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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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war der Art nichts verfügt, Alles stillschweigend den Ge-
neralständen, wie sie sich einigen würden, überlassen, und
eben hieran knüpften, im Stillen einverstanden, die Leiter
des dritten Standes ihren Feldzugsplan an. "Wie ist es
doch", sprach man, "daß die Geistlichkeit und der Adel nicht
in den Ständesaal kommen?" denn so nannte man jetzt die-
sen großen Saal. "Wir sind außer Stand ein gültiges
Geschäft vorzunehmen, ehe unsere Vollmachten in Gegen-
wart der drei Stände untersucht und richtig befunden sind,
und Adel und Geistlichkeit befinden sich im gleichen Falle.
Wir müssen jeden Anschein vermeiden, als hielten wir uns
für constituirt, ehe das geschehen, ein Ältester mag bei
uns Vorsitzer seyn, wir besprechen uns als Einzelne,
warum nicht? aber kein Protocoll darf geführt, kein
Staatsgeschäft vorgenommen werden". Die Schwierigkeit
bestand darin, zugleich Etwas und Nichts zu seyn; man
kam überein in der Eigenschaft von muthmaßlichen Abge-
ordneten mit Geistlichkeit und Adel in Verbindung zu tre-
ten, sie durch einzelne Mitglieder um ihr Erscheinen er-
suchen zu lassen. Allein der Adel beschloß rasch mit großer
Mehrheit die Prüfung für sich vorzunehmen, ebenso, doch
zögernder und mit geringer Mehrheit die Geistlichkeit.
Dadurch aber war die Verwickelung nur vergrößert. Denn
Geistlichkeit und Adel galten bei dem dritten Stande weder
für constituirt, noch konnten sie sich als Generalstaaten
geltend machen, so lange der dritte Stand auf seiner
schlauen Trägheit beharrte. So ließ man sich denn zu

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war der Art nichts verfügt, Alles ſtillſchweigend den Ge-
neralſtänden, wie ſie ſich einigen würden, überlaſſen, und
eben hieran knüpften, im Stillen einverſtanden, die Leiter
des dritten Standes ihren Feldzugsplan an. „Wie iſt es
doch“, ſprach man, „daß die Geiſtlichkeit und der Adel nicht
in den Ständeſaal kommen?“ denn ſo nannte man jetzt die-
ſen großen Saal. „Wir ſind außer Stand ein gültiges
Geſchäft vorzunehmen, ehe unſere Vollmachten in Gegen-
wart der drei Stände unterſucht und richtig befunden ſind,
und Adel und Geiſtlichkeit befinden ſich im gleichen Falle.
Wir müſſen jeden Anſchein vermeiden, als hielten wir uns
für conſtituirt, ehe das geſchehen, ein Älteſter mag bei
uns Vorſitzer ſeyn, wir beſprechen uns als Einzelne,
warum nicht? aber kein Protocoll darf geführt, kein
Staatsgeſchäft vorgenommen werden“. Die Schwierigkeit
beſtand darin, zugleich Etwas und Nichts zu ſeyn; man
kam überein in der Eigenſchaft von muthmaßlichen Abge-
ordneten mit Geiſtlichkeit und Adel in Verbindung zu tre-
ten, ſie durch einzelne Mitglieder um ihr Erſcheinen er-
ſuchen zu laſſen. Allein der Adel beſchloß raſch mit großer
Mehrheit die Prüfung für ſich vorzunehmen, ebenſo, doch
zögernder und mit geringer Mehrheit die Geiſtlichkeit.
Dadurch aber war die Verwickelung nur vergrößert. Denn
Geiſtlichkeit und Adel galten bei dem dritten Stande weder
für conſtituirt, noch konnten ſie ſich als Generalſtaaten
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[195/0205] war der Art nichts verfügt, Alles ſtillſchweigend den Ge- neralſtänden, wie ſie ſich einigen würden, überlaſſen, und eben hieran knüpften, im Stillen einverſtanden, die Leiter des dritten Standes ihren Feldzugsplan an. „Wie iſt es doch“, ſprach man, „daß die Geiſtlichkeit und der Adel nicht in den Ständeſaal kommen?“ denn ſo nannte man jetzt die- ſen großen Saal. „Wir ſind außer Stand ein gültiges Geſchäft vorzunehmen, ehe unſere Vollmachten in Gegen- wart der drei Stände unterſucht und richtig befunden ſind, und Adel und Geiſtlichkeit befinden ſich im gleichen Falle. Wir müſſen jeden Anſchein vermeiden, als hielten wir uns für conſtituirt, ehe das geſchehen, ein Älteſter mag bei uns Vorſitzer ſeyn, wir beſprechen uns als Einzelne, warum nicht? aber kein Protocoll darf geführt, kein Staatsgeſchäft vorgenommen werden“. Die Schwierigkeit beſtand darin, zugleich Etwas und Nichts zu ſeyn; man kam überein in der Eigenſchaft von muthmaßlichen Abge- ordneten mit Geiſtlichkeit und Adel in Verbindung zu tre- ten, ſie durch einzelne Mitglieder um ihr Erſcheinen er- ſuchen zu laſſen. Allein der Adel beſchloß raſch mit großer Mehrheit die Prüfung für ſich vorzunehmen, ebenſo, doch zögernder und mit geringer Mehrheit die Geiſtlichkeit. Dadurch aber war die Verwickelung nur vergrößert. Denn Geiſtlichkeit und Adel galten bei dem dritten Stande weder für conſtituirt, noch konnten ſie ſich als Generalſtaaten geltend machen, ſo lange der dritte Stand auf ſeiner ſchlauen Trägheit beharrte. So ließ man ſich denn zu 13*

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/205>, abgerufen am 24.11.2024.