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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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wünschen übrig. Er half den dringendsten Bedürfnissen
durch ein Paar Millionen ab, die er aus eigenem Ver-
mögen einschoß, und gab dem Patriotismus Anderer da-
durch einen Antrieb. Keine Rede mehr von aufgedrunge-
nem Papiergelde. Die Hauptsache freilich mußte doch am
Ende die Discontocasse, das Ehrendenkmal Turgots, thun.
Es war verzeihlich oder eher löblich daß Necker in dieser
äußersten Noth den König bewog, die Verwalter der Dis-
contocasse von ihrer Verpflichtung durchaus keine Geldge-
schäfte mit den Finanzen zu machen zu entbinden, so daß
er in den ersten acht Monaten seiner Verwaltung nach und
nach wohl 60 Millionen von ihr anlieh. Gleichwohl
mußte eine Menge von Zahlungen unberichtigt bleiben.
Es war verzeihlich daß er in diesem Drange, welchen er
späterhin vergeblich abläugnen möchte, sogar dahin ge-
rieth, die Eröffnung der Versammlung der Reichsstände
noch zu verfrühen, vorausgesetzt daß in der Zwischenzeit
für die Lösung dieser Hauptaufgabe das Genügende vor-
bereitet werden konnte.

Ein unbedachter Schritt des Parlaments erleichterte
im rechten Augenblicke Neckers staatsmännische Thätigkeit.
Der König verkündigte die Reichsstände schon auf nächstenSept.23.
Januar. Nun registrirte das Parlament zwar dieses
Edict, aber fügte die Clausel hinzu: "in der im Jahre
1614 beobachteten Form." Das hieß Reichsstände beru-
fen, in welchen jeder Stand ein Veto gegen den andern
gehabt hätte; es war unmöglich mit einer solchen Ver-

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wünſchen übrig. Er half den dringendſten Bedürfniſſen
durch ein Paar Millionen ab, die er aus eigenem Ver-
mögen einſchoß, und gab dem Patriotismus Anderer da-
durch einen Antrieb. Keine Rede mehr von aufgedrunge-
nem Papiergelde. Die Hauptſache freilich mußte doch am
Ende die Discontocaſſe, das Ehrendenkmal Turgots, thun.
Es war verzeihlich oder eher löblich daß Necker in dieſer
äußerſten Noth den König bewog, die Verwalter der Dis-
contocaſſe von ihrer Verpflichtung durchaus keine Geldge-
ſchäfte mit den Finanzen zu machen zu entbinden, ſo daß
er in den erſten acht Monaten ſeiner Verwaltung nach und
nach wohl 60 Millionen von ihr anlieh. Gleichwohl
mußte eine Menge von Zahlungen unberichtigt bleiben.
Es war verzeihlich daß er in dieſem Drange, welchen er
ſpäterhin vergeblich abläugnen möchte, ſogar dahin ge-
rieth, die Eröffnung der Verſammlung der Reichsſtände
noch zu verfrühen, vorausgeſetzt daß in der Zwiſchenzeit
für die Löſung dieſer Hauptaufgabe das Genügende vor-
bereitet werden konnte.

Ein unbedachter Schritt des Parlaments erleichterte
im rechten Augenblicke Neckers ſtaatsmänniſche Thätigkeit.
Der König verkündigte die Reichsſtände ſchon auf nächſtenSept.23.
Januar. Nun regiſtrirte das Parlament zwar dieſes
Edict, aber fügte die Clauſel hinzu: „in der im Jahre
1614 beobachteten Form.“ Das hieß Reichsſtände beru-
fen, in welchen jeder Stand ein Veto gegen den andern
gehabt hätte; es war unmöglich mit einer ſolchen Ver-

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[147/0157] wünſchen übrig. Er half den dringendſten Bedürfniſſen durch ein Paar Millionen ab, die er aus eigenem Ver- mögen einſchoß, und gab dem Patriotismus Anderer da- durch einen Antrieb. Keine Rede mehr von aufgedrunge- nem Papiergelde. Die Hauptſache freilich mußte doch am Ende die Discontocaſſe, das Ehrendenkmal Turgots, thun. Es war verzeihlich oder eher löblich daß Necker in dieſer äußerſten Noth den König bewog, die Verwalter der Dis- contocaſſe von ihrer Verpflichtung durchaus keine Geldge- ſchäfte mit den Finanzen zu machen zu entbinden, ſo daß er in den erſten acht Monaten ſeiner Verwaltung nach und nach wohl 60 Millionen von ihr anlieh. Gleichwohl mußte eine Menge von Zahlungen unberichtigt bleiben. Es war verzeihlich daß er in dieſem Drange, welchen er ſpäterhin vergeblich abläugnen möchte, ſogar dahin ge- rieth, die Eröffnung der Verſammlung der Reichsſtände noch zu verfrühen, vorausgeſetzt daß in der Zwiſchenzeit für die Löſung dieſer Hauptaufgabe das Genügende vor- bereitet werden konnte. Ein unbedachter Schritt des Parlaments erleichterte im rechten Augenblicke Neckers ſtaatsmänniſche Thätigkeit. Der König verkündigte die Reichsſtände ſchon auf nächſten Januar. Nun regiſtrirte das Parlament zwar dieſes Edict, aber fügte die Clauſel hinzu: „in der im Jahre 1614 beobachteten Form.“ Das hieß Reichsſtände beru- fen, in welchen jeder Stand ein Veto gegen den andern gehabt hätte; es war unmöglich mit einer ſolchen Ver- Sept.23. 10*

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/157>, abgerufen am 23.11.2024.