, der
den Blitz und die Tyrannen bändigte, für welchen die
dankbaren Bürger der vierzehn Freiſtaaten zwei Monate lang
Trauer trugen, eine dreitägige Trauer in der Verſamm-
lung zu widmen, begegnete allgemeiner Beifall. Wer nur
machte Mirabeau nicht zu ſchaffen? Endlich mußte er noch
für ſeinen eigenen Bruder auftreten. Dieſer, von Natur
unerträglich heftig, verwickelte ſich mit jedem Tage mehr
in eine unhaltbare Gegnerſchaft. Er war Malteſer, hatte
in Amerika tapfere Dienſte gethan, aber für die National-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/337>, abgerufen am 22.12.2024.
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