Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

schickte hernach, als die Gefahr drohender ward, die Men-
schenmasse sich häufte, eine zweite Deputation mit der
Bitte, der Gouverneur möge eine Abtheilung Bürgermiliz
aufnehmen, um gemeinsam mit der Garnison Besatzungs-
dienste zu thun. Aber es war nicht mehr möglich bis zur
Bastille durchzudringen. Dennoch versuchte man es vom
Stadthause aus mit einer dritten Deputation. Diese soll,
einen Tambour und eine Fahne voran, sich Platz schaffen,
das Volk vom Schießen abhalten; aber sie kann nicht
allenthalben seyn, hier läßt man sich sagen, dort aber
feuert man lustig fort aus Flinten gegen Mauern, von
welchen die Kugeln abprallen. Endlich erwiedert der Gou-
verneur das Feuer, und Einige aus der Menge fallen.
Schon aber kommen Kanonen herbei, es bilden sich zwei
Sturmhaufen. Dreihundert von jenen französischen Gar-
den, einer, Elie, früher Sergent in einem anderen Re-
giment, führt sie an; der zweite Haufe besteht aus Hand-
werkern, ein Uhrmachergeselle aus Genf, Hullin, ist der
Führer. So kam Ordnung in den Angriff, der mit wun-
derbarer Kühnheit geschieht. Ein glücklicher Schuß sprengt
die Ketten der ersten Zugbrücke; sie fällt. So kamen die
Stürmer in den ersten Hof, stellten hier ihre Kanonen
auf. Ihre Zahl war sehr geschmolzen; sie hatten mehr
als 80 Mann an Todten, eben so Viele an Verwundeten
verloren, aber nichts von ihrem Muthe. Launay war ein
Befehlshaber ohne Entschlossenheit, aber ein Soldat von
Ehre. Als er das Gelingen des Sturmes sah, wollte er

ſchickte hernach, als die Gefahr drohender ward, die Men-
ſchenmaſſe ſich häufte, eine zweite Deputation mit der
Bitte, der Gouverneur möge eine Abtheilung Bürgermiliz
aufnehmen, um gemeinſam mit der Garniſon Beſatzungs-
dienſte zu thun. Aber es war nicht mehr möglich bis zur
Baſtille durchzudringen. Dennoch verſuchte man es vom
Stadthauſe aus mit einer dritten Deputation. Dieſe ſoll,
einen Tambour und eine Fahne voran, ſich Platz ſchaffen,
das Volk vom Schießen abhalten; aber ſie kann nicht
allenthalben ſeyn, hier läßt man ſich ſagen, dort aber
feuert man luſtig fort aus Flinten gegen Mauern, von
welchen die Kugeln abprallen. Endlich erwiedert der Gou-
verneur das Feuer, und Einige aus der Menge fallen.
Schon aber kommen Kanonen herbei, es bilden ſich zwei
Sturmhaufen. Dreihundert von jenen franzöſiſchen Gar-
den, einer, Elie, früher Sergent in einem anderen Re-
giment, führt ſie an; der zweite Haufe beſteht aus Hand-
werkern, ein Uhrmachergeſelle aus Genf, Hullin, iſt der
Führer. So kam Ordnung in den Angriff, der mit wun-
derbarer Kühnheit geſchieht. Ein glücklicher Schuß ſprengt
die Ketten der erſten Zugbrücke; ſie fällt. So kamen die
Stürmer in den erſten Hof, ſtellten hier ihre Kanonen
auf. Ihre Zahl war ſehr geſchmolzen; ſie hatten mehr
als 80 Mann an Todten, eben ſo Viele an Verwundeten
verloren, aber nichts von ihrem Muthe. Launay war ein
Befehlshaber ohne Entſchloſſenheit, aber ein Soldat von
Ehre. Als er das Gelingen des Sturmes ſah, wollte er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0242" n="232"/>
&#x017F;chickte hernach, als die Gefahr drohender ward, die Men-<lb/>
&#x017F;chenma&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich häufte, eine zweite Deputation mit der<lb/>
Bitte, der Gouverneur möge eine Abtheilung Bürgermiliz<lb/>
aufnehmen, um gemein&#x017F;am mit der Garni&#x017F;on Be&#x017F;atzungs-<lb/>
dien&#x017F;te zu thun. Aber es war nicht mehr möglich bis zur<lb/>
Ba&#x017F;tille durchzudringen. Dennoch ver&#x017F;uchte man es vom<lb/>
Stadthau&#x017F;e aus mit einer dritten Deputation. Die&#x017F;e &#x017F;oll,<lb/>
einen Tambour und eine Fahne voran, &#x017F;ich Platz &#x017F;chaffen,<lb/>
das Volk vom Schießen abhalten; aber &#x017F;ie kann nicht<lb/>
allenthalben &#x017F;eyn, hier läßt man &#x017F;ich &#x017F;agen, dort aber<lb/>
feuert man lu&#x017F;tig fort aus Flinten gegen Mauern, von<lb/>
welchen die Kugeln abprallen. Endlich erwiedert der Gou-<lb/>
verneur das Feuer, und Einige aus der Menge fallen.<lb/>
Schon aber kommen Kanonen herbei, es bilden &#x017F;ich zwei<lb/>
Sturmhaufen. Dreihundert von jenen franzö&#x017F;i&#x017F;chen Gar-<lb/>
den, einer, Elie, früher Sergent in einem anderen Re-<lb/>
giment, führt &#x017F;ie an; der zweite Haufe be&#x017F;teht aus Hand-<lb/>
werkern, ein Uhrmacherge&#x017F;elle aus Genf, Hullin, i&#x017F;t der<lb/>
Führer. So kam Ordnung in den Angriff, der mit wun-<lb/>
derbarer Kühnheit ge&#x017F;chieht. Ein glücklicher Schuß &#x017F;prengt<lb/>
die Ketten der er&#x017F;ten Zugbrücke; &#x017F;ie fällt. So kamen die<lb/>
Stürmer in den er&#x017F;ten Hof, &#x017F;tellten hier ihre Kanonen<lb/>
auf. Ihre Zahl war &#x017F;ehr ge&#x017F;chmolzen; &#x017F;ie hatten mehr<lb/>
als 80 Mann an Todten, eben &#x017F;o Viele an Verwundeten<lb/>
verloren, aber nichts von ihrem Muthe. Launay war ein<lb/>
Befehlshaber ohne Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit, aber ein Soldat von<lb/>
Ehre. Als er das Gelingen des Sturmes &#x017F;ah, wollte er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0242] ſchickte hernach, als die Gefahr drohender ward, die Men- ſchenmaſſe ſich häufte, eine zweite Deputation mit der Bitte, der Gouverneur möge eine Abtheilung Bürgermiliz aufnehmen, um gemeinſam mit der Garniſon Beſatzungs- dienſte zu thun. Aber es war nicht mehr möglich bis zur Baſtille durchzudringen. Dennoch verſuchte man es vom Stadthauſe aus mit einer dritten Deputation. Dieſe ſoll, einen Tambour und eine Fahne voran, ſich Platz ſchaffen, das Volk vom Schießen abhalten; aber ſie kann nicht allenthalben ſeyn, hier läßt man ſich ſagen, dort aber feuert man luſtig fort aus Flinten gegen Mauern, von welchen die Kugeln abprallen. Endlich erwiedert der Gou- verneur das Feuer, und Einige aus der Menge fallen. Schon aber kommen Kanonen herbei, es bilden ſich zwei Sturmhaufen. Dreihundert von jenen franzöſiſchen Gar- den, einer, Elie, früher Sergent in einem anderen Re- giment, führt ſie an; der zweite Haufe beſteht aus Hand- werkern, ein Uhrmachergeſelle aus Genf, Hullin, iſt der Führer. So kam Ordnung in den Angriff, der mit wun- derbarer Kühnheit geſchieht. Ein glücklicher Schuß ſprengt die Ketten der erſten Zugbrücke; ſie fällt. So kamen die Stürmer in den erſten Hof, ſtellten hier ihre Kanonen auf. Ihre Zahl war ſehr geſchmolzen; ſie hatten mehr als 80 Mann an Todten, eben ſo Viele an Verwundeten verloren, aber nichts von ihrem Muthe. Launay war ein Befehlshaber ohne Entſchloſſenheit, aber ein Soldat von Ehre. Als er das Gelingen des Sturmes ſah, wollte er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/242
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/242>, abgerufen am 03.05.2024.