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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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welche mit so ganz und gar keinem aristokratischen Mate-
rial versehen und wahrlich nicht danach gestimmt der Mut-
ter nachzuäffen, um ihrer eigenen Wohlfahrt willen die
Bildung von Senaten den Volkskammern gegenüber nicht
verschmäht haben. Und eben mit Nordamerika war auch
gleich der klägliche Einwand abgeschnitten daß England
wohl bewundert, aber nicht nachgeahmt werden dürfe.
Denn wo sich auch eine so treffliche Gliederung der Volks-
mannigfaltigkeit nicht findet, wie sie in England sich dem
Unterhause gegenüber als Oberhaus gestaltet, da finden
sich doch sicherlich die Unterschiede des Alters, der Würde
und der Amtserfahrung, mithin Elemente zu einem Senat
von bleibenden, vielleicht lebenslänglichen Mitgliedern,
der rascher wechselnden Volkskammer gegenüber. In Frank-
reich aber bot sich schon in den Pärs, deren derzeit im
Ganzen ungefähr 60 waren, kein verächtliches Material
auch zu erblichen Mitgliedern dar, und keine Frage daß
die hohe Geistlichkeit, wenn auch bloß durch die sieben
geistlichen Pärs vertreten, sich hier mehr zu Hause gefühlt
hätte als, wie es später kam, mit der niederen Geistlichkeit
in demselben Standessaale zusammengesperrt und von ihr
überstimmt. Was aber die Gesinnung betrifft, so zeigte
die Hälfte der Pärs und ein bedeutender Theil des Adels
bald daß er nicht blind an der Steuerfreiheit seines Stan-
des hafte, und wenn dem Könige, wie billig, freie Hand
blieb außerdem Mitglieder jedes Standes, durch Ver-
dienste und Erfahrung ausgezeichnet, zur ersten Kammer zu

welche mit ſo ganz und gar keinem ariſtokratiſchen Mate-
rial verſehen und wahrlich nicht danach geſtimmt der Mut-
ter nachzuäffen, um ihrer eigenen Wohlfahrt willen die
Bildung von Senaten den Volkskammern gegenüber nicht
verſchmäht haben. Und eben mit Nordamerika war auch
gleich der klägliche Einwand abgeſchnitten daß England
wohl bewundert, aber nicht nachgeahmt werden dürfe.
Denn wo ſich auch eine ſo treffliche Gliederung der Volks-
mannigfaltigkeit nicht findet, wie ſie in England ſich dem
Unterhauſe gegenüber als Oberhaus geſtaltet, da finden
ſich doch ſicherlich die Unterſchiede des Alters, der Würde
und der Amtserfahrung, mithin Elemente zu einem Senat
von bleibenden, vielleicht lebenslänglichen Mitgliedern,
der raſcher wechſelnden Volkskammer gegenüber. In Frank-
reich aber bot ſich ſchon in den Pärs, deren derzeit im
Ganzen ungefähr 60 waren, kein verächtliches Material
auch zu erblichen Mitgliedern dar, und keine Frage daß
die hohe Geiſtlichkeit, wenn auch bloß durch die ſieben
geiſtlichen Pärs vertreten, ſich hier mehr zu Hauſe gefühlt
hätte als, wie es ſpäter kam, mit der niederen Geiſtlichkeit
in demſelben Standesſaale zuſammengeſperrt und von ihr
überſtimmt. Was aber die Geſinnung betrifft, ſo zeigte
die Hälfte der Pärs und ein bedeutender Theil des Adels
bald daß er nicht blind an der Steuerfreiheit ſeines Stan-
des hafte, und wenn dem Könige, wie billig, freie Hand
blieb außerdem Mitglieder jedes Standes, durch Ver-
dienſte und Erfahrung ausgezeichnet, zur erſten Kammer zu

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[144/0154] welche mit ſo ganz und gar keinem ariſtokratiſchen Mate- rial verſehen und wahrlich nicht danach geſtimmt der Mut- ter nachzuäffen, um ihrer eigenen Wohlfahrt willen die Bildung von Senaten den Volkskammern gegenüber nicht verſchmäht haben. Und eben mit Nordamerika war auch gleich der klägliche Einwand abgeſchnitten daß England wohl bewundert, aber nicht nachgeahmt werden dürfe. Denn wo ſich auch eine ſo treffliche Gliederung der Volks- mannigfaltigkeit nicht findet, wie ſie in England ſich dem Unterhauſe gegenüber als Oberhaus geſtaltet, da finden ſich doch ſicherlich die Unterſchiede des Alters, der Würde und der Amtserfahrung, mithin Elemente zu einem Senat von bleibenden, vielleicht lebenslänglichen Mitgliedern, der raſcher wechſelnden Volkskammer gegenüber. In Frank- reich aber bot ſich ſchon in den Pärs, deren derzeit im Ganzen ungefähr 60 waren, kein verächtliches Material auch zu erblichen Mitgliedern dar, und keine Frage daß die hohe Geiſtlichkeit, wenn auch bloß durch die ſieben geiſtlichen Pärs vertreten, ſich hier mehr zu Hauſe gefühlt hätte als, wie es ſpäter kam, mit der niederen Geiſtlichkeit in demſelben Standesſaale zuſammengeſperrt und von ihr überſtimmt. Was aber die Geſinnung betrifft, ſo zeigte die Hälfte der Pärs und ein bedeutender Theil des Adels bald daß er nicht blind an der Steuerfreiheit ſeines Stan- des hafte, und wenn dem Könige, wie billig, freie Hand blieb außerdem Mitglieder jedes Standes, durch Ver- dienſte und Erfahrung ausgezeichnet, zur erſten Kammer zu

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/154>, abgerufen am 06.05.2024.