Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

alter, wir haben eine gegebene Regierung, einen gegebe-
nen König, gegebene Vorurtheile. Man muß diese Dinge
möglichst der Revolution anbequemen, plötzliche Über-
gänge verhüten. Man muß es bis zu dem Augenblicke,
da aus dieser Duldung eine praktische Verletzung der
Grundsätze der nationalen Freiheit hervorginge, ein völli-
ger Misklang in der gesellschaftlichen Ordnung. Sobald
zwischen der alten Ordnung der Dinge und der neuen eine
Kluft entsteht, da gilt es den Sprung wagen, den Schleier
lüften und -- vorwärts!" Man hätte, fügte er hin-
zu, nicht nöthig gehabt, jene Beschlüsse dem Könige zur
Sanction vorzulegen, denn sie sind keine Gesetze, sie gehen
theils die Verfassung an, theils sind sie Ausflüsse der
Aufopferung von Privatinteressen. Da die Vorlage aber
einmal geschehen ist, bringt er die Sendung des Präsiden-
ten an den König in Antrag, mit der Erklärung daß die
Versammlung die unverzügliche Bekanntmachung ihrer Be-
Sept. 18.schlüsse erwarte. Robespierre sprach: "Bedarf denn die
Nation für die Verfassung eines anderen Willens als des
ihrigen?" Der Jurist Rewbell, Abgeordneter des Wahl-
bezirks von Colmar und Schlettstadt, wunderte sich daß
man so viel Aufhebens von den Lehnsrechten fremder Für-
sten im Elsaß mache, Fürsten, die sich stets an die Mini-
ster wenden, statt an die Nation. Nach zwei Tagen er-
Sept. 20.folgte die königliche Bestätigung ohne Vorbehalt. Derge-
stalt ward es dem Könige verwehrt, auch nur das erste Mal
von seinem verkümmerten Veto Gebrauch zu machen.

alter, wir haben eine gegebene Regierung, einen gegebe-
nen König, gegebene Vorurtheile. Man muß dieſe Dinge
möglichſt der Revolution anbequemen, plötzliche Über-
gänge verhüten. Man muß es bis zu dem Augenblicke,
da aus dieſer Duldung eine praktiſche Verletzung der
Grundſätze der nationalen Freiheit hervorginge, ein völli-
ger Misklang in der geſellſchaftlichen Ordnung. Sobald
zwiſchen der alten Ordnung der Dinge und der neuen eine
Kluft entſteht, da gilt es den Sprung wagen, den Schleier
lüften und — vorwärts!“ Man hätte, fügte er hin-
zu, nicht nöthig gehabt, jene Beſchlüſſe dem Könige zur
Sanction vorzulegen, denn ſie ſind keine Geſetze, ſie gehen
theils die Verfaſſung an, theils ſind ſie Ausflüſſe der
Aufopferung von Privatintereſſen. Da die Vorlage aber
einmal geſchehen iſt, bringt er die Sendung des Präſiden-
ten an den König in Antrag, mit der Erklärung daß die
Verſammlung die unverzügliche Bekanntmachung ihrer Be-
Sept. 18.ſchlüſſe erwarte. Robespierre ſprach: „Bedarf denn die
Nation für die Verfaſſung eines anderen Willens als des
ihrigen?“ Der Juriſt Rewbell, Abgeordneter des Wahl-
bezirks von Colmar und Schlettſtadt, wunderte ſich daß
man ſo viel Aufhebens von den Lehnsrechten fremder Für-
ſten im Elſaß mache, Fürſten, die ſich ſtets an die Mini-
ſter wenden, ſtatt an die Nation. Nach zwei Tagen er-
Sept. 20.folgte die königliche Beſtätigung ohne Vorbehalt. Derge-
ſtalt ward es dem Könige verwehrt, auch nur das erſte Mal
von ſeinem verkümmerten Veto Gebrauch zu machen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="274"/>
alter, wir haben eine gegebene Regierung, einen gegebe-<lb/>
nen König, gegebene Vorurtheile. Man muß die&#x017F;e Dinge<lb/>
möglich&#x017F;t der Revolution anbequemen, plötzliche Über-<lb/>
gänge verhüten. Man muß es bis zu dem Augenblicke,<lb/>
da aus die&#x017F;er Duldung eine prakti&#x017F;che Verletzung der<lb/>
Grund&#x017F;ätze der nationalen Freiheit hervorginge, ein völli-<lb/>
ger Misklang in der ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Ordnung. Sobald<lb/>
zwi&#x017F;chen der alten Ordnung der Dinge und der neuen eine<lb/>
Kluft ent&#x017F;teht, da gilt es den Sprung wagen, den Schleier<lb/>
lüften und &#x2014; vorwärts!&#x201C; Man hätte, fügte er hin-<lb/>
zu, nicht nöthig gehabt, jene Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e dem Könige zur<lb/>
Sanction vorzulegen, denn &#x017F;ie &#x017F;ind keine Ge&#x017F;etze, &#x017F;ie gehen<lb/>
theils die Verfa&#x017F;&#x017F;ung an, theils &#x017F;ind &#x017F;ie Ausflü&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Aufopferung von Privatintere&#x017F;&#x017F;en. Da die Vorlage aber<lb/>
einmal ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, bringt er die Sendung des Prä&#x017F;iden-<lb/>
ten an den König in Antrag, mit der Erklärung daß die<lb/>
Ver&#x017F;ammlung die unverzügliche Bekanntmachung ihrer Be-<lb/><note place="left">Sept. 18.</note>&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e erwarte. Robespierre &#x017F;prach: &#x201E;Bedarf denn die<lb/>
Nation für die Verfa&#x017F;&#x017F;ung eines anderen Willens als des<lb/>
ihrigen?&#x201C; Der Juri&#x017F;t Rewbell, Abgeordneter des Wahl-<lb/>
bezirks von Colmar und Schlett&#x017F;tadt, wunderte &#x017F;ich daß<lb/>
man &#x017F;o viel Aufhebens von den Lehnsrechten fremder Für-<lb/>
&#x017F;ten im El&#x017F;aß mache, Für&#x017F;ten, die &#x017F;ich &#x017F;tets an die Mini-<lb/>
&#x017F;ter wenden, &#x017F;tatt an die Nation. Nach zwei Tagen er-<lb/><note place="left">Sept. 20.</note>folgte die königliche Be&#x017F;tätigung ohne Vorbehalt. Derge-<lb/>
&#x017F;talt ward es dem Könige verwehrt, auch nur das er&#x017F;te Mal<lb/>
von &#x017F;einem verkümmerten Veto Gebrauch zu machen.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0284] alter, wir haben eine gegebene Regierung, einen gegebe- nen König, gegebene Vorurtheile. Man muß dieſe Dinge möglichſt der Revolution anbequemen, plötzliche Über- gänge verhüten. Man muß es bis zu dem Augenblicke, da aus dieſer Duldung eine praktiſche Verletzung der Grundſätze der nationalen Freiheit hervorginge, ein völli- ger Misklang in der geſellſchaftlichen Ordnung. Sobald zwiſchen der alten Ordnung der Dinge und der neuen eine Kluft entſteht, da gilt es den Sprung wagen, den Schleier lüften und — vorwärts!“ Man hätte, fügte er hin- zu, nicht nöthig gehabt, jene Beſchlüſſe dem Könige zur Sanction vorzulegen, denn ſie ſind keine Geſetze, ſie gehen theils die Verfaſſung an, theils ſind ſie Ausflüſſe der Aufopferung von Privatintereſſen. Da die Vorlage aber einmal geſchehen iſt, bringt er die Sendung des Präſiden- ten an den König in Antrag, mit der Erklärung daß die Verſammlung die unverzügliche Bekanntmachung ihrer Be- ſchlüſſe erwarte. Robespierre ſprach: „Bedarf denn die Nation für die Verfaſſung eines anderen Willens als des ihrigen?“ Der Juriſt Rewbell, Abgeordneter des Wahl- bezirks von Colmar und Schlettſtadt, wunderte ſich daß man ſo viel Aufhebens von den Lehnsrechten fremder Für- ſten im Elſaß mache, Fürſten, die ſich ſtets an die Mini- ſter wenden, ſtatt an die Nation. Nach zwei Tagen er- folgte die königliche Beſtätigung ohne Vorbehalt. Derge- ſtalt ward es dem Könige verwehrt, auch nur das erſte Mal von ſeinem verkümmerten Veto Gebrauch zu machen. Sept. 18. Sept. 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/284
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/284>, abgerufen am 14.05.2024.