häuft wo es sich darum handelt die herbe Frucht der Selbsterkenntniß zu pflücken, der mag bequem sich im Va- terlande betten und überall wo es hoch hergeht hochwill- kommen seyn, allein ein ächter Jünger der Geschichte, ein Mann der Wahrheit, ein Freund Deutschlands ist er nicht.
Der Franzose verdankt seinem Erbkönigthum ein nicht genug zu preisendes Gut, seine Staatseinheit. Was sie bedeute lernte er früh genug dem Deutschen gegenüber schätzen, stieg gewaltig, während dieser tief und tiefer in Zerstückelung versank, und brachte dem wohlthuenden Machtgefühle rings umher im großen Staatenkreise nicht unwillig das Opfer vieler inneren Freiheit. Das unbe- wußte Streben über die Verschränkungen des Lehnwesens hinaus zu dem Ziele der Staatseinheit ehrte er schon an seinem heiligen Ludwig, und wenn er vergleichend nach- wog, was ihm Ludwig XI. und der große Staatsmann Ludwigs XIII. gegeben und was beide ihm dafür genom- men hatten, er hätte es am Ende doch nicht viel anders gemocht. Denn Frankreich war einmal in seinem Über- gewichte auf dem Festlande durchaus an die Stelle unsres armen Deutschlands getreten, und das blieb unverkennbar das Werk seiner einheitlichen Königsmacht. Allein ein großes Gelingen der Menschen und ihr Übermuth sind, wie es scheint, für immer unzertrennliche Wandnachbaren. Der vierzehnte Ludwig verstieg sich übermüthig in das Ge- biet der nicht mehr beherrschbaren Dinge, verlangte auch Glaubenseinheit in seinem Reiche und trieb die Anders-
häuft wo es ſich darum handelt die herbe Frucht der Selbſterkenntniß zu pflücken, der mag bequem ſich im Va- terlande betten und überall wo es hoch hergeht hochwill- kommen ſeyn, allein ein ächter Jünger der Geſchichte, ein Mann der Wahrheit, ein Freund Deutſchlands iſt er nicht.
Der Franzoſe verdankt ſeinem Erbkönigthum ein nicht genug zu preiſendes Gut, ſeine Staatseinheit. Was ſie bedeute lernte er früh genug dem Deutſchen gegenüber ſchätzen, ſtieg gewaltig, während dieſer tief und tiefer in Zerſtückelung verſank, und brachte dem wohlthuenden Machtgefühle rings umher im großen Staatenkreiſe nicht unwillig das Opfer vieler inneren Freiheit. Das unbe- wußte Streben über die Verſchränkungen des Lehnweſens hinaus zu dem Ziele der Staatseinheit ehrte er ſchon an ſeinem heiligen Ludwig, und wenn er vergleichend nach- wog, was ihm Ludwig XI. und der große Staatsmann Ludwigs XIII. gegeben und was beide ihm dafür genom- men hatten, er hätte es am Ende doch nicht viel anders gemocht. Denn Frankreich war einmal in ſeinem Über- gewichte auf dem Feſtlande durchaus an die Stelle unſres armen Deutſchlands getreten, und das blieb unverkennbar das Werk ſeiner einheitlichen Königsmacht. Allein ein großes Gelingen der Menſchen und ihr Übermuth ſind, wie es ſcheint, für immer unzertrennliche Wandnachbaren. Der vierzehnte Ludwig verſtieg ſich übermüthig in das Ge- biet der nicht mehr beherrſchbaren Dinge, verlangte auch Glaubenseinheit in ſeinem Reiche und trieb die Anders-
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häuft wo es ſich darum handelt die herbe Frucht der
Selbſterkenntniß zu pflücken, der mag bequem ſich im Va-
terlande betten und überall wo es hoch hergeht hochwill-
kommen ſeyn, allein ein ächter Jünger der Geſchichte, ein
Mann der Wahrheit, ein Freund Deutſchlands iſt er nicht.
Der Franzoſe verdankt ſeinem Erbkönigthum ein nicht
genug zu preiſendes Gut, ſeine Staatseinheit. Was ſie
bedeute lernte er früh genug dem Deutſchen gegenüber
ſchätzen, ſtieg gewaltig, während dieſer tief und tiefer in
Zerſtückelung verſank, und brachte dem wohlthuenden
Machtgefühle rings umher im großen Staatenkreiſe nicht
unwillig das Opfer vieler inneren Freiheit. Das unbe-
wußte Streben über die Verſchränkungen des Lehnweſens
hinaus zu dem Ziele der Staatseinheit ehrte er ſchon an
ſeinem heiligen Ludwig, und wenn er vergleichend nach-
wog, was ihm Ludwig XI. und der große Staatsmann
Ludwigs XIII. gegeben und was beide ihm dafür genom-
men hatten, er hätte es am Ende doch nicht viel anders
gemocht. Denn Frankreich war einmal in ſeinem Über-
gewichte auf dem Feſtlande durchaus an die Stelle unſres
armen Deutſchlands getreten, und das blieb unverkennbar
das Werk ſeiner einheitlichen Königsmacht. Allein ein
großes Gelingen der Menſchen und ihr Übermuth ſind,
wie es ſcheint, für immer unzertrennliche Wandnachbaren.
Der vierzehnte Ludwig verſtieg ſich übermüthig in das Ge-
biet der nicht mehr beherrſchbaren Dinge, verlangte auch
Glaubenseinheit in ſeinem Reiche und trieb die Anders-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/14>, abgerufen am 24.11.2024.
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