man könne Neckern nicht nachrechnen, habe überhaupt keine Zeit mit Berathungen zu verlieren, darum müsse man dem Manne des Vertrauens von ganz Frankreich volles Ver- trauen schenken, seinen Plan annehmen, ohne ihn zu ver- bürgen. Das Lob Neckers, reichlich und in edler Haltung gespendet, hatte aus diesem Munde doppelten Werth. Mirabeau verließ den Saal, um im Auftrage der Ver- sammlung ein seiner Ansicht entsprechendes Decret zu ent- werfen. Während seiner Abwesenheit ging die Debatte fort und als er wieder eintrat, waren manche Aushülfen vorgeschlagen, Mirabeau's Entwurf ward angefochten, von Manchen aus Mistrauen gegen den Urheber. Mira- beau hat oft, wie Andere thaten, geschriebene Reden auf die Bühne gebracht, nur daß sein innerer Drang ihn ge- wöhnlich nicht lange bei dem Papier fest hielt. Jetzt schwang er sich auf die Tribune, den unvorhergesehenen Sturm nieder zu kämpfen.
"Meine Herren! Inmitten dieser stürmischen Debat- ten -- sollte es mir wohl gelingen durch eine ganz kleine Anzahl von Fragen Licht in die Berathung zurückzuführen? Würdigen Sie mich, meine Herren, einer Antwort. Hat nicht der Finanzminister Ihnen das schrecklichste Gemälde unserer gegenwärtigen Lage gegeben? Hat er Ihnen nicht gesagt daß jeder Verzug die Gefahr vermehrt? daß ein Tag, eine Stunde, ein Augenblick den Tod bringen kann? Haben wir einen Plan an die Stelle des von ihm vorge- schlagenen zu setzen?" -- Ja! rief hier Einer aus der Ver-
man könne Neckern nicht nachrechnen, habe überhaupt keine Zeit mit Berathungen zu verlieren, darum müſſe man dem Manne des Vertrauens von ganz Frankreich volles Ver- trauen ſchenken, ſeinen Plan annehmen, ohne ihn zu ver- bürgen. Das Lob Neckers, reichlich und in edler Haltung geſpendet, hatte aus dieſem Munde doppelten Werth. Mirabeau verließ den Saal, um im Auftrage der Ver- ſammlung ein ſeiner Anſicht entſprechendes Decret zu ent- werfen. Während ſeiner Abweſenheit ging die Debatte fort und als er wieder eintrat, waren manche Aushülfen vorgeſchlagen, Mirabeau’s Entwurf ward angefochten, von Manchen aus Mistrauen gegen den Urheber. Mira- beau hat oft, wie Andere thaten, geſchriebene Reden auf die Bühne gebracht, nur daß ſein innerer Drang ihn ge- wöhnlich nicht lange bei dem Papier feſt hielt. Jetzt ſchwang er ſich auf die Tribune, den unvorhergeſehenen Sturm nieder zu kämpfen.
„Meine Herren! Inmitten dieſer ſtürmiſchen Debat- ten — ſollte es mir wohl gelingen durch eine ganz kleine Anzahl von Fragen Licht in die Berathung zurückzuführen? Würdigen Sie mich, meine Herren, einer Antwort. Hat nicht der Finanzminiſter Ihnen das ſchrecklichſte Gemälde unſerer gegenwärtigen Lage gegeben? Hat er Ihnen nicht geſagt daß jeder Verzug die Gefahr vermehrt? daß ein Tag, eine Stunde, ein Augenblick den Tod bringen kann? Haben wir einen Plan an die Stelle des von ihm vorge- ſchlagenen zu ſetzen?“ — Ja! rief hier Einer aus der Ver-
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man könne Neckern nicht nachrechnen, habe überhaupt keine
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Manne des Vertrauens von ganz Frankreich volles Ver-
trauen ſchenken, ſeinen Plan annehmen, ohne ihn zu ver-
bürgen. Das Lob Neckers, reichlich und in edler Haltung
geſpendet, hatte aus dieſem Munde doppelten Werth.
Mirabeau verließ den Saal, um im Auftrage der Ver-
ſammlung ein ſeiner Anſicht entſprechendes Decret zu ent-
werfen. Während ſeiner Abweſenheit ging die Debatte
fort und als er wieder eintrat, waren manche Aushülfen
vorgeſchlagen, Mirabeau’s Entwurf ward angefochten,
von Manchen aus Mistrauen gegen den Urheber. Mira-
beau hat oft, wie Andere thaten, geſchriebene Reden auf
die Bühne gebracht, nur daß ſein innerer Drang ihn ge-
wöhnlich nicht lange bei dem Papier feſt hielt. Jetzt
ſchwang er ſich auf die Tribune, den unvorhergeſehenen
Sturm nieder zu kämpfen.
„Meine Herren! Inmitten dieſer ſtürmiſchen Debat-
ten — ſollte es mir wohl gelingen durch eine ganz kleine
Anzahl von Fragen Licht in die Berathung zurückzuführen?
Würdigen Sie mich, meine Herren, einer Antwort. Hat
nicht der Finanzminiſter Ihnen das ſchrecklichſte Gemälde
unſerer gegenwärtigen Lage gegeben? Hat er Ihnen nicht
geſagt daß jeder Verzug die Gefahr vermehrt? daß ein
Tag, eine Stunde, ein Augenblick den Tod bringen kann?
Haben wir einen Plan an die Stelle des von ihm vorge-
ſchlagenen zu ſetzen?“ — Ja! rief hier Einer aus der Ver-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/287>, abgerufen am 26.11.2024.
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