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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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hat einen Hauptimpuls zur Revolution abgegeben. In
allen seinen Nöthen war Mirabeau geradezu der Einzige,
der durch allen den Tageslärmen hindurch die stille Bil-
dung einer neuen Geschichte von Frankreich mit des Gei-
stes Augen sah, bevor sie noch in die Erscheinung trat.
Schon am 10ten November 87 schrieb er an ein Mitglied
des Parlaments, die Berufung der Generalstaaten habe
nicht Zeit bis 1792, sie sey unvermeidlich, möge nun
Achilles oder Thersites Minister seyn; er wünschte dem
(unbekannten) Correspondenten Glück zu der belle part
dans la revolution qui constituera la France.
Demselben
schrieb er am 18ten November, man dürfe 120 Millionen
als Provisorium bewilligen, unter der Bedingung daß
die Etats-generaux 1789 versammelt würden, durchaus
aber nicht die ganze Forderung. Nach jener verhängniß-
vollen königlichen Sitzung vom 19ten November schrieb er
an Montmorin, beschwor ihn Muth zu fassen: "Es giebt
Augenblicke wo der Muth Klugheit ist." Die Antwort des
Ministers war eine Aufforderung gegen das Parlament
zu schreiben. Er aber antwortete mit der Beweisführung
daß man das Parlament nur stürzen könne, wenn man
die Nation zur Gehülfin habe. Wenn man freilich dieses
Weges wollte, hätte man den König nicht sollen sagen
lassen daß allein der Wille des Monarchen das Gesetz
macht. "Ich werde nie die Parlamente bekriegen als in
Gegenwart der Nation. -- Sehen wir nicht an der Stelle
der von ihnen usurpirten Rechte eine durch unsere Ein-

hat einen Hauptimpuls zur Revolution abgegeben. In
allen ſeinen Nöthen war Mirabeau geradezu der Einzige,
der durch allen den Tageslärmen hindurch die ſtille Bil-
dung einer neuen Geſchichte von Frankreich mit des Gei-
ſtes Augen ſah, bevor ſie noch in die Erſcheinung trat.
Schon am 10ten November 87 ſchrieb er an ein Mitglied
des Parlaments, die Berufung der Generalſtaaten habe
nicht Zeit bis 1792, ſie ſey unvermeidlich, möge nun
Achilles oder Therſites Miniſter ſeyn; er wünſchte dem
(unbekannten) Correſpondenten Glück zu der belle part
dans la révolution qui constituera la France.
Demſelben
ſchrieb er am 18ten November, man dürfe 120 Millionen
als Proviſorium bewilligen, unter der Bedingung daß
die Etats-généraux 1789 verſammelt würden, durchaus
aber nicht die ganze Forderung. Nach jener verhängniß-
vollen königlichen Sitzung vom 19ten November ſchrieb er
an Montmorin, beſchwor ihn Muth zu faſſen: „Es giebt
Augenblicke wo der Muth Klugheit iſt.“ Die Antwort des
Miniſters war eine Aufforderung gegen das Parlament
zu ſchreiben. Er aber antwortete mit der Beweisführung
daß man das Parlament nur ſtürzen könne, wenn man
die Nation zur Gehülfin habe. Wenn man freilich dieſes
Weges wollte, hätte man den König nicht ſollen ſagen
laſſen daß allein der Wille des Monarchen das Geſetz
macht. „Ich werde nie die Parlamente bekriegen als in
Gegenwart der Nation. — Sehen wir nicht an der Stelle
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[183/0193] hat einen Hauptimpuls zur Revolution abgegeben. In allen ſeinen Nöthen war Mirabeau geradezu der Einzige, der durch allen den Tageslärmen hindurch die ſtille Bil- dung einer neuen Geſchichte von Frankreich mit des Gei- ſtes Augen ſah, bevor ſie noch in die Erſcheinung trat. Schon am 10ten November 87 ſchrieb er an ein Mitglied des Parlaments, die Berufung der Generalſtaaten habe nicht Zeit bis 1792, ſie ſey unvermeidlich, möge nun Achilles oder Therſites Miniſter ſeyn; er wünſchte dem (unbekannten) Correſpondenten Glück zu der belle part dans la révolution qui constituera la France. Demſelben ſchrieb er am 18ten November, man dürfe 120 Millionen als Proviſorium bewilligen, unter der Bedingung daß die Etats-généraux 1789 verſammelt würden, durchaus aber nicht die ganze Forderung. Nach jener verhängniß- vollen königlichen Sitzung vom 19ten November ſchrieb er an Montmorin, beſchwor ihn Muth zu faſſen: „Es giebt Augenblicke wo der Muth Klugheit iſt.“ Die Antwort des Miniſters war eine Aufforderung gegen das Parlament zu ſchreiben. Er aber antwortete mit der Beweisführung daß man das Parlament nur ſtürzen könne, wenn man die Nation zur Gehülfin habe. Wenn man freilich dieſes Weges wollte, hätte man den König nicht ſollen ſagen laſſen daß allein der Wille des Monarchen das Geſetz macht. „Ich werde nie die Parlamente bekriegen als in Gegenwart der Nation. — Sehen wir nicht an der Stelle der von ihnen uſurpirten Rechte eine durch unſere Ein-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/193>, abgerufen am 06.05.2024.