Stimmen. Auch an die Bildung von Schiedsgerichten, Friedensgerichten und Vergleichscommissionen ward die Hand gelegt. Die Gerechtigkeit wird zwar fortfahren im Namen des Königs verwaltet zu werden, allein der König ernennt die Richter nicht mehr; er wird bloß das Wahl- protocoll einsehen und wenn alle Förmlichkeiten erfüllt sind, erklären: "sie sind ernannt." Die Ernennung steht den sämmtlichen Wählern eines Districts zu, und beschränkt sich auf sechs Jahre. Man glaubte die Volksfreiheit zu vergrößern, indem man die Unentfernbarkeit der Richter aufopferte.
Ebenfalls noch in dem alten Jahre ward das Schick- sal der Geistlichkeit entschieden; man stellte ihre sämmt- lichen Güter und Einkünfte den darbenden Finanzen zur Oct. 10.Verfügung, auf Antrag des Bischofs von Autun Talley- rand-Perigord. Dieser schlug das Gesammteinkommen der Geistlichkeit auf 150 Millionen an, davon sollen ihr 100 vor der Hand verbleiben, bald aber werden, vermöge des Absterbens vieler Nutznießer von aufzuhebenden Pfrün- den, deren 80 vollkommen ausreichen. So hat der Staat 70 Millionen jährlich gewonnen, die ein Capital von 2 Milliarden repräsentiren, welches man nach Belieben durch Verkauf der Güter flüssig machen kann, und für die Pfarrer ist besser gesorgt als zuvor: denn keiner von ihnen, der nicht vom Staate mindestens 1200 Livres jährlich be- ziehen wird, sein Pfarrhaus ungerechnet. Auf diesen Grund- Nov. 2.lagen kam nach heftiger Debatte ein Beschluß zu Stande.
Stimmen. Auch an die Bildung von Schiedsgerichten, Friedensgerichten und Vergleichscommiſſionen ward die Hand gelegt. Die Gerechtigkeit wird zwar fortfahren im Namen des Königs verwaltet zu werden, allein der König ernennt die Richter nicht mehr; er wird bloß das Wahl- protocoll einſehen und wenn alle Förmlichkeiten erfüllt ſind, erklären: „ſie ſind ernannt.“ Die Ernennung ſteht den ſämmtlichen Wählern eines Diſtricts zu, und beſchränkt ſich auf ſechs Jahre. Man glaubte die Volksfreiheit zu vergrößern, indem man die Unentfernbarkeit der Richter aufopferte.
Ebenfalls noch in dem alten Jahre ward das Schick- ſal der Geiſtlichkeit entſchieden; man ſtellte ihre ſämmt- lichen Güter und Einkünfte den darbenden Finanzen zur Oct. 10.Verfügung, auf Antrag des Biſchofs von Autun Talley- rand-Perigord. Dieſer ſchlug das Geſammteinkommen der Geiſtlichkeit auf 150 Millionen an, davon ſollen ihr 100 vor der Hand verbleiben, bald aber werden, vermöge des Abſterbens vieler Nutznießer von aufzuhebenden Pfrün- den, deren 80 vollkommen ausreichen. So hat der Staat 70 Millionen jährlich gewonnen, die ein Capital von 2 Milliarden repräſentiren, welches man nach Belieben durch Verkauf der Güter flüſſig machen kann, und für die Pfarrer iſt beſſer geſorgt als zuvor: denn keiner von ihnen, der nicht vom Staate mindeſtens 1200 Livres jährlich be- ziehen wird, ſein Pfarrhaus ungerechnet. Auf dieſen Grund- Nov. 2.lagen kam nach heftiger Debatte ein Beſchluß zu Stande.
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Stimmen. Auch an die Bildung von Schiedsgerichten,
Friedensgerichten und Vergleichscommiſſionen ward die
Hand gelegt. Die Gerechtigkeit wird zwar fortfahren im
Namen des Königs verwaltet zu werden, allein der König
ernennt die Richter nicht mehr; er wird bloß das Wahl-
protocoll einſehen und wenn alle Förmlichkeiten erfüllt ſind,
erklären: „ſie ſind ernannt.“ Die Ernennung ſteht den
ſämmtlichen Wählern eines Diſtricts zu, und beſchränkt
ſich auf ſechs Jahre. Man glaubte die Volksfreiheit zu
vergrößern, indem man die Unentfernbarkeit der Richter
aufopferte.
Ebenfalls noch in dem alten Jahre ward das Schick-
ſal der Geiſtlichkeit entſchieden; man ſtellte ihre ſämmt-
lichen Güter und Einkünfte den darbenden Finanzen zur
Verfügung, auf Antrag des Biſchofs von Autun Talley-
rand-Perigord. Dieſer ſchlug das Geſammteinkommen
der Geiſtlichkeit auf 150 Millionen an, davon ſollen ihr
100 vor der Hand verbleiben, bald aber werden, vermöge
des Abſterbens vieler Nutznießer von aufzuhebenden Pfrün-
den, deren 80 vollkommen ausreichen. So hat der Staat
70 Millionen jährlich gewonnen, die ein Capital von
2 Milliarden repräſentiren, welches man nach Belieben
durch Verkauf der Güter flüſſig machen kann, und für die
Pfarrer iſt beſſer geſorgt als zuvor: denn keiner von ihnen,
der nicht vom Staate mindeſtens 1200 Livres jährlich be-
ziehen wird, ſein Pfarrhaus ungerechnet. Auf dieſen Grund-
lagen kam nach heftiger Debatte ein Beſchluß zu Stande.
Oct. 10.
Nov. 2.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/306>, abgerufen am 28.11.2024.
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