Steuerfreiheit, jeder Stand für sich, zu beschließen, dann weiter durch Commissarien über die Form der Verhand- lung zu berathen. Welch eine Regierungsweisheit ist aber das, die über solch einen Gegenstand erst eine Meinung sammeln will? Neckers Andeutung geht, gleich der Baren- tins, dahin, die Berathung in zwei oder drei Kammern werde dem Neuerungsgeiste entgegenwirken, in gewissen Fällen dagegen scheine gemeinschaftliche Berathung in ei- ner Kammer die Schnelligkeit und Eintracht der Beschlüsse sicher zu stellen. Eine leere Rednerei Neckers, welche nie- manden täuschte, ist seine Ausführung, für die Ordnung der Finanzen habe es der Reichsstände nicht bedurft, ihre Berufung sey ein freies Geschenk königlicher Weisheit und Huld. Der König erfüllte als ehrlicher Mann seine Zu- sage, allein er that es ungern, that es mit Sorge, konnte nicht anders.
Mirabeau hatte auf eigene Hand ein politisches Ta- gesblatt begonnen (Journal des Etats generaux), immer noch in der kühnen Voraussetzung, alle Censur habe auf- gehört. Hier erschien gleich den nächsten Tag eine scharfe Kritik der Rede Neckers, die Behauptung ward aufgestellt, die Etats-generaux hätten in ungetrennter Versammlung über die Frage zu entscheiden, ob sie fortfahren wollten beisammen zu seyn oder nicht. Aber das Blatt ward unter- drückt und seine Fortsetzung verboten. Nichts desto weni- ger ging es unter verändertem Titel fort, Mirabeau be- klagte sich öffentlich in einem Briefe an seine Wähler über
Französische Revolution. 13
Steuerfreiheit, jeder Stand für ſich, zu beſchließen, dann weiter durch Commiſſarien über die Form der Verhand- lung zu berathen. Welch eine Regierungsweisheit iſt aber das, die über ſolch einen Gegenſtand erſt eine Meinung ſammeln will? Neckers Andeutung geht, gleich der Baren- tins, dahin, die Berathung in zwei oder drei Kammern werde dem Neuerungsgeiſte entgegenwirken, in gewiſſen Fällen dagegen ſcheine gemeinſchaftliche Berathung in ei- ner Kammer die Schnelligkeit und Eintracht der Beſchlüſſe ſicher zu ſtellen. Eine leere Rednerei Neckers, welche nie- manden täuſchte, iſt ſeine Ausführung, für die Ordnung der Finanzen habe es der Reichsſtände nicht bedurft, ihre Berufung ſey ein freies Geſchenk königlicher Weisheit und Huld. Der König erfüllte als ehrlicher Mann ſeine Zu- ſage, allein er that es ungern, that es mit Sorge, konnte nicht anders.
Mirabeau hatte auf eigene Hand ein politiſches Ta- gesblatt begonnen (Journal des Etats généraux), immer noch in der kühnen Vorausſetzung, alle Cenſur habe auf- gehört. Hier erſchien gleich den nächſten Tag eine ſcharfe Kritik der Rede Neckers, die Behauptung ward aufgeſtellt, die Etats-généraux hätten in ungetrennter Verſammlung über die Frage zu entſcheiden, ob ſie fortfahren wollten beiſammen zu ſeyn oder nicht. Aber das Blatt ward unter- drückt und ſeine Fortſetzung verboten. Nichts deſto weni- ger ging es unter verändertem Titel fort, Mirabeau be- klagte ſich öffentlich in einem Briefe an ſeine Wähler über
Franzöſiſche Revolution. 13
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="193"/>
Steuerfreiheit, jeder Stand für ſich, zu beſchließen, dann<lb/>
weiter durch Commiſſarien über die Form der Verhand-<lb/>
lung zu berathen. Welch eine Regierungsweisheit iſt aber<lb/>
das, die über ſolch einen Gegenſtand erſt eine Meinung<lb/>ſammeln will? Neckers Andeutung geht, gleich der Baren-<lb/>
tins, dahin, die Berathung in zwei oder drei Kammern<lb/>
werde dem Neuerungsgeiſte entgegenwirken, in gewiſſen<lb/>
Fällen dagegen ſcheine gemeinſchaftliche Berathung in <hirendition="#g">ei-<lb/>
ner</hi> Kammer die Schnelligkeit und Eintracht der Beſchlüſſe<lb/>ſicher zu ſtellen. Eine leere Rednerei Neckers, welche nie-<lb/>
manden täuſchte, iſt ſeine Ausführung, für die Ordnung<lb/>
der Finanzen habe es der Reichsſtände nicht bedurft, ihre<lb/>
Berufung ſey ein freies Geſchenk königlicher Weisheit und<lb/>
Huld. Der König erfüllte als ehrlicher Mann ſeine Zu-<lb/>ſage, allein er that es ungern, that es mit Sorge, konnte<lb/>
nicht anders.</p><lb/><p>Mirabeau hatte auf eigene Hand ein politiſches Ta-<lb/>
gesblatt begonnen (<hirendition="#aq">Journal des Etats généraux</hi>), immer<lb/>
noch in der kühnen Vorausſetzung, alle Cenſur habe auf-<lb/>
gehört. Hier erſchien gleich den nächſten Tag eine ſcharfe<lb/>
Kritik der Rede Neckers, die Behauptung ward aufgeſtellt,<lb/>
die Etats-généraux hätten in ungetrennter Verſammlung<lb/>
über die Frage zu entſcheiden, ob ſie fortfahren wollten<lb/>
beiſammen zu ſeyn oder nicht. Aber das Blatt ward unter-<lb/>
drückt und ſeine Fortſetzung verboten. Nichts deſto weni-<lb/>
ger ging es unter verändertem Titel fort, Mirabeau be-<lb/>
klagte ſich öffentlich in einem Briefe an ſeine Wähler über<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Franzöſiſche Revolution. 13</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[193/0203]
Steuerfreiheit, jeder Stand für ſich, zu beſchließen, dann
weiter durch Commiſſarien über die Form der Verhand-
lung zu berathen. Welch eine Regierungsweisheit iſt aber
das, die über ſolch einen Gegenſtand erſt eine Meinung
ſammeln will? Neckers Andeutung geht, gleich der Baren-
tins, dahin, die Berathung in zwei oder drei Kammern
werde dem Neuerungsgeiſte entgegenwirken, in gewiſſen
Fällen dagegen ſcheine gemeinſchaftliche Berathung in ei-
ner Kammer die Schnelligkeit und Eintracht der Beſchlüſſe
ſicher zu ſtellen. Eine leere Rednerei Neckers, welche nie-
manden täuſchte, iſt ſeine Ausführung, für die Ordnung
der Finanzen habe es der Reichsſtände nicht bedurft, ihre
Berufung ſey ein freies Geſchenk königlicher Weisheit und
Huld. Der König erfüllte als ehrlicher Mann ſeine Zu-
ſage, allein er that es ungern, that es mit Sorge, konnte
nicht anders.
Mirabeau hatte auf eigene Hand ein politiſches Ta-
gesblatt begonnen (Journal des Etats généraux), immer
noch in der kühnen Vorausſetzung, alle Cenſur habe auf-
gehört. Hier erſchien gleich den nächſten Tag eine ſcharfe
Kritik der Rede Neckers, die Behauptung ward aufgeſtellt,
die Etats-généraux hätten in ungetrennter Verſammlung
über die Frage zu entſcheiden, ob ſie fortfahren wollten
beiſammen zu ſeyn oder nicht. Aber das Blatt ward unter-
drückt und ſeine Fortſetzung verboten. Nichts deſto weni-
ger ging es unter verändertem Titel fort, Mirabeau be-
klagte ſich öffentlich in einem Briefe an ſeine Wähler über
Franzöſiſche Revolution. 13
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/203>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.