Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

ihrer Feudallasten zuzulassen, und zugleich versprachen, sie
wollten den Erlös nicht zu ihrer Bereicherung, sondern zu
reichlicheren Almosen verwenden, als sogar blutarme
Pfarrer das Anerbieten ihrer Accidentien machten, dessen
Annahme man freilich ausschlagen mußte, stiegen die Bei-
fallsrufe und die Anträge drängten sich noch stürmischer:
Abschaffung aller der Leibeigenschaft verwandten Ver-
hältnisse, welche unter dem Namen der todten Hand für
anderthalb Millionen Franzosen noch bestehen; Setzung
sämmtlicher Zehenten zu Gelde und Ablösbarkeit derselben;
Aufhebung des ausschließlichen Jagdrechtes, mithin der
barbarischen Strafen gegen Jagdfrevler; Aufhebung der
Taubenhäuser und Kaninchengehege; Verbesserung der
Gilden; Abschaffung aller Ämterverkäufe; Aufhebung der
Privilegien der einzelnen Provinzen von Frankreich -- und
endlich als unmittelbare Folge des letzten Antrages: man
will überhaupt künftighin nicht mehr Provencale, Langue-
docker, Burgunder, alle wollen Franzosen seyn, zweifeln
auch durchaus nicht an der gleichen Gesinnung ihrer Com-
mittenten; und die Städte und die Ämter wollen keinen
Schritt hinter den Provinzen zurückbleiben, auch sie ent-
sagen ihren Vorzügen. Bei diesem letzten Aufschwunge
zum Ziele der Gleichheit ward der Taumel der Begeiste-
rung so allgemein, ein solcher Andrang zur Rednerbühne,
solch ein Zusammenhäufen in Gruppen unter vielen Um-
armungen trat ein, daß die Secretäre darauf verzichten
mußten die Fülle der Anträge zu verzeichnen; sie haben

ihrer Feudallaſten zuzulaſſen, und zugleich verſprachen, ſie
wollten den Erlös nicht zu ihrer Bereicherung, ſondern zu
reichlicheren Almoſen verwenden, als ſogar blutarme
Pfarrer das Anerbieten ihrer Accidentien machten, deſſen
Annahme man freilich ausſchlagen mußte, ſtiegen die Bei-
fallsrufe und die Anträge drängten ſich noch ſtürmiſcher:
Abſchaffung aller der Leibeigenſchaft verwandten Ver-
hältniſſe, welche unter dem Namen der todten Hand für
anderthalb Millionen Franzoſen noch beſtehen; Setzung
ſämmtlicher Zehenten zu Gelde und Ablösbarkeit derſelben;
Aufhebung des ausſchließlichen Jagdrechtes, mithin der
barbariſchen Strafen gegen Jagdfrevler; Aufhebung der
Taubenhäuſer und Kaninchengehege; Verbeſſerung der
Gilden; Abſchaffung aller Ämterverkäufe; Aufhebung der
Privilegien der einzelnen Provinzen von Frankreich — und
endlich als unmittelbare Folge des letzten Antrages: man
will überhaupt künftighin nicht mehr Provençale, Langue-
docker, Burgunder, alle wollen Franzoſen ſeyn, zweifeln
auch durchaus nicht an der gleichen Geſinnung ihrer Com-
mittenten; und die Städte und die Ämter wollen keinen
Schritt hinter den Provinzen zurückbleiben, auch ſie ent-
ſagen ihren Vorzügen. Bei dieſem letzten Aufſchwunge
zum Ziele der Gleichheit ward der Taumel der Begeiſte-
rung ſo allgemein, ein ſolcher Andrang zur Rednerbühne,
ſolch ein Zuſammenhäufen in Gruppen unter vielen Um-
armungen trat ein, daß die Secretäre darauf verzichten
mußten die Fülle der Anträge zu verzeichnen; ſie haben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="252"/>
ihrer Feudalla&#x017F;ten zuzula&#x017F;&#x017F;en, und zugleich ver&#x017F;prachen, &#x017F;ie<lb/>
wollten den Erlös nicht zu ihrer Bereicherung, &#x017F;ondern zu<lb/>
reichlicheren Almo&#x017F;en verwenden, als &#x017F;ogar blutarme<lb/>
Pfarrer das Anerbieten ihrer Accidentien machten, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Annahme man freilich aus&#x017F;chlagen mußte, &#x017F;tiegen die Bei-<lb/>
fallsrufe und die Anträge drängten &#x017F;ich noch &#x017F;türmi&#x017F;cher:<lb/>
Ab&#x017F;chaffung aller der Leibeigen&#x017F;chaft verwandten Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e, welche unter dem Namen der todten Hand für<lb/>
anderthalb Millionen Franzo&#x017F;en noch be&#x017F;tehen; Setzung<lb/>
&#x017F;ämmtlicher Zehenten zu Gelde und Ablösbarkeit der&#x017F;elben;<lb/>
Aufhebung des aus&#x017F;chließlichen Jagdrechtes, mithin der<lb/>
barbari&#x017F;chen Strafen gegen Jagdfrevler; Aufhebung der<lb/>
Taubenhäu&#x017F;er und Kaninchengehege; Verbe&#x017F;&#x017F;erung der<lb/>
Gilden; Ab&#x017F;chaffung aller Ämterverkäufe; Aufhebung der<lb/>
Privilegien der einzelnen Provinzen von Frankreich &#x2014; und<lb/>
endlich als unmittelbare Folge des letzten Antrages: man<lb/>
will überhaupt künftighin nicht mehr Provençale, Langue-<lb/>
docker, Burgunder, alle wollen Franzo&#x017F;en &#x017F;eyn, zweifeln<lb/>
auch durchaus nicht an der gleichen Ge&#x017F;innung ihrer Com-<lb/>
mittenten; und die Städte und die Ämter wollen keinen<lb/>
Schritt hinter den Provinzen zurückbleiben, auch &#x017F;ie ent-<lb/>
&#x017F;agen ihren Vorzügen. Bei die&#x017F;em letzten Auf&#x017F;chwunge<lb/>
zum Ziele der Gleichheit ward der Taumel der Begei&#x017F;te-<lb/>
rung &#x017F;o allgemein, ein &#x017F;olcher Andrang zur Rednerbühne,<lb/>
&#x017F;olch ein Zu&#x017F;ammenhäufen in Gruppen unter vielen Um-<lb/>
armungen trat ein, daß die Secretäre darauf verzichten<lb/>
mußten die Fülle der Anträge zu verzeichnen; &#x017F;ie haben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0262] ihrer Feudallaſten zuzulaſſen, und zugleich verſprachen, ſie wollten den Erlös nicht zu ihrer Bereicherung, ſondern zu reichlicheren Almoſen verwenden, als ſogar blutarme Pfarrer das Anerbieten ihrer Accidentien machten, deſſen Annahme man freilich ausſchlagen mußte, ſtiegen die Bei- fallsrufe und die Anträge drängten ſich noch ſtürmiſcher: Abſchaffung aller der Leibeigenſchaft verwandten Ver- hältniſſe, welche unter dem Namen der todten Hand für anderthalb Millionen Franzoſen noch beſtehen; Setzung ſämmtlicher Zehenten zu Gelde und Ablösbarkeit derſelben; Aufhebung des ausſchließlichen Jagdrechtes, mithin der barbariſchen Strafen gegen Jagdfrevler; Aufhebung der Taubenhäuſer und Kaninchengehege; Verbeſſerung der Gilden; Abſchaffung aller Ämterverkäufe; Aufhebung der Privilegien der einzelnen Provinzen von Frankreich — und endlich als unmittelbare Folge des letzten Antrages: man will überhaupt künftighin nicht mehr Provençale, Langue- docker, Burgunder, alle wollen Franzoſen ſeyn, zweifeln auch durchaus nicht an der gleichen Geſinnung ihrer Com- mittenten; und die Städte und die Ämter wollen keinen Schritt hinter den Provinzen zurückbleiben, auch ſie ent- ſagen ihren Vorzügen. Bei dieſem letzten Aufſchwunge zum Ziele der Gleichheit ward der Taumel der Begeiſte- rung ſo allgemein, ein ſolcher Andrang zur Rednerbühne, ſolch ein Zuſammenhäufen in Gruppen unter vielen Um- armungen trat ein, daß die Secretäre darauf verzichten mußten die Fülle der Anträge zu verzeichnen; ſie haben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/262
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/262>, abgerufen am 24.11.2024.