aufzurichten, sich zu ihm als seinem Rathgeber öffent- lich zu bekennen, allein der König war einmal keines festen Entschlusses fähig, geschweige denn eines solchen, wel- chem ein Decret der Nationalversammlung, so wenig es ihn verpflichtete, im Wege stand. Mirabeau hat sich mit der Königin nur zweimal im Geheimen verabredet, hat den König einmal vielleicht, am 8ten Januar 1790; vielleicht kein einziges Mal gesprochen. Seine Aufgabe ist, schrei- bend, immer wieder schreibend, Vorurtheile zu bekämpfen, Muth einzusprechen, der Willenlosigkeit Kraft einzuimpfen. Noch eine Schwierigkeit! Während Mirabeau im Ver- trauen der Königin starke Fortschritte macht, fängt der König an Lafayette's Rath einzuholen, dieses grundred- lichen Mannes, aber dessen eines Auge stets auf Amerika, das andere auf Frankreich ruht, der mithin Alles schief sieht und die Misgriffe der Nationalversammlung für ge- diegenes Gold hält. Aber auch die Königin, die den La- fayette einmal nicht leiden kann, machte ihrem Berather vollauf zu schaffen. Wie muß er sie beständig warnen: "Ja keine Gardes-du-corps wieder! Vertrauen allein zu solchen Königsfreunden, welche Freunde freier Verfassung sind! Ja kein Zusammenstecken mit den Ausgewanderten, diesen falschen verderblichen Freunden!" von welchen wirklich ein Theil damals schon mit dem Plane umging, nach einer gelungenen Gegenrevolution den König durch das pariser Parlament entsetzen zu lassen, weil er an der Krone gefrevelt durch einen eben so unverständigen wie
aufzurichten, ſich zu ihm als ſeinem Rathgeber öffent- lich zu bekennen, allein der König war einmal keines feſten Entſchluſſes fähig, geſchweige denn eines ſolchen, wel- chem ein Decret der Nationalverſammlung, ſo wenig es ihn verpflichtete, im Wege ſtand. Mirabeau hat ſich mit der Königin nur zweimal im Geheimen verabredet, hat den König einmal vielleicht, am 8ten Januar 1790; vielleicht kein einziges Mal geſprochen. Seine Aufgabe iſt, ſchrei- bend, immer wieder ſchreibend, Vorurtheile zu bekämpfen, Muth einzuſprechen, der Willenloſigkeit Kraft einzuimpfen. Noch eine Schwierigkeit! Während Mirabeau im Ver- trauen der Königin ſtarke Fortſchritte macht, fängt der König an Lafayette’s Rath einzuholen, dieſes grundred- lichen Mannes, aber deſſen eines Auge ſtets auf Amerika, das andere auf Frankreich ruht, der mithin Alles ſchief ſieht und die Misgriffe der Nationalverſammlung für ge- diegenes Gold hält. Aber auch die Königin, die den La- fayette einmal nicht leiden kann, machte ihrem Berather vollauf zu ſchaffen. Wie muß er ſie beſtändig warnen: „Ja keine Gardes-du-corps wieder! Vertrauen allein zu ſolchen Königsfreunden, welche Freunde freier Verfaſſung ſind! Ja kein Zuſammenſtecken mit den Ausgewanderten, dieſen falſchen verderblichen Freunden!“ von welchen wirklich ein Theil damals ſchon mit dem Plane umging, nach einer gelungenen Gegenrevolution den König durch das pariſer Parlament entſetzen zu laſſen, weil er an der Krone gefrevelt durch einen eben ſo unverſtändigen wie
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aufzurichten, ſich zu ihm als ſeinem Rathgeber öffent-
lich zu bekennen, allein der König war einmal keines feſten
Entſchluſſes fähig, geſchweige denn eines ſolchen, wel-
chem ein Decret der Nationalverſammlung, ſo wenig es ihn
verpflichtete, im Wege ſtand. Mirabeau hat ſich mit der
Königin nur zweimal im Geheimen verabredet, hat den
König einmal vielleicht, am 8ten Januar 1790; vielleicht
kein einziges Mal geſprochen. Seine Aufgabe iſt, ſchrei-
bend, immer wieder ſchreibend, Vorurtheile zu bekämpfen,
Muth einzuſprechen, der Willenloſigkeit Kraft einzuimpfen.
Noch eine Schwierigkeit! Während Mirabeau im Ver-
trauen der Königin ſtarke Fortſchritte macht, fängt der
König an Lafayette’s Rath einzuholen, dieſes grundred-
lichen Mannes, aber deſſen eines Auge ſtets auf Amerika,
das andere auf Frankreich ruht, der mithin Alles ſchief
ſieht und die Misgriffe der Nationalverſammlung für ge-
diegenes Gold hält. Aber auch die Königin, die den La-
fayette einmal nicht leiden kann, machte ihrem Berather
vollauf zu ſchaffen. Wie muß er ſie beſtändig warnen:
„Ja keine Gardes-du-corps wieder! Vertrauen allein zu
ſolchen Königsfreunden, welche Freunde freier Verfaſſung
ſind! Ja kein Zuſammenſtecken mit den Ausgewanderten,
dieſen falſchen verderblichen Freunden!“ von welchen
wirklich ein Theil damals ſchon mit dem Plane umging,
nach einer gelungenen Gegenrevolution den König durch
das pariſer Parlament entſetzen zu laſſen, weil er an der
Krone gefrevelt durch einen eben ſo unverſtändigen wie
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/336>, abgerufen am 22.12.2024.
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