mit Streichung der Jahrgelder und zum Theil übermäßi- gen Gehalte des Hofadels zu machen; alsbald aber er- klärten sich Viele, die das anging, zu solchem Opfer er- bötig. Der Enthusiasmus war entzündet, schon häuften und mischten sich die Anträge. Der Vicomte von Beau- harnais verlangt ein Strafgesetz, welches Gleichheit der Strafen ohne Standesunterschied feststelle, er verlangt die Zulassung jedes Franzosen zu jedem öffentlichen Amt in der Kirche, der Verwaltung und im Heerwesen. Einer vom dritten Stande begehrt die Aufhebung der Patrimonial- gerichte. Die Einrede eines elsaßer Abgeordneten, man möge doch an die Lehnrechte denken, welche vielen deut- schen Reichsfürsten Kraft unzweifelhafter Staatsverträge im Elsaß zuständen, fand keinen Eingang. Vielmehr trat Graf Mathieu de Montmorency auf, verlangte die Ab- stimmung über sämmtliche Anträge. Das lief der Ge- schäftsordnung entgegen; allein man hatte sich letzter Zeit schon über so Vieles hinweggesetzt und namentlich den Be- schluß, wöchentlich nur drei allgemeine und öffentliche Sitzungen zu halten, die übrigen Tage in den Büreaus zu arbeiten, in dem Grade verlassen, daß man täglich zwei allgemeine Sitzungen, eine Morgens, die andere Abends hielt. Allein der Präsident Le Chapelier (der Vorsitz in der Nationalversammlung wechselte alle vierzehn Tage) machte darauf aufmerksam daß jedenfalls doch zuvor die Ansicht der Geistlichkeit vernommen werden müsse. Als nun auch die Prälaten sich geneigt erklärten, den Abkauf
mit Streichung der Jahrgelder und zum Theil übermäßi- gen Gehalte des Hofadels zu machen; alsbald aber er- klärten ſich Viele, die das anging, zu ſolchem Opfer er- bötig. Der Enthuſiasmus war entzündet, ſchon häuften und miſchten ſich die Anträge. Der Vicomte von Beau- harnais verlangt ein Strafgeſetz, welches Gleichheit der Strafen ohne Standesunterſchied feſtſtelle, er verlangt die Zulaſſung jedes Franzoſen zu jedem öffentlichen Amt in der Kirche, der Verwaltung und im Heerweſen. Einer vom dritten Stande begehrt die Aufhebung der Patrimonial- gerichte. Die Einrede eines elſaßer Abgeordneten, man möge doch an die Lehnrechte denken, welche vielen deut- ſchen Reichsfürſten Kraft unzweifelhafter Staatsverträge im Elſaß zuſtänden, fand keinen Eingang. Vielmehr trat Graf Mathieu de Montmorency auf, verlangte die Ab- ſtimmung über ſämmtliche Anträge. Das lief der Ge- ſchäftsordnung entgegen; allein man hatte ſich letzter Zeit ſchon über ſo Vieles hinweggeſetzt und namentlich den Be- ſchluß, wöchentlich nur drei allgemeine und öffentliche Sitzungen zu halten, die übrigen Tage in den Büreaus zu arbeiten, in dem Grade verlaſſen, daß man täglich zwei allgemeine Sitzungen, eine Morgens, die andere Abends hielt. Allein der Präſident Le Chapelier (der Vorſitz in der Nationalverſammlung wechſelte alle vierzehn Tage) machte darauf aufmerkſam daß jedenfalls doch zuvor die Anſicht der Geiſtlichkeit vernommen werden müſſe. Als nun auch die Prälaten ſich geneigt erklärten, den Abkauf
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mit Streichung der Jahrgelder und zum Theil übermäßi-
gen Gehalte des Hofadels zu machen; alsbald aber er-
klärten ſich Viele, die das anging, zu ſolchem Opfer er-
bötig. Der Enthuſiasmus war entzündet, ſchon häuften
und miſchten ſich die Anträge. Der Vicomte von Beau-
harnais verlangt ein Strafgeſetz, welches Gleichheit der
Strafen ohne Standesunterſchied feſtſtelle, er verlangt die
Zulaſſung jedes Franzoſen zu jedem öffentlichen Amt in der
Kirche, der Verwaltung und im Heerweſen. Einer vom
dritten Stande begehrt die Aufhebung der Patrimonial-
gerichte. Die Einrede eines elſaßer Abgeordneten, man
möge doch an die Lehnrechte denken, welche vielen deut-
ſchen Reichsfürſten Kraft unzweifelhafter Staatsverträge
im Elſaß zuſtänden, fand keinen Eingang. Vielmehr trat
Graf Mathieu de Montmorency auf, verlangte die Ab-
ſtimmung über ſämmtliche Anträge. Das lief der Ge-
ſchäftsordnung entgegen; allein man hatte ſich letzter Zeit
ſchon über ſo Vieles hinweggeſetzt und namentlich den Be-
ſchluß, wöchentlich nur drei allgemeine und öffentliche
Sitzungen zu halten, die übrigen Tage in den Büreaus
zu arbeiten, in dem Grade verlaſſen, daß man täglich zwei
allgemeine Sitzungen, eine Morgens, die andere Abends
hielt. Allein der Präſident Le Chapelier (der Vorſitz in
der Nationalverſammlung wechſelte alle vierzehn Tage)
machte darauf aufmerkſam daß jedenfalls doch zuvor die
Anſicht der Geiſtlichkeit vernommen werden müſſe. Als
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/261>, abgerufen am 23.11.2024.
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