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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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brütete über seinen Finanzverlegenheiten, und wiewohl er
aus den frechen Blicken der Hofleute und gelegentlichen
Schmähreden des Grafen von Artois, aus den geheimen
Besprechungen, von welchen man ihn ausschloß, deutlich
abnahm daß er übel angeschrieben sey, ließ er Alles sei-
nen Weg gehen; den König aber hatte man glauben ma-
chen, das wären nothwendige Vorsichtsmaßregeln, und
so schwer das Geld aufzutreiben war, so sehr die Theu-
rung durch die Anhäufung der Truppen vermehrt ward,
er ließ es geschehen. Von gescheiterten Entwürfen, die
verderblich gewirkt haben, spricht hinterher niemand gern,
allein es steht außer Zweifel, daß damals von einem neuen
Ministerium, von Auflösung oder Verlegung der Stände-
versammlung, von Verhaftung ihrer gefährlichsten Mit-
glieder die Rede war und daß die Königin, von Natur
beherzt und durch die Vorgänge der letzten Wochen im
tiefsten Innern verletzt, mit dem Grafen von Artois an
der Spitze stand. Mit Breteuil, der auf seinem Landgute
lebte, ward ununterbrochen correspondirt. Von dem Kö-
nige wußte man, er sey zu Allem zu bewegen, nur nicht
das Blut seines Volks zu vergießen; wenn es aber in
Versailles oder in der Hauptstadt zu irgend einem Aus-
bruche kam, mußten die Ereignisse seinen Willen fort-
reißen und man glaubte wie auf die Treue, so auch auf
die Einsicht des erfahrnen Herzogs von Broglie in der
Stunde der Gefahr bauen zu können.

Der Inhalt dieser unseligen Entwürfe ward nicht ganz

brütete über ſeinen Finanzverlegenheiten, und wiewohl er
aus den frechen Blicken der Hofleute und gelegentlichen
Schmähreden des Grafen von Artois, aus den geheimen
Beſprechungen, von welchen man ihn ausſchloß, deutlich
abnahm daß er übel angeſchrieben ſey, ließ er Alles ſei-
nen Weg gehen; den König aber hatte man glauben ma-
chen, das wären nothwendige Vorſichtsmaßregeln, und
ſo ſchwer das Geld aufzutreiben war, ſo ſehr die Theu-
rung durch die Anhäufung der Truppen vermehrt ward,
er ließ es geſchehen. Von geſcheiterten Entwürfen, die
verderblich gewirkt haben, ſpricht hinterher niemand gern,
allein es ſteht außer Zweifel, daß damals von einem neuen
Miniſterium, von Auflöſung oder Verlegung der Stände-
verſammlung, von Verhaftung ihrer gefährlichſten Mit-
glieder die Rede war und daß die Königin, von Natur
beherzt und durch die Vorgänge der letzten Wochen im
tiefſten Innern verletzt, mit dem Grafen von Artois an
der Spitze ſtand. Mit Breteuil, der auf ſeinem Landgute
lebte, ward ununterbrochen correſpondirt. Von dem Kö-
nige wußte man, er ſey zu Allem zu bewegen, nur nicht
das Blut ſeines Volks zu vergießen; wenn es aber in
Verſailles oder in der Hauptſtadt zu irgend einem Aus-
bruche kam, mußten die Ereigniſſe ſeinen Willen fort-
reißen und man glaubte wie auf die Treue, ſo auch auf
die Einſicht des erfahrnen Herzogs von Broglie in der
Stunde der Gefahr bauen zu können.

Der Inhalt dieſer unſeligen Entwürfe ward nicht ganz

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[221/0231] brütete über ſeinen Finanzverlegenheiten, und wiewohl er aus den frechen Blicken der Hofleute und gelegentlichen Schmähreden des Grafen von Artois, aus den geheimen Beſprechungen, von welchen man ihn ausſchloß, deutlich abnahm daß er übel angeſchrieben ſey, ließ er Alles ſei- nen Weg gehen; den König aber hatte man glauben ma- chen, das wären nothwendige Vorſichtsmaßregeln, und ſo ſchwer das Geld aufzutreiben war, ſo ſehr die Theu- rung durch die Anhäufung der Truppen vermehrt ward, er ließ es geſchehen. Von geſcheiterten Entwürfen, die verderblich gewirkt haben, ſpricht hinterher niemand gern, allein es ſteht außer Zweifel, daß damals von einem neuen Miniſterium, von Auflöſung oder Verlegung der Stände- verſammlung, von Verhaftung ihrer gefährlichſten Mit- glieder die Rede war und daß die Königin, von Natur beherzt und durch die Vorgänge der letzten Wochen im tiefſten Innern verletzt, mit dem Grafen von Artois an der Spitze ſtand. Mit Breteuil, der auf ſeinem Landgute lebte, ward ununterbrochen correſpondirt. Von dem Kö- nige wußte man, er ſey zu Allem zu bewegen, nur nicht das Blut ſeines Volks zu vergießen; wenn es aber in Verſailles oder in der Hauptſtadt zu irgend einem Aus- bruche kam, mußten die Ereigniſſe ſeinen Willen fort- reißen und man glaubte wie auf die Treue, ſo auch auf die Einſicht des erfahrnen Herzogs von Broglie in der Stunde der Gefahr bauen zu können. Der Inhalt dieſer unſeligen Entwürfe ward nicht ganz

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/231>, abgerufen am 24.11.2024.