Ausübung bringen zu wollen. Untergeordnete Gewalten im Staate müssen allerdings ausführen auch was sie nicht billigen, obgleich es nie gehörig geschieht; die höchste Macht im Staate zwingen wollen, heißt sich an ihre Stelle setzen. Wird die bedrohte höchste Macht nicht Widerstand leisten? Wird sie keine Helfer finden? Blicket auf Schweden hin; wie schnell ist dieses Reich dem Despotismus verfallen! aus keinem anderen Grunde, als weil man dort den Kö- nig, wiewohl Erbkönig, doch zum duldenden und blinden Werkzeuge des Senats machen wollte. Haben wir einmal die Krone einer bestimmten Familie übergeben, daß sie ein Erbtheil ihrer Erstgeborenen sey, dann ist es unklug diese zu beunruhigen, indem man sie einer gesetzgebenden Ge- walt unterwirft, deren Geltung man in königlichen Hän- den läßt, und gleichwohl des Königs Meinung verachten will. Diese Verachtung geht zuletzt auf die Person über; der Inhaber aller Macht des französischen Reiches kann aber nicht verachtet werden ohne die größte Gefahr." Der Redner schließt mit den Worten: "So führt denn eine folgerechte Betrachtung, aus dem menschlichen Her- zen und aus der Erfahrung geschöpft, dahin daß der Kö- nig das Recht haben muß auf die Nationalversammlung einzuwirken, indem er sie wieder erwählen läßt. Diese Einwirkung ist nothwendig, um dem Könige ein gesetz- liches und friedliches Mittel zu sichern, von seiner Seite Gesetzen die Annahme zu verschaffen, die er nützlich für die Nation hält, und welchen gleichwohl die Nationalver-
Ausübung bringen zu wollen. Untergeordnete Gewalten im Staate müſſen allerdings ausführen auch was ſie nicht billigen, obgleich es nie gehörig geſchieht; die höchſte Macht im Staate zwingen wollen, heißt ſich an ihre Stelle ſetzen. Wird die bedrohte höchſte Macht nicht Widerſtand leiſten? Wird ſie keine Helfer finden? Blicket auf Schweden hin; wie ſchnell iſt dieſes Reich dem Despotismus verfallen! aus keinem anderen Grunde, als weil man dort den Kö- nig, wiewohl Erbkönig, doch zum duldenden und blinden Werkzeuge des Senats machen wollte. Haben wir einmal die Krone einer beſtimmten Familie übergeben, daß ſie ein Erbtheil ihrer Erſtgeborenen ſey, dann iſt es unklug dieſe zu beunruhigen, indem man ſie einer geſetzgebenden Ge- walt unterwirft, deren Geltung man in königlichen Hän- den läßt, und gleichwohl des Königs Meinung verachten will. Dieſe Verachtung geht zuletzt auf die Perſon über; der Inhaber aller Macht des franzöſiſchen Reiches kann aber nicht verachtet werden ohne die größte Gefahr.“ Der Redner ſchließt mit den Worten: „So führt denn eine folgerechte Betrachtung, aus dem menſchlichen Her- zen und aus der Erfahrung geſchöpft, dahin daß der Kö- nig das Recht haben muß auf die Nationalverſammlung einzuwirken, indem er ſie wieder erwählen läßt. Dieſe Einwirkung iſt nothwendig, um dem Könige ein geſetz- liches und friedliches Mittel zu ſichern, von ſeiner Seite Geſetzen die Annahme zu verſchaffen, die er nützlich für die Nation hält, und welchen gleichwohl die Nationalver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0271"n="261"/>
Ausübung bringen zu wollen. Untergeordnete Gewalten<lb/>
im Staate müſſen allerdings ausführen auch was ſie nicht<lb/>
billigen, obgleich es nie gehörig geſchieht; die höchſte Macht<lb/>
im Staate zwingen wollen, heißt ſich an ihre Stelle ſetzen.<lb/>
Wird die bedrohte höchſte Macht nicht Widerſtand leiſten?<lb/>
Wird ſie keine Helfer finden? Blicket auf Schweden hin;<lb/>
wie ſchnell iſt dieſes Reich dem Despotismus verfallen!<lb/>
aus keinem anderen Grunde, als weil man dort den Kö-<lb/>
nig, wiewohl Erbkönig, doch zum duldenden und blinden<lb/>
Werkzeuge des Senats machen wollte. Haben wir einmal<lb/>
die Krone einer beſtimmten Familie übergeben, daß ſie ein<lb/>
Erbtheil ihrer Erſtgeborenen ſey, dann iſt es unklug dieſe<lb/>
zu beunruhigen, indem man ſie einer geſetzgebenden Ge-<lb/>
walt unterwirft, deren Geltung man in königlichen Hän-<lb/>
den läßt, und gleichwohl des Königs Meinung verachten<lb/>
will. Dieſe Verachtung geht zuletzt auf die Perſon über;<lb/>
der Inhaber aller Macht des franzöſiſchen Reiches kann<lb/>
aber nicht verachtet werden ohne die größte Gefahr.“<lb/>
Der Redner ſchließt mit den Worten: „So führt denn<lb/>
eine folgerechte Betrachtung, aus dem menſchlichen Her-<lb/>
zen und aus der Erfahrung geſchöpft, dahin daß der Kö-<lb/>
nig das Recht haben muß auf die Nationalverſammlung<lb/>
einzuwirken, indem er ſie wieder erwählen läßt. Dieſe<lb/>
Einwirkung iſt nothwendig, um dem Könige ein geſetz-<lb/>
liches und friedliches Mittel zu ſichern, von ſeiner Seite<lb/>
Geſetzen die Annahme zu verſchaffen, die er nützlich für<lb/>
die Nation hält, und welchen gleichwohl die Nationalver-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[261/0271]
Ausübung bringen zu wollen. Untergeordnete Gewalten
im Staate müſſen allerdings ausführen auch was ſie nicht
billigen, obgleich es nie gehörig geſchieht; die höchſte Macht
im Staate zwingen wollen, heißt ſich an ihre Stelle ſetzen.
Wird die bedrohte höchſte Macht nicht Widerſtand leiſten?
Wird ſie keine Helfer finden? Blicket auf Schweden hin;
wie ſchnell iſt dieſes Reich dem Despotismus verfallen!
aus keinem anderen Grunde, als weil man dort den Kö-
nig, wiewohl Erbkönig, doch zum duldenden und blinden
Werkzeuge des Senats machen wollte. Haben wir einmal
die Krone einer beſtimmten Familie übergeben, daß ſie ein
Erbtheil ihrer Erſtgeborenen ſey, dann iſt es unklug dieſe
zu beunruhigen, indem man ſie einer geſetzgebenden Ge-
walt unterwirft, deren Geltung man in königlichen Hän-
den läßt, und gleichwohl des Königs Meinung verachten
will. Dieſe Verachtung geht zuletzt auf die Perſon über;
der Inhaber aller Macht des franzöſiſchen Reiches kann
aber nicht verachtet werden ohne die größte Gefahr.“
Der Redner ſchließt mit den Worten: „So führt denn
eine folgerechte Betrachtung, aus dem menſchlichen Her-
zen und aus der Erfahrung geſchöpft, dahin daß der Kö-
nig das Recht haben muß auf die Nationalverſammlung
einzuwirken, indem er ſie wieder erwählen läßt. Dieſe
Einwirkung iſt nothwendig, um dem Könige ein geſetz-
liches und friedliches Mittel zu ſichern, von ſeiner Seite
Geſetzen die Annahme zu verſchaffen, die er nützlich für
die Nation hält, und welchen gleichwohl die Nationalver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/271>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.