aber begab es sich daß König Ludwig XV. mit den sämmtlichen höchsten Gerichtshöfen seines Reiches, funf- zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par- lament führten, in wiederholten, zuletzt unversöhnlichen Zwiespalt gerieth. Alle diese Gerichtshöfe, und das pa- riser Parlament vor allen, rühmten sich nämlich des Rech- tes, der königlichen Gesetzgebung gegenüber ein Veto ein- legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Gesetze nicht frü- her ihre Gültigkeit, als bis sie in die Register der Parla- mente eingetragen waren, und dieser Eintragung weiger- ten sie sich nicht selten, ließen diese keineswegs als eine lediglich für die Publication der Gesetze erforderliche Förm- lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres Anspruches zur Frage kam, so machten sie sich gern als Reichsstände im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs- ständen, deren Ausfluß sie wären, das Recht überkommen hätten, die von dem Könige ihnen zugesandten Gesetze zu beglaubigen und als Beweis der Zustimmung einzuzeich- nen; als aber im Jahre 1614 die Reichsstände wirklich beisammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup- teten die Parlamente ihr Recht an der Gesetzgebung darum nichts desto weniger üben zu müssen. Nun verstand Ludwig XIV. vortrefflich solche Anforderungen zum Schweigen zu bringen: "sie sollen eintragen ohne Auf- schub, mögen ihre Bedenken hinterher schicken;" und dem pariser Parlament blieb nichts übrig, als sich an seinem Testament zu rächen, indem es dasselbe aufhob. Allein
aber begab es ſich daß König Ludwig XV. mit den ſämmtlichen höchſten Gerichtshöfen ſeines Reiches, funf- zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par- lament führten, in wiederholten, zuletzt unverſöhnlichen Zwieſpalt gerieth. Alle dieſe Gerichtshöfe, und das pa- riſer Parlament vor allen, rühmten ſich nämlich des Rech- tes, der königlichen Geſetzgebung gegenüber ein Veto ein- legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Geſetze nicht frü- her ihre Gültigkeit, als bis ſie in die Regiſter der Parla- mente eingetragen waren, und dieſer Eintragung weiger- ten ſie ſich nicht ſelten, ließen dieſe keineswegs als eine lediglich für die Publication der Geſetze erforderliche Förm- lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres Anſpruches zur Frage kam, ſo machten ſie ſich gern als Reichsſtände im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs- ſtänden, deren Ausfluß ſie wären, das Recht überkommen hätten, die von dem Könige ihnen zugeſandten Geſetze zu beglaubigen und als Beweis der Zuſtimmung einzuzeich- nen; als aber im Jahre 1614 die Reichsſtände wirklich beiſammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup- teten die Parlamente ihr Recht an der Geſetzgebung darum nichts deſto weniger üben zu müſſen. Nun verſtand Ludwig XIV. vortrefflich ſolche Anforderungen zum Schweigen zu bringen: „ſie ſollen eintragen ohne Auf- ſchub, mögen ihre Bedenken hinterher ſchicken;“ und dem pariſer Parlament blieb nichts übrig, als ſich an ſeinem Teſtament zu rächen, indem es daſſelbe aufhob. Allein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0032"n="22"/>
aber begab es ſich daß König Ludwig <hirendition="#aq">XV.</hi> mit den<lb/>ſämmtlichen höchſten Gerichtshöfen ſeines Reiches, funf-<lb/>
zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par-<lb/>
lament führten, in wiederholten, zuletzt unverſöhnlichen<lb/>
Zwieſpalt gerieth. Alle dieſe Gerichtshöfe, und das pa-<lb/>
riſer Parlament vor allen, rühmten ſich nämlich des Rech-<lb/>
tes, der königlichen Geſetzgebung gegenüber ein Veto ein-<lb/>
legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Geſetze nicht frü-<lb/>
her ihre Gültigkeit, als bis ſie in die Regiſter der Parla-<lb/>
mente eingetragen waren, und dieſer Eintragung weiger-<lb/>
ten ſie ſich nicht ſelten, ließen dieſe keineswegs als eine<lb/>
lediglich für die Publication der Geſetze erforderliche Förm-<lb/>
lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres Anſpruches<lb/>
zur Frage kam, ſo machten ſie ſich gern als Reichsſtände<lb/>
im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs-<lb/>ſtänden, deren Ausfluß ſie wären, das Recht überkommen<lb/>
hätten, die von dem Könige ihnen zugeſandten Geſetze zu<lb/>
beglaubigen und als Beweis der Zuſtimmung einzuzeich-<lb/>
nen; als aber im Jahre 1614 die Reichsſtände wirklich<lb/>
beiſammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup-<lb/>
teten die Parlamente ihr Recht an der Geſetzgebung<lb/>
darum nichts deſto weniger üben zu müſſen. Nun verſtand<lb/>
Ludwig <hirendition="#aq">XIV.</hi> vortrefflich ſolche Anforderungen zum<lb/>
Schweigen zu bringen: „ſie ſollen eintragen ohne Auf-<lb/>ſchub, mögen ihre Bedenken hinterher ſchicken;“ und dem<lb/>
pariſer Parlament blieb nichts übrig, als ſich an ſeinem<lb/>
Teſtament zu rächen, indem es daſſelbe aufhob. Allein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[22/0032]
aber begab es ſich daß König Ludwig XV. mit den
ſämmtlichen höchſten Gerichtshöfen ſeines Reiches, funf-
zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par-
lament führten, in wiederholten, zuletzt unverſöhnlichen
Zwieſpalt gerieth. Alle dieſe Gerichtshöfe, und das pa-
riſer Parlament vor allen, rühmten ſich nämlich des Rech-
tes, der königlichen Geſetzgebung gegenüber ein Veto ein-
legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Geſetze nicht frü-
her ihre Gültigkeit, als bis ſie in die Regiſter der Parla-
mente eingetragen waren, und dieſer Eintragung weiger-
ten ſie ſich nicht ſelten, ließen dieſe keineswegs als eine
lediglich für die Publication der Geſetze erforderliche Förm-
lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres Anſpruches
zur Frage kam, ſo machten ſie ſich gern als Reichsſtände
im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs-
ſtänden, deren Ausfluß ſie wären, das Recht überkommen
hätten, die von dem Könige ihnen zugeſandten Geſetze zu
beglaubigen und als Beweis der Zuſtimmung einzuzeich-
nen; als aber im Jahre 1614 die Reichsſtände wirklich
beiſammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup-
teten die Parlamente ihr Recht an der Geſetzgebung
darum nichts deſto weniger üben zu müſſen. Nun verſtand
Ludwig XIV. vortrefflich ſolche Anforderungen zum
Schweigen zu bringen: „ſie ſollen eintragen ohne Auf-
ſchub, mögen ihre Bedenken hinterher ſchicken;“ und dem
pariſer Parlament blieb nichts übrig, als ſich an ſeinem
Teſtament zu rächen, indem es daſſelbe aufhob. Allein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/32>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.