Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Neigung einzugehen; aber ihr Verlobter starb und sie
machte ihrem Leben durch Kohlendampf ein Ende.

Vater und Sohn sehen sich nach neun Jahren wieder.
Da aber der Marquis auch jetzt nicht zu bewegen war ein
festes Jahrgehalt seinem Sohne auszusetzen, machte dieser
sich mehr unabhängig, half sich mit Schuldenmachen und
dem Ertrage zahlreicher literarischer Arbeiten. Er trat mit
Calonne in Verbindung, und schrieb Anfangs im Inter-
esse seiner Finanzplane. Als er aber dessen Unwürdigkeit
erkannte, beschloß er öffentlich mit ihm zu brechen, ging
nach Berlin, um von dort aus seine Blitze zu schleudern.
Hier sah er Friedrich den Großen, ward gern von ihm
1785.empfangen. Die Hand eines Freundes hielt sein Send-
schreiben an Calonne von der Veröffentlichung zurück; es
ist Talleyrand-Perigord. Dieser Mann war Mirabeau's
Leidensgenosse, auch er ein Opfer jener schrankenlosen
Hausmacht in den Familien des hohen Adels. Er ward
in Paris geboren, die Eltern gaben ihn gleich aus dem
Hause in die Vorstadt einer Amme hin. Diese verwahr-
loste das Kind, er that einen Fall, der ihn für sein Leben
lang gebrechlich machte. Nun mußte er, der Erstgeborene
eines alten glänzenden Hauses, in die bescheidene Lauf-
bahn eines Nachgeborenen treten, die weltlichste Seele
wider Willen in den geistlichen Stand. Aber Abteien flos-
sen ihm zu, er ward Generalagent der französischen Geist-
lichkeit, ward als solcher der Verwalter ihres ungeheuren
Vermögens und rüstete in dieser Stellung während des

Neigung einzugehen; aber ihr Verlobter ſtarb und ſie
machte ihrem Leben durch Kohlendampf ein Ende.

Vater und Sohn ſehen ſich nach neun Jahren wieder.
Da aber der Marquis auch jetzt nicht zu bewegen war ein
feſtes Jahrgehalt ſeinem Sohne auszuſetzen, machte dieſer
ſich mehr unabhängig, half ſich mit Schuldenmachen und
dem Ertrage zahlreicher literariſcher Arbeiten. Er trat mit
Calonne in Verbindung, und ſchrieb Anfangs im Inter-
eſſe ſeiner Finanzplane. Als er aber deſſen Unwürdigkeit
erkannte, beſchloß er öffentlich mit ihm zu brechen, ging
nach Berlin, um von dort aus ſeine Blitze zu ſchleudern.
Hier ſah er Friedrich den Großen, ward gern von ihm
1785.empfangen. Die Hand eines Freundes hielt ſein Send-
ſchreiben an Calonne von der Veröffentlichung zurück; es
iſt Talleyrand-Perigord. Dieſer Mann war Mirabeau’s
Leidensgenoſſe, auch er ein Opfer jener ſchrankenloſen
Hausmacht in den Familien des hohen Adels. Er ward
in Paris geboren, die Eltern gaben ihn gleich aus dem
Hauſe in die Vorſtadt einer Amme hin. Dieſe verwahr-
loſte das Kind, er that einen Fall, der ihn für ſein Leben
lang gebrechlich machte. Nun mußte er, der Erſtgeborene
eines alten glänzenden Hauſes, in die beſcheidene Lauf-
bahn eines Nachgeborenen treten, die weltlichſte Seele
wider Willen in den geiſtlichen Stand. Aber Abteien floſ-
ſen ihm zu, er ward Generalagent der franzöſiſchen Geiſt-
lichkeit, ward als ſolcher der Verwalter ihres ungeheuren
Vermögens und rüſtete in dieſer Stellung während des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="180"/>
Neigung einzugehen; aber ihr Verlobter &#x017F;tarb und &#x017F;ie<lb/>
machte ihrem Leben durch Kohlendampf ein Ende.</p><lb/>
          <p>Vater und Sohn &#x017F;ehen &#x017F;ich nach neun Jahren wieder.<lb/>
Da aber der Marquis auch jetzt nicht zu bewegen war ein<lb/>
fe&#x017F;tes Jahrgehalt &#x017F;einem Sohne auszu&#x017F;etzen, machte die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ich mehr unabhängig, half &#x017F;ich mit Schuldenmachen und<lb/>
dem Ertrage zahlreicher literari&#x017F;cher Arbeiten. Er trat mit<lb/>
Calonne in Verbindung, und &#x017F;chrieb Anfangs im Inter-<lb/>
e&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einer Finanzplane. Als er aber de&#x017F;&#x017F;en Unwürdigkeit<lb/>
erkannte, be&#x017F;chloß er öffentlich mit ihm zu brechen, ging<lb/>
nach Berlin, um von dort aus &#x017F;eine Blitze zu &#x017F;chleudern.<lb/>
Hier &#x017F;ah er Friedrich den Großen, ward gern von ihm<lb/><note place="left">1785.</note>empfangen. Die Hand eines Freundes hielt &#x017F;ein Send-<lb/>
&#x017F;chreiben an Calonne von der Veröffentlichung zurück; es<lb/>
i&#x017F;t Talleyrand-Perigord. Die&#x017F;er Mann war Mirabeau&#x2019;s<lb/>
Leidensgeno&#x017F;&#x017F;e, auch er ein Opfer jener &#x017F;chrankenlo&#x017F;en<lb/>
Hausmacht in den Familien des hohen Adels. Er ward<lb/>
in Paris geboren, die Eltern gaben ihn gleich aus dem<lb/>
Hau&#x017F;e in die Vor&#x017F;tadt einer Amme hin. Die&#x017F;e verwahr-<lb/>
lo&#x017F;te das Kind, er that einen Fall, der ihn für &#x017F;ein Leben<lb/>
lang gebrechlich machte. Nun mußte er, der Er&#x017F;tgeborene<lb/>
eines alten glänzenden Hau&#x017F;es, in die be&#x017F;cheidene Lauf-<lb/>
bahn eines Nachgeborenen treten, die weltlich&#x017F;te Seele<lb/>
wider Willen in den gei&#x017F;tlichen Stand. Aber Abteien flo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ihm zu, er ward Generalagent der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Gei&#x017F;t-<lb/>
lichkeit, ward als &#x017F;olcher der Verwalter ihres ungeheuren<lb/>
Vermögens und rü&#x017F;tete in die&#x017F;er Stellung während des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0190] Neigung einzugehen; aber ihr Verlobter ſtarb und ſie machte ihrem Leben durch Kohlendampf ein Ende. Vater und Sohn ſehen ſich nach neun Jahren wieder. Da aber der Marquis auch jetzt nicht zu bewegen war ein feſtes Jahrgehalt ſeinem Sohne auszuſetzen, machte dieſer ſich mehr unabhängig, half ſich mit Schuldenmachen und dem Ertrage zahlreicher literariſcher Arbeiten. Er trat mit Calonne in Verbindung, und ſchrieb Anfangs im Inter- eſſe ſeiner Finanzplane. Als er aber deſſen Unwürdigkeit erkannte, beſchloß er öffentlich mit ihm zu brechen, ging nach Berlin, um von dort aus ſeine Blitze zu ſchleudern. Hier ſah er Friedrich den Großen, ward gern von ihm empfangen. Die Hand eines Freundes hielt ſein Send- ſchreiben an Calonne von der Veröffentlichung zurück; es iſt Talleyrand-Perigord. Dieſer Mann war Mirabeau’s Leidensgenoſſe, auch er ein Opfer jener ſchrankenloſen Hausmacht in den Familien des hohen Adels. Er ward in Paris geboren, die Eltern gaben ihn gleich aus dem Hauſe in die Vorſtadt einer Amme hin. Dieſe verwahr- loſte das Kind, er that einen Fall, der ihn für ſein Leben lang gebrechlich machte. Nun mußte er, der Erſtgeborene eines alten glänzenden Hauſes, in die beſcheidene Lauf- bahn eines Nachgeborenen treten, die weltlichſte Seele wider Willen in den geiſtlichen Stand. Aber Abteien floſ- ſen ihm zu, er ward Generalagent der franzöſiſchen Geiſt- lichkeit, ward als ſolcher der Verwalter ihres ungeheuren Vermögens und rüſtete in dieſer Stellung während des 1785.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/190
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/190>, abgerufen am 06.05.2024.