Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

aber begab es sich daß König Ludwig XV. mit den
sämmtlichen höchsten Gerichtshöfen seines Reiches, funf-
zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par-
lament führten, in wiederholten, zuletzt unversöhnlichen
Zwiespalt gerieth. Alle diese Gerichtshöfe, und das pa-
riser Parlament vor allen, rühmten sich nämlich des Rech-
tes, der königlichen Gesetzgebung gegenüber ein Veto ein-
legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Gesetze nicht frü-
her ihre Gültigkeit, als bis sie in die Register der Parla-
mente eingetragen waren, und dieser Eintragung weiger-
ten sie sich nicht selten, ließen diese keineswegs als eine
lediglich für die Publication der Gesetze erforderliche Förm-
lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres Anspruches
zur Frage kam, so machten sie sich gern als Reichsstände
im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs-
ständen, deren Ausfluß sie wären, das Recht überkommen
hätten, die von dem Könige ihnen zugesandten Gesetze zu
beglaubigen und als Beweis der Zustimmung einzuzeich-
nen; als aber im Jahre 1614 die Reichsstände wirklich
beisammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup-
teten die Parlamente ihr Recht an der Gesetzgebung
darum nichts desto weniger üben zu müssen. Nun verstand
Ludwig XIV. vortrefflich solche Anforderungen zum
Schweigen zu bringen: "sie sollen eintragen ohne Auf-
schub, mögen ihre Bedenken hinterher schicken;" und dem
pariser Parlament blieb nichts übrig, als sich an seinem
Testament zu rächen, indem es dasselbe aufhob. Allein

aber begab es ſich daß König Ludwig XV. mit den
ſämmtlichen höchſten Gerichtshöfen ſeines Reiches, funf-
zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par-
lament führten, in wiederholten, zuletzt unverſöhnlichen
Zwieſpalt gerieth. Alle dieſe Gerichtshöfe, und das pa-
riſer Parlament vor allen, rühmten ſich nämlich des Rech-
tes, der königlichen Geſetzgebung gegenüber ein Veto ein-
legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Geſetze nicht frü-
her ihre Gültigkeit, als bis ſie in die Regiſter der Parla-
mente eingetragen waren, und dieſer Eintragung weiger-
ten ſie ſich nicht ſelten, ließen dieſe keineswegs als eine
lediglich für die Publication der Geſetze erforderliche Förm-
lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres Anſpruches
zur Frage kam, ſo machten ſie ſich gern als Reichsſtände
im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs-
ſtänden, deren Ausfluß ſie wären, das Recht überkommen
hätten, die von dem Könige ihnen zugeſandten Geſetze zu
beglaubigen und als Beweis der Zuſtimmung einzuzeich-
nen; als aber im Jahre 1614 die Reichsſtände wirklich
beiſammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup-
teten die Parlamente ihr Recht an der Geſetzgebung
darum nichts deſto weniger üben zu müſſen. Nun verſtand
Ludwig XIV. vortrefflich ſolche Anforderungen zum
Schweigen zu bringen: „ſie ſollen eintragen ohne Auf-
ſchub, mögen ihre Bedenken hinterher ſchicken;“ und dem
pariſer Parlament blieb nichts übrig, als ſich an ſeinem
Teſtament zu rächen, indem es daſſelbe aufhob. Allein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="22"/>
aber begab es &#x017F;ich daß König Ludwig <hi rendition="#aq">XV.</hi> mit den<lb/>
&#x017F;ämmtlichen höch&#x017F;ten Gerichtshöfen &#x017F;eines Reiches, funf-<lb/>
zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par-<lb/>
lament führten, in wiederholten, zuletzt unver&#x017F;öhnlichen<lb/>
Zwie&#x017F;palt gerieth. Alle die&#x017F;e Gerichtshöfe, und das pa-<lb/>
ri&#x017F;er Parlament vor allen, rühmten &#x017F;ich nämlich des Rech-<lb/>
tes, der königlichen Ge&#x017F;etzgebung gegenüber ein Veto ein-<lb/>
legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Ge&#x017F;etze nicht frü-<lb/>
her ihre Gültigkeit, als bis &#x017F;ie in die Regi&#x017F;ter der Parla-<lb/>
mente eingetragen waren, und die&#x017F;er Eintragung weiger-<lb/>
ten &#x017F;ie &#x017F;ich nicht &#x017F;elten, ließen die&#x017F;e keineswegs als eine<lb/>
lediglich für die Publication der Ge&#x017F;etze erforderliche Förm-<lb/>
lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres An&#x017F;pruches<lb/>
zur Frage kam, &#x017F;o machten &#x017F;ie &#x017F;ich gern als Reichs&#x017F;tände<lb/>
im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs-<lb/>
&#x017F;tänden, deren Ausfluß &#x017F;ie wären, das Recht überkommen<lb/>
hätten, die von dem Könige ihnen zuge&#x017F;andten Ge&#x017F;etze zu<lb/>
beglaubigen und als Beweis der Zu&#x017F;timmung einzuzeich-<lb/>
nen; als aber im Jahre 1614 die Reichs&#x017F;tände wirklich<lb/>
bei&#x017F;ammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup-<lb/>
teten die Parlamente ihr Recht an der Ge&#x017F;etzgebung<lb/>
darum nichts de&#x017F;to weniger üben zu mü&#x017F;&#x017F;en. Nun ver&#x017F;tand<lb/>
Ludwig <hi rendition="#aq">XIV.</hi> vortrefflich &#x017F;olche Anforderungen zum<lb/>
Schweigen zu bringen: &#x201E;&#x017F;ie &#x017F;ollen eintragen ohne Auf-<lb/>
&#x017F;chub, mögen ihre Bedenken hinterher &#x017F;chicken;&#x201C; und dem<lb/>
pari&#x017F;er Parlament blieb nichts übrig, als &#x017F;ich an &#x017F;einem<lb/>
Te&#x017F;tament zu rächen, indem es da&#x017F;&#x017F;elbe aufhob. Allein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] aber begab es ſich daß König Ludwig XV. mit den ſämmtlichen höchſten Gerichtshöfen ſeines Reiches, funf- zehn an der Zahl, von welchen dreizehn den Namen Par- lament führten, in wiederholten, zuletzt unverſöhnlichen Zwieſpalt gerieth. Alle dieſe Gerichtshöfe, und das pa- riſer Parlament vor allen, rühmten ſich nämlich des Rech- tes, der königlichen Geſetzgebung gegenüber ein Veto ein- legen zu dürfen. Wirklich erlangten neue Geſetze nicht frü- her ihre Gültigkeit, als bis ſie in die Regiſter der Parla- mente eingetragen waren, und dieſer Eintragung weiger- ten ſie ſich nicht ſelten, ließen dieſe keineswegs als eine lediglich für die Publication der Geſetze erforderliche Förm- lichkeit gelten. Wenn der Rechtsgrund ihres Anſpruches zur Frage kam, ſo machten ſie ſich gern als Reichsſtände im Kleinen geltend, welche von den eigentlichen Reichs- ſtänden, deren Ausfluß ſie wären, das Recht überkommen hätten, die von dem Könige ihnen zugeſandten Geſetze zu beglaubigen und als Beweis der Zuſtimmung einzuzeich- nen; als aber im Jahre 1614 die Reichsſtände wirklich beiſammen waren, und zwar zum letzten Male, behaup- teten die Parlamente ihr Recht an der Geſetzgebung darum nichts deſto weniger üben zu müſſen. Nun verſtand Ludwig XIV. vortrefflich ſolche Anforderungen zum Schweigen zu bringen: „ſie ſollen eintragen ohne Auf- ſchub, mögen ihre Bedenken hinterher ſchicken;“ und dem pariſer Parlament blieb nichts übrig, als ſich an ſeinem Teſtament zu rächen, indem es daſſelbe aufhob. Allein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/32
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/32>, abgerufen am 22.11.2024.