Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

ernennen, so ließ sich ein Oberhaus erwarten, welches
keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte.
Selbst der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn
man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in sei-
nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht-
bare Waffe in des Ministers Hände, welcher sie gegen
Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen verstand. Auch die
zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbesserlich
irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte
Reichsstandschaft zu gewinnen, wovon die um diese Zeit
erschienenen Schriften von Mounier, Bergasse, von dem
Bischof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura-
gais und andern genugsam Zeugniß geben, und in Be-
nutzung dieses sicheren Fahrwassers ließ sich dann ferner
von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu-
tirten zwar mit Aufträgen versehen, aber an keine Vor-
schriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be-
stimmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei-
ten Kammer erlassen werden, und für jetzt war zu wün-
schen daß beide Berechtigungen an einen gewissen Grund-
besitz, übrigens ohne Unterschied des Standes, geknüpft
würden. Zur Aushülfe konnte eine gewisse Steuerquote
hinzutreten. Weil aber die besten Grundsätze nur dann
etwas für die Welt bedeuten, wenn sie von Lebendigen
zu rechter Zeit vertreten werden, so galt es nun vor allen
Dingen für den praktischen Staatsmann, durch die Kraft
der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig

Französische Revolution. 10

ernennen, ſo ließ ſich ein Oberhaus erwarten, welches
keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte.
Selbſt der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn
man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in ſei-
nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht-
bare Waffe in des Miniſters Hände, welcher ſie gegen
Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen verſtand. Auch die
zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbeſſerlich
irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte
Reichsſtandſchaft zu gewinnen, wovon die um dieſe Zeit
erſchienenen Schriften von Mounier, Bergaſſe, von dem
Biſchof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura-
gais und andern genugſam Zeugniß geben, und in Be-
nutzung dieſes ſicheren Fahrwaſſers ließ ſich dann ferner
von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu-
tirten zwar mit Aufträgen verſehen, aber an keine Vor-
ſchriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be-
ſtimmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei-
ten Kammer erlaſſen werden, und für jetzt war zu wün-
ſchen daß beide Berechtigungen an einen gewiſſen Grund-
beſitz, übrigens ohne Unterſchied des Standes, geknüpft
würden. Zur Aushülfe konnte eine gewiſſe Steuerquote
hinzutreten. Weil aber die beſten Grundſätze nur dann
etwas für die Welt bedeuten, wenn ſie von Lebendigen
zu rechter Zeit vertreten werden, ſo galt es nun vor allen
Dingen für den praktiſchen Staatsmann, durch die Kraft
der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig

Franzöſiſche Revolution. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0155" n="145"/>
ernennen, &#x017F;o ließ &#x017F;ich ein Oberhaus erwarten, welches<lb/>
keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte.<lb/>
Selb&#x017F;t der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn<lb/>
man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in &#x017F;ei-<lb/>
nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht-<lb/>
bare Waffe in des Mini&#x017F;ters Hände, welcher &#x017F;ie gegen<lb/>
Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen ver&#x017F;tand. Auch die<lb/>
zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbe&#x017F;&#x017F;erlich<lb/>
irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte<lb/>
Reichs&#x017F;tand&#x017F;chaft zu gewinnen, wovon die um die&#x017F;e Zeit<lb/>
er&#x017F;chienenen Schriften von Mounier, Berga&#x017F;&#x017F;e, von dem<lb/>
Bi&#x017F;chof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura-<lb/>
gais und andern genug&#x017F;am Zeugniß geben, und in Be-<lb/>
nutzung die&#x017F;es &#x017F;icheren Fahrwa&#x017F;&#x017F;ers ließ &#x017F;ich dann ferner<lb/>
von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu-<lb/>
tirten zwar mit Aufträgen ver&#x017F;ehen, aber an keine Vor-<lb/>
&#x017F;chriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be-<lb/>
&#x017F;timmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei-<lb/>
ten Kammer erla&#x017F;&#x017F;en werden, und für jetzt war zu wün-<lb/>
&#x017F;chen daß beide Berechtigungen an einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grund-<lb/>
be&#x017F;itz, übrigens ohne Unter&#x017F;chied des Standes, geknüpft<lb/>
würden. Zur Aushülfe konnte eine gewi&#x017F;&#x017F;e Steuerquote<lb/>
hinzutreten. Weil aber die be&#x017F;ten Grund&#x017F;ätze nur dann<lb/>
etwas für die Welt bedeuten, wenn &#x017F;ie von Lebendigen<lb/>
zu rechter Zeit vertreten werden, &#x017F;o galt es nun vor allen<lb/>
Dingen für den prakti&#x017F;chen Staatsmann, durch die Kraft<lb/>
der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Franzö&#x017F;i&#x017F;che Revolution. 10</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0155] ernennen, ſo ließ ſich ein Oberhaus erwarten, welches keineswegs mit bloß erborgtem Lichte geglänzt hätte. Selbſt der Staatsbankerutt, unabwendbar drohend, wenn man unverrichteter Sache aus einander ginge, und in ſei- nem Gefolge eine Staatsumwälzung, legte eine furcht- bare Waffe in des Miniſters Hände, welcher ſie gegen Starrköpfe wie Artois zu gebrauchen verſtand. Auch die zwar aufgeregte, aber durchaus noch nicht unverbeſſerlich irregeführte öffentliche Meinung war für eine getheilte Reichsſtandſchaft zu gewinnen, wovon die um dieſe Zeit erſchienenen Schriften von Mounier, Bergaſſe, von dem Biſchof von Langres de la Luzerne, dem Grafen Laura- gais und andern genugſam Zeugniß geben, und in Be- nutzung dieſes ſicheren Fahrwaſſers ließ ſich dann ferner von Anfang her den Provinzen kundthun daß ihre Depu- tirten zwar mit Aufträgen verſehen, aber an keine Vor- ſchriften gebunden werden dürften. Daneben mußten Be- ſtimmungen für die Wähler und die Wählbarkeit zur zwei- ten Kammer erlaſſen werden, und für jetzt war zu wün- ſchen daß beide Berechtigungen an einen gewiſſen Grund- beſitz, übrigens ohne Unterſchied des Standes, geknüpft würden. Zur Aushülfe konnte eine gewiſſe Steuerquote hinzutreten. Weil aber die beſten Grundſätze nur dann etwas für die Welt bedeuten, wenn ſie von Lebendigen zu rechter Zeit vertreten werden, ſo galt es nun vor allen Dingen für den praktiſchen Staatsmann, durch die Kraft der Überzeugung, welche von hoher Stelle aus mächtig Franzöſiſche Revolution. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/155
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/155>, abgerufen am 23.11.2024.