Standes zur Nationalversammlung. Gegen die Motive dieses Beschlusses, von Sieyes aufgestellt, ließ sich von seinem Standpuncte aus nichts einwenden. "Diese Ver- sammlung repräsentirt achtundneunzig Hundertstel der Be- völkerung. Eine solche Mehrzahl darf nicht unthätig blei- ben, weil eine solche Minderzahl sich weigert. Diese Minderzahl darf kein Veto länger üben. Die National- versammlung ist verpflichtet ohne Aufschub an der Wieder- herstellung des öffentlichen Wohles zu arbeiten, allein sie wird stets mit entgegenkommender Wärme jene Minder- zahl empfangen, ihre Vollmachten einsehen und sie zulas- sen." Sieyes besaß keine rednerische Gaben, sprach lieber durch Andere als selbst, ward wenn man ihm widersprach, leicht ärgerlich, auch mochte er die Ungunst scheuen, welche sich immer gegen überwiegenden Einfluß waffnet. So kam es an demselben Tage durch einen fremden Mund, der sich ihm lieh, zu dem weit reichenden Beschlusse daß sämmtliche bisherige Steuern bis zum Tage der Auflö- sung der Nationalversammlung entrichtet werden sollen, aber länger nicht. Die Nationalversammlung hatte hie- mit ihre Bereitwilligkeit erklärt die Regierung des franzö- sischen Staates anzutreten. Sie schickte ihre Beschlüsse in die Provinzen.
Das Glück war mit der Kühnheit. Nur zwei Tage darauf beschloß die geistliche Kammer mit einer MehrheitJuni 19. von 149 Stimmen gegen 115 die gemeinsame Prüfung der Vollmachten, jedoch unter Vorbehalt des Unterschiedes
Standes zur Nationalverſammlung. Gegen die Motive dieſes Beſchluſſes, von Sieyes aufgeſtellt, ließ ſich von ſeinem Standpuncte aus nichts einwenden. „Dieſe Ver- ſammlung repräſentirt achtundneunzig Hundertſtel der Be- völkerung. Eine ſolche Mehrzahl darf nicht unthätig blei- ben, weil eine ſolche Minderzahl ſich weigert. Dieſe Minderzahl darf kein Veto länger üben. Die National- verſammlung iſt verpflichtet ohne Aufſchub an der Wieder- herſtellung des öffentlichen Wohles zu arbeiten, allein ſie wird ſtets mit entgegenkommender Wärme jene Minder- zahl empfangen, ihre Vollmachten einſehen und ſie zulaſ- ſen.“ Sieyes beſaß keine redneriſche Gaben, ſprach lieber durch Andere als ſelbſt, ward wenn man ihm widerſprach, leicht ärgerlich, auch mochte er die Ungunſt ſcheuen, welche ſich immer gegen überwiegenden Einfluß waffnet. So kam es an demſelben Tage durch einen fremden Mund, der ſich ihm lieh, zu dem weit reichenden Beſchluſſe daß ſämmtliche bisherige Steuern bis zum Tage der Auflö- ſung der Nationalverſammlung entrichtet werden ſollen, aber länger nicht. Die Nationalverſammlung hatte hie- mit ihre Bereitwilligkeit erklärt die Regierung des franzö- ſiſchen Staates anzutreten. Sie ſchickte ihre Beſchlüſſe in die Provinzen.
Das Glück war mit der Kühnheit. Nur zwei Tage darauf beſchloß die geiſtliche Kammer mit einer MehrheitJuni 19. von 149 Stimmen gegen 115 die gemeinſame Prüfung der Vollmachten, jedoch unter Vorbehalt des Unterſchiedes
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Standes zur Nationalverſammlung. Gegen die Motive
dieſes Beſchluſſes, von Sieyes aufgeſtellt, ließ ſich von
ſeinem Standpuncte aus nichts einwenden. „Dieſe Ver-
ſammlung repräſentirt achtundneunzig Hundertſtel der Be-
völkerung. Eine ſolche Mehrzahl darf nicht unthätig blei-
ben, weil eine ſolche Minderzahl ſich weigert. Dieſe
Minderzahl darf kein Veto länger üben. Die National-
verſammlung iſt verpflichtet ohne Aufſchub an der Wieder-
herſtellung des öffentlichen Wohles zu arbeiten, allein ſie
wird ſtets mit entgegenkommender Wärme jene Minder-
zahl empfangen, ihre Vollmachten einſehen und ſie zulaſ-
ſen.“ Sieyes beſaß keine redneriſche Gaben, ſprach lieber
durch Andere als ſelbſt, ward wenn man ihm widerſprach,
leicht ärgerlich, auch mochte er die Ungunſt ſcheuen, welche
ſich immer gegen überwiegenden Einfluß waffnet. So kam
es an demſelben Tage durch einen fremden Mund, der
ſich ihm lieh, zu dem weit reichenden Beſchluſſe daß
ſämmtliche bisherige Steuern bis zum Tage der Auflö-
ſung der Nationalverſammlung entrichtet werden ſollen,
aber länger nicht. Die Nationalverſammlung hatte hie-
mit ihre Bereitwilligkeit erklärt die Regierung des franzö-
ſiſchen Staates anzutreten. Sie ſchickte ihre Beſchlüſſe in
die Provinzen.
Das Glück war mit der Kühnheit. Nur zwei Tage
darauf beſchloß die geiſtliche Kammer mit einer Mehrheit
von 149 Stimmen gegen 115 die gemeinſame Prüfung
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Juni 19.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/215>, abgerufen am 22.11.2024.
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