Rath lehnte der König eine Annäherung, welche sämmt- liche Parlamente des Reiches nach sich gezogen hätte, mit trockenen Worten ab.
Es gab eine zeitgemäße folgenreiche Überzeugung, die man als durchgedrungen betrachten durfte. Das ist die künf- tighin gleiche Vertheilung der Steuern. In Bezug auf diesen Punct hatten sich beide, Notabeln und das Parla- ment, der öffentlichen Meinung angeschlossen. Dreißig Dec. 20.Herzoge und Pärs gaben eine Erklärung an den König in demselben Sinne ab. Selbst eine sonst alle Neuerungen verdammende, unvernünftig heftige Adresse von fünf Prinzen von Geblüt, den Grafen von Artois an der Spitze, giebt im Angesicht des Monarchen zu daß die Großmuth der beiden ersten Stände sie wohl dahin führen dürfte. Dieser Umstand, wohlbenutzt, mußte große reichs- ständische Erfolge sicherstellen.
Allein Necker benutzte nichts, man sieht ihn nie von seiner Throneshöhe herabsteigen, um menschliche Verbin- dungen zu knüpfen. Er kennt nur sein Cabinet und seine damals unumschränkte Macht über König und Königin, nebst den Meinungen der Hofleute. Es sollen in diesen Monaten der Aufregung wohl an 3000 Flugschriften in Frankreich erschienen seyn, und die verschiedensten Mei- nungen machen sich geltend, aber nirgend entdeckt sich eine Spur daß Necker Federn für seine Zwecke in Bewegung gesetzt hätte. Auch ergiebt sich das Talent nur Solchen, welche etwas nachhaltig wollen. Man kann jedermann
Rath lehnte der König eine Annäherung, welche ſämmt- liche Parlamente des Reiches nach ſich gezogen hätte, mit trockenen Worten ab.
Es gab eine zeitgemäße folgenreiche Überzeugung, die man als durchgedrungen betrachten durfte. Das iſt die künf- tighin gleiche Vertheilung der Steuern. In Bezug auf dieſen Punct hatten ſich beide, Notabeln und das Parla- ment, der öffentlichen Meinung angeſchloſſen. Dreißig Dec. 20.Herzoge und Pärs gaben eine Erklärung an den König in demſelben Sinne ab. Selbſt eine ſonſt alle Neuerungen verdammende, unvernünftig heftige Adreſſe von fünf Prinzen von Geblüt, den Grafen von Artois an der Spitze, giebt im Angeſicht des Monarchen zu daß die Großmuth der beiden erſten Stände ſie wohl dahin führen dürfte. Dieſer Umſtand, wohlbenutzt, mußte große reichs- ſtändiſche Erfolge ſicherſtellen.
Allein Necker benutzte nichts, man ſieht ihn nie von ſeiner Throneshöhe herabſteigen, um menſchliche Verbin- dungen zu knüpfen. Er kennt nur ſein Cabinet und ſeine damals unumſchränkte Macht über König und Königin, nebſt den Meinungen der Hofleute. Es ſollen in dieſen Monaten der Aufregung wohl an 3000 Flugſchriften in Frankreich erſchienen ſeyn, und die verſchiedenſten Mei- nungen machen ſich geltend, aber nirgend entdeckt ſich eine Spur daß Necker Federn für ſeine Zwecke in Bewegung geſetzt hätte. Auch ergiebt ſich das Talent nur Solchen, welche etwas nachhaltig wollen. Man kann jedermann
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="152"/>
Rath lehnte der König eine Annäherung, welche ſämmt-<lb/>
liche Parlamente des Reiches nach ſich gezogen hätte, mit<lb/>
trockenen Worten ab.</p><lb/><p>Es gab <hirendition="#g">eine</hi> zeitgemäße folgenreiche Überzeugung, die<lb/>
man als durchgedrungen betrachten durfte. Das iſt die künf-<lb/>
tighin gleiche Vertheilung der Steuern. In Bezug auf<lb/>
dieſen Punct hatten ſich beide, Notabeln und das Parla-<lb/>
ment, der öffentlichen Meinung angeſchloſſen. Dreißig<lb/><noteplace="left">Dec. 20.</note>Herzoge und Pärs gaben eine Erklärung an den König in<lb/>
demſelben Sinne ab. Selbſt eine ſonſt alle Neuerungen<lb/>
verdammende, unvernünftig heftige Adreſſe von fünf<lb/>
Prinzen von Geblüt, den Grafen von Artois an der<lb/>
Spitze, giebt im Angeſicht des Monarchen zu daß die<lb/>
Großmuth der beiden erſten Stände ſie wohl dahin führen<lb/>
dürfte. Dieſer Umſtand, wohlbenutzt, mußte große reichs-<lb/>ſtändiſche Erfolge ſicherſtellen.</p><lb/><p>Allein Necker benutzte nichts, man ſieht ihn nie von<lb/>ſeiner Throneshöhe herabſteigen, um menſchliche Verbin-<lb/>
dungen zu knüpfen. Er kennt nur ſein Cabinet und ſeine<lb/>
damals unumſchränkte Macht über König und Königin,<lb/>
nebſt den Meinungen der Hofleute. Es ſollen in dieſen<lb/>
Monaten der Aufregung wohl an 3000 Flugſchriften in<lb/>
Frankreich erſchienen ſeyn, und die verſchiedenſten Mei-<lb/>
nungen machen ſich geltend, aber nirgend entdeckt ſich eine<lb/>
Spur daß Necker Federn für ſeine Zwecke in Bewegung<lb/>
geſetzt hätte. Auch ergiebt ſich das Talent nur Solchen,<lb/>
welche etwas nachhaltig wollen. Man kann jedermann<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[152/0162]
Rath lehnte der König eine Annäherung, welche ſämmt-
liche Parlamente des Reiches nach ſich gezogen hätte, mit
trockenen Worten ab.
Es gab eine zeitgemäße folgenreiche Überzeugung, die
man als durchgedrungen betrachten durfte. Das iſt die künf-
tighin gleiche Vertheilung der Steuern. In Bezug auf
dieſen Punct hatten ſich beide, Notabeln und das Parla-
ment, der öffentlichen Meinung angeſchloſſen. Dreißig
Herzoge und Pärs gaben eine Erklärung an den König in
demſelben Sinne ab. Selbſt eine ſonſt alle Neuerungen
verdammende, unvernünftig heftige Adreſſe von fünf
Prinzen von Geblüt, den Grafen von Artois an der
Spitze, giebt im Angeſicht des Monarchen zu daß die
Großmuth der beiden erſten Stände ſie wohl dahin führen
dürfte. Dieſer Umſtand, wohlbenutzt, mußte große reichs-
ſtändiſche Erfolge ſicherſtellen.
Dec. 20.
Allein Necker benutzte nichts, man ſieht ihn nie von
ſeiner Throneshöhe herabſteigen, um menſchliche Verbin-
dungen zu knüpfen. Er kennt nur ſein Cabinet und ſeine
damals unumſchränkte Macht über König und Königin,
nebſt den Meinungen der Hofleute. Es ſollen in dieſen
Monaten der Aufregung wohl an 3000 Flugſchriften in
Frankreich erſchienen ſeyn, und die verſchiedenſten Mei-
nungen machen ſich geltend, aber nirgend entdeckt ſich eine
Spur daß Necker Federn für ſeine Zwecke in Bewegung
geſetzt hätte. Auch ergiebt ſich das Talent nur Solchen,
welche etwas nachhaltig wollen. Man kann jedermann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/162>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.