Ludwig trübe und tonlos: "Nun wohlan, wenn die Her- ren vom dritten Stande ihren Saal nicht verlassen wollen, so bleibt nichts übrig als sie darin zu lassen." Diese Ant- wort war, als Geständniß einer Niederlage schwach, sonst aber den Umständen angemessen. Der König hätte die Ge- meinen leicht durch eines seiner Regimenter, die er in den letzten Wochen nach Versailles gezogen, vertreiben, ver- wunden und einkerkern lassen können, er aber hätte Frank- reich nimmermehr verhindert sie zu rächen. Es wäre das Signal zum Bürgerkriege gewesen.
Aber den dritten Stand umgab, als er endlich aus dem Saale trat, eine jauchzende Volksmenge, welche ihn nur verließ, um mit vielen Drohungen gegen die anderen Stände die Amtswohnung Neckers, die in einem Flügel des königlichen Schlosses war, aufzusuchen, damit sich's offenbare, ob denn die Nachricht wahr sey, daß dieser Volksfreund abdanke. Necker beruhigte die Tausende, die seiner harrten, persönlich. Er hatte so eben den dringen- den Bitten des Königspaares nachgegeben, sein Bleiben zugesagt, der König hatte ihm sein Bedauern ausgespro- chen, verkehrten Rathgebern sein Ohr geliehen zu haben. Necker wandte sein Bemühen dahin, den Monarchen mit einer Demüthigung auszusöhnen, welche jetzt eben so un- abwendbar war, als ein Paar Monate früher mit gerin- ger Voraussicht leicht vermeidlich. Aber Neckers Freude an der Volksgunst ließ keine Selbstanklage bei ihm auf- kommen.
Ludwig trübe und tonlos: „Nun wohlan, wenn die Her- ren vom dritten Stande ihren Saal nicht verlaſſen wollen, ſo bleibt nichts übrig als ſie darin zu laſſen.“ Dieſe Ant- wort war, als Geſtändniß einer Niederlage ſchwach, ſonſt aber den Umſtänden angemeſſen. Der König hätte die Ge- meinen leicht durch eines ſeiner Regimenter, die er in den letzten Wochen nach Verſailles gezogen, vertreiben, ver- wunden und einkerkern laſſen können, er aber hätte Frank- reich nimmermehr verhindert ſie zu rächen. Es wäre das Signal zum Bürgerkriege geweſen.
Aber den dritten Stand umgab, als er endlich aus dem Saale trat, eine jauchzende Volksmenge, welche ihn nur verließ, um mit vielen Drohungen gegen die anderen Stände die Amtswohnung Neckers, die in einem Flügel des königlichen Schloſſes war, aufzuſuchen, damit ſich’s offenbare, ob denn die Nachricht wahr ſey, daß dieſer Volksfreund abdanke. Necker beruhigte die Tauſende, die ſeiner harrten, perſönlich. Er hatte ſo eben den dringen- den Bitten des Königspaares nachgegeben, ſein Bleiben zugeſagt, der König hatte ihm ſein Bedauern ausgeſpro- chen, verkehrten Rathgebern ſein Ohr geliehen zu haben. Necker wandte ſein Bemühen dahin, den Monarchen mit einer Demüthigung auszuſöhnen, welche jetzt eben ſo un- abwendbar war, als ein Paar Monate früher mit gerin- ger Vorausſicht leicht vermeidlich. Aber Neckers Freude an der Volksgunſt ließ keine Selbſtanklage bei ihm auf- kommen.
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Ludwig trübe und tonlos: „Nun wohlan, wenn die Her-
ren vom dritten Stande ihren Saal nicht verlaſſen wollen,
ſo bleibt nichts übrig als ſie darin zu laſſen.“ Dieſe Ant-
wort war, als Geſtändniß einer Niederlage ſchwach, ſonſt
aber den Umſtänden angemeſſen. Der König hätte die Ge-
meinen leicht durch eines ſeiner Regimenter, die er in den
letzten Wochen nach Verſailles gezogen, vertreiben, ver-
wunden und einkerkern laſſen können, er aber hätte Frank-
reich nimmermehr verhindert ſie zu rächen. Es wäre das
Signal zum Bürgerkriege geweſen.
Aber den dritten Stand umgab, als er endlich aus
dem Saale trat, eine jauchzende Volksmenge, welche ihn
nur verließ, um mit vielen Drohungen gegen die anderen
Stände die Amtswohnung Neckers, die in einem Flügel
des königlichen Schloſſes war, aufzuſuchen, damit ſich’s
offenbare, ob denn die Nachricht wahr ſey, daß dieſer
Volksfreund abdanke. Necker beruhigte die Tauſende, die
ſeiner harrten, perſönlich. Er hatte ſo eben den dringen-
den Bitten des Königspaares nachgegeben, ſein Bleiben
zugeſagt, der König hatte ihm ſein Bedauern ausgeſpro-
chen, verkehrten Rathgebern ſein Ohr geliehen zu haben.
Necker wandte ſein Bemühen dahin, den Monarchen mit
einer Demüthigung auszuſöhnen, welche jetzt eben ſo un-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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