stehliche Werth solcher höheren Naturen den seichten Ver- ketzerungstrieb nach beiden Seiten zu Boden wirft. Was diese deutschen Männer, nicht ohne heißen Kampf zwar, aber ohne Verbitterung ihres lichten Inneren überwanden, die Hindernisse, welche dumpfer Glaubenseifer einer edeln Geistesbildung entgegensetzt, an diesen Klippen scheiterten jene starken Geister Frankreichs, und es schlug hier die verwandte Richtung in den Witz des Grimmes und eine giftige Leichtfertigkeit um, weil sie keinen erlaubten Boden fand. Das Werk von Montesquieu erlebte im ersten Jahre seines Erscheinens zwölf Auflagen und keine einzige von diesen durfte Frankreich angehören. Was geistreich war, war auch umwälzend, durfte in der Heimat nicht erschei- nen, allein je ärger man es trieb, um so größer die Ge- wißheit überall im Vaterlande gelesen zu werden. Vol- taire und Diderot, nicht zufrieden mit der Bekämpfung des Klerus, kündigten dem Christenthum Krieg an und schnit- ten sich hiemit selber einen tiefsinnigeren Bildungsgang und den beruhigten Blick auf die Entwickelung des Men- schengeschlechtes ab. Und keine Frage mehr, der Blitz, der aus immer schwerer überhängendem Gewölk Frankreichs Thron bedrohte, mußte zugleich seinen Kirchenstaat treffen. Denn die Schriften dieser Männer drangen überall ein, nicht bloß in die höheren und mittleren Lagen der Gesell- schaft, auch die höchsten Personen schwelgten in dem Reize dieser verbotenen Ideen. Während König Ludwig XV. jede Entwürdigung des Lebens erschöpfte, ging es in einem
ſtehliche Werth ſolcher höheren Naturen den ſeichten Ver- ketzerungstrieb nach beiden Seiten zu Boden wirft. Was dieſe deutſchen Männer, nicht ohne heißen Kampf zwar, aber ohne Verbitterung ihres lichten Inneren überwanden, die Hinderniſſe, welche dumpfer Glaubenseifer einer edeln Geiſtesbildung entgegenſetzt, an dieſen Klippen ſcheiterten jene ſtarken Geiſter Frankreichs, und es ſchlug hier die verwandte Richtung in den Witz des Grimmes und eine giftige Leichtfertigkeit um, weil ſie keinen erlaubten Boden fand. Das Werk von Montesquieu erlebte im erſten Jahre ſeines Erſcheinens zwölf Auflagen und keine einzige von dieſen durfte Frankreich angehören. Was geiſtreich war, war auch umwälzend, durfte in der Heimat nicht erſchei- nen, allein je ärger man es trieb, um ſo größer die Ge- wißheit überall im Vaterlande geleſen zu werden. Vol- taire und Diderot, nicht zufrieden mit der Bekämpfung des Klerus, kündigten dem Chriſtenthum Krieg an und ſchnit- ten ſich hiemit ſelber einen tiefſinnigeren Bildungsgang und den beruhigten Blick auf die Entwickelung des Men- ſchengeſchlechtes ab. Und keine Frage mehr, der Blitz, der aus immer ſchwerer überhängendem Gewölk Frankreichs Thron bedrohte, mußte zugleich ſeinen Kirchenſtaat treffen. Denn die Schriften dieſer Männer drangen überall ein, nicht bloß in die höheren und mittleren Lagen der Geſell- ſchaft, auch die höchſten Perſonen ſchwelgten in dem Reize dieſer verbotenen Ideen. Während König Ludwig XV. jede Entwürdigung des Lebens erſchöpfte, ging es in einem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0020"n="10"/>ſtehliche Werth ſolcher höheren Naturen den ſeichten Ver-<lb/>
ketzerungstrieb nach beiden Seiten zu Boden wirft. Was<lb/>
dieſe deutſchen Männer, nicht ohne heißen Kampf zwar,<lb/>
aber ohne Verbitterung ihres lichten Inneren überwanden,<lb/>
die Hinderniſſe, welche dumpfer Glaubenseifer einer edeln<lb/>
Geiſtesbildung entgegenſetzt, an dieſen Klippen ſcheiterten<lb/>
jene ſtarken Geiſter Frankreichs, und es ſchlug hier die<lb/>
verwandte Richtung in den Witz des Grimmes und eine<lb/>
giftige Leichtfertigkeit um, weil ſie keinen erlaubten Boden<lb/>
fand. Das Werk von Montesquieu erlebte im erſten Jahre<lb/>ſeines Erſcheinens zwölf Auflagen und keine einzige von<lb/>
dieſen durfte Frankreich angehören. Was geiſtreich war,<lb/>
war auch umwälzend, durfte in der Heimat nicht erſchei-<lb/>
nen, allein je ärger man es trieb, um ſo größer die Ge-<lb/>
wißheit überall im Vaterlande geleſen zu werden. Vol-<lb/>
taire und Diderot, nicht zufrieden mit der Bekämpfung des<lb/>
Klerus, kündigten dem Chriſtenthum Krieg an und ſchnit-<lb/>
ten ſich hiemit ſelber einen tiefſinnigeren Bildungsgang<lb/>
und den beruhigten Blick auf die Entwickelung des Men-<lb/>ſchengeſchlechtes ab. Und keine Frage mehr, der Blitz, der<lb/>
aus immer ſchwerer überhängendem Gewölk Frankreichs<lb/>
Thron bedrohte, mußte zugleich ſeinen Kirchenſtaat treffen.<lb/>
Denn die Schriften dieſer Männer drangen überall ein,<lb/>
nicht bloß in die höheren und mittleren Lagen der Geſell-<lb/>ſchaft, auch die höchſten Perſonen ſchwelgten in dem Reize<lb/>
dieſer verbotenen Ideen. Während König Ludwig <hirendition="#aq">XV.</hi><lb/>
jede Entwürdigung des Lebens erſchöpfte, ging es in einem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[10/0020]
ſtehliche Werth ſolcher höheren Naturen den ſeichten Ver-
ketzerungstrieb nach beiden Seiten zu Boden wirft. Was
dieſe deutſchen Männer, nicht ohne heißen Kampf zwar,
aber ohne Verbitterung ihres lichten Inneren überwanden,
die Hinderniſſe, welche dumpfer Glaubenseifer einer edeln
Geiſtesbildung entgegenſetzt, an dieſen Klippen ſcheiterten
jene ſtarken Geiſter Frankreichs, und es ſchlug hier die
verwandte Richtung in den Witz des Grimmes und eine
giftige Leichtfertigkeit um, weil ſie keinen erlaubten Boden
fand. Das Werk von Montesquieu erlebte im erſten Jahre
ſeines Erſcheinens zwölf Auflagen und keine einzige von
dieſen durfte Frankreich angehören. Was geiſtreich war,
war auch umwälzend, durfte in der Heimat nicht erſchei-
nen, allein je ärger man es trieb, um ſo größer die Ge-
wißheit überall im Vaterlande geleſen zu werden. Vol-
taire und Diderot, nicht zufrieden mit der Bekämpfung des
Klerus, kündigten dem Chriſtenthum Krieg an und ſchnit-
ten ſich hiemit ſelber einen tiefſinnigeren Bildungsgang
und den beruhigten Blick auf die Entwickelung des Men-
ſchengeſchlechtes ab. Und keine Frage mehr, der Blitz, der
aus immer ſchwerer überhängendem Gewölk Frankreichs
Thron bedrohte, mußte zugleich ſeinen Kirchenſtaat treffen.
Denn die Schriften dieſer Männer drangen überall ein,
nicht bloß in die höheren und mittleren Lagen der Geſell-
ſchaft, auch die höchſten Perſonen ſchwelgten in dem Reize
dieſer verbotenen Ideen. Während König Ludwig XV.
jede Entwürdigung des Lebens erſchöpfte, ging es in einem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/20>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.