ward; sein rechter Arm wird ihm verstümmelt, ein Schuß zerreißt ihm die Sehnen des Halses, so daß er einen sil- bernen Halsring fortan tragen muß, um den Kopf nur gerade zu halten. Jetzt beschließt er sich zurückzuziehen, nicht um Wort zu halten und zu sterben, er heirathet aus wirklicher Liebe ein junges schönes vortreffliches Fräulein. Vendome stellte ihn dem Könige vor als den Mann, der seit die Franzosen in Italien eingerückt bis zur Räumung nicht aus dem Sattel kam; als der König nicht viel dar- auf zu geben schien, sprach Mirabeau: "Ja Sire, da hätte ich meine Fahnen verlassen und mir am Hofe so eine Vettel erkaufen sollen, das hätte mir Beförderung und weniger Wunden gebracht." Der König wendete sich bloß ab, aber Vendome sprach hernach: "Ich hätte Dich ken- nen sollen. Künftig stelle ich Dich noch dem Feinde, aber nie in meinem Leben dem Könige vor." Wirklich that er noch eine Zeitlang Dienste, zog sich dann auf sein Fami- liengut Mirabeau in der Provence, welches der König zum Marquisat erhöhte, zurück und schaltete dort wie bis- her bei seinem Regiment, gebieterisch, ungestüm, aber mit redlicher Sorgfalt. Wie früher ihm niemand mehr zuwi- der war als die Commissäre, die sein Regiment inspicir- ten, so verfolgte er jetzt die Mauthbeamten auf jede Weise, und sie waren bei der geringsten Überschreitung, mochte sie ihn selbst oder seine Bauern angehen, ihres Lebens nicht sicher. Man wußte schon, mit ihm sey nichts anzu- fangen, aber an seine Wittwe stiegen die Anforderungen
ward; ſein rechter Arm wird ihm verſtümmelt, ein Schuß zerreißt ihm die Sehnen des Halſes, ſo daß er einen ſil- bernen Halsring fortan tragen muß, um den Kopf nur gerade zu halten. Jetzt beſchließt er ſich zurückzuziehen, nicht um Wort zu halten und zu ſterben, er heirathet aus wirklicher Liebe ein junges ſchönes vortreffliches Fräulein. Vendome ſtellte ihn dem Könige vor als den Mann, der ſeit die Franzoſen in Italien eingerückt bis zur Räumung nicht aus dem Sattel kam; als der König nicht viel dar- auf zu geben ſchien, ſprach Mirabeau: „Ja Sire, da hätte ich meine Fahnen verlaſſen und mir am Hofe ſo eine Vettel erkaufen ſollen, das hätte mir Beförderung und weniger Wunden gebracht.“ Der König wendete ſich bloß ab, aber Vendome ſprach hernach: „Ich hätte Dich ken- nen ſollen. Künftig ſtelle ich Dich noch dem Feinde, aber nie in meinem Leben dem Könige vor.“ Wirklich that er noch eine Zeitlang Dienſte, zog ſich dann auf ſein Fami- liengut Mirabeau in der Provence, welches der König zum Marquiſat erhöhte, zurück und ſchaltete dort wie bis- her bei ſeinem Regiment, gebieteriſch, ungeſtüm, aber mit redlicher Sorgfalt. Wie früher ihm niemand mehr zuwi- der war als die Commiſſäre, die ſein Regiment inſpicir- ten, ſo verfolgte er jetzt die Mauthbeamten auf jede Weiſe, und ſie waren bei der geringſten Überſchreitung, mochte ſie ihn ſelbſt oder ſeine Bauern angehen, ihres Lebens nicht ſicher. Man wußte ſchon, mit ihm ſey nichts anzu- fangen, aber an ſeine Wittwe ſtiegen die Anforderungen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0180"n="170"/>
ward; ſein rechter Arm wird ihm verſtümmelt, ein Schuß<lb/>
zerreißt ihm die Sehnen des Halſes, ſo daß er einen ſil-<lb/>
bernen Halsring fortan tragen muß, um den Kopf nur<lb/>
gerade zu halten. Jetzt beſchließt er ſich zurückzuziehen,<lb/>
nicht um Wort zu halten und zu ſterben, er heirathet aus<lb/>
wirklicher Liebe ein junges ſchönes vortreffliches Fräulein.<lb/>
Vendome ſtellte ihn dem Könige vor als den Mann, der<lb/>ſeit die Franzoſen in Italien eingerückt bis zur Räumung<lb/>
nicht aus dem Sattel kam; als der König nicht viel dar-<lb/>
auf zu geben ſchien, ſprach Mirabeau: „Ja Sire, da<lb/>
hätte ich meine Fahnen verlaſſen und mir am Hofe ſo eine<lb/>
Vettel erkaufen ſollen, das hätte mir Beförderung und<lb/>
weniger Wunden gebracht.“ Der König wendete ſich bloß<lb/>
ab, aber Vendome ſprach hernach: „Ich hätte Dich ken-<lb/>
nen ſollen. Künftig ſtelle ich Dich noch dem Feinde, aber<lb/>
nie in meinem Leben dem Könige vor.“ Wirklich that er<lb/>
noch eine Zeitlang Dienſte, zog ſich dann auf ſein Fami-<lb/>
liengut Mirabeau in der Provence, welches der König<lb/>
zum Marquiſat erhöhte, zurück und ſchaltete dort wie bis-<lb/>
her bei ſeinem Regiment, gebieteriſch, ungeſtüm, aber mit<lb/>
redlicher Sorgfalt. Wie früher ihm niemand mehr zuwi-<lb/>
der war als die Commiſſäre, die ſein Regiment inſpicir-<lb/>
ten, ſo verfolgte er jetzt die Mauthbeamten auf jede Weiſe,<lb/>
und ſie waren bei der geringſten Überſchreitung, mochte<lb/>ſie ihn ſelbſt oder ſeine Bauern angehen, ihres Lebens<lb/>
nicht ſicher. Man wußte ſchon, mit ihm ſey nichts anzu-<lb/>
fangen, aber an ſeine Wittwe ſtiegen die Anforderungen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[170/0180]
ward; ſein rechter Arm wird ihm verſtümmelt, ein Schuß
zerreißt ihm die Sehnen des Halſes, ſo daß er einen ſil-
bernen Halsring fortan tragen muß, um den Kopf nur
gerade zu halten. Jetzt beſchließt er ſich zurückzuziehen,
nicht um Wort zu halten und zu ſterben, er heirathet aus
wirklicher Liebe ein junges ſchönes vortreffliches Fräulein.
Vendome ſtellte ihn dem Könige vor als den Mann, der
ſeit die Franzoſen in Italien eingerückt bis zur Räumung
nicht aus dem Sattel kam; als der König nicht viel dar-
auf zu geben ſchien, ſprach Mirabeau: „Ja Sire, da
hätte ich meine Fahnen verlaſſen und mir am Hofe ſo eine
Vettel erkaufen ſollen, das hätte mir Beförderung und
weniger Wunden gebracht.“ Der König wendete ſich bloß
ab, aber Vendome ſprach hernach: „Ich hätte Dich ken-
nen ſollen. Künftig ſtelle ich Dich noch dem Feinde, aber
nie in meinem Leben dem Könige vor.“ Wirklich that er
noch eine Zeitlang Dienſte, zog ſich dann auf ſein Fami-
liengut Mirabeau in der Provence, welches der König
zum Marquiſat erhöhte, zurück und ſchaltete dort wie bis-
her bei ſeinem Regiment, gebieteriſch, ungeſtüm, aber mit
redlicher Sorgfalt. Wie früher ihm niemand mehr zuwi-
der war als die Commiſſäre, die ſein Regiment inſpicir-
ten, ſo verfolgte er jetzt die Mauthbeamten auf jede Weiſe,
und ſie waren bei der geringſten Überſchreitung, mochte
ſie ihn ſelbſt oder ſeine Bauern angehen, ihres Lebens
nicht ſicher. Man wußte ſchon, mit ihm ſey nichts anzu-
fangen, aber an ſeine Wittwe ſtiegen die Anforderungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/180>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.