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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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denen bewilligt würden, welche sie bezahlten, werde mis-
achtet; und nach der Sitzung protestirte man abermals
gegen die erzwungene Einzeichnung der Steueredicte. Die
jungen Räthe, durch den Beifall der Pariser berauscht,
überboten sich einander. Die Königin war in diesen Ta-
gen in ihrem Park von St. Cloud nicht vor Beleidigun-
gen sicher, man hielt sie zurück von Paris, damit sie den
Zuruf: "Madame Deficit" nicht höre. Als das Parla-
ment die Steueredicte für nichtig und erschlichen erklärte,
zum dritten Male Reichsstände fordernd, sah man den
d'Espremenil von der vor dem Palaste harrenden Menge
mit Jubel empfangen, in seinen Wagen getragen. Auf
die Nachricht erhielt das Parlament Befehl seinen Palast
in der Cite und die Hauptstadt sofort zu räumen, seine
Amtsverrichtungen in Troyes fortzusetzen. Den Rückschlag
darauf gaben der Rechnungshof und das Obersteuercolle-
gium, indem beide nun ebenfalls gegen die auch ihnen
abgezwungene Protocollirung protestirten, ebenfalls Reichs-
stände begehrend, daneben die Rückberufung des Parla-
ments an den gewohnten Ort seiner Thätigkeit. Aber die
wogende Menge zog die Standhaftigkeit des Obersteuer-
hofes in Zweifel, sie drang in den Justizpalast, wo die-
ses hohe Collegium neben dem Parlamente residirte, er-
brach die Thüren, ließ nicht eher ab, bis ihr das Pro-
tocoll vorgezeigt war.

Während so die Schwierigkeiten der Zeit zu drohenden
Gefahren heranwuchsen, sah man die Königin regelmäßig

denen bewilligt würden, welche ſie bezahlten, werde mis-
achtet; und nach der Sitzung proteſtirte man abermals
gegen die erzwungene Einzeichnung der Steueredicte. Die
jungen Räthe, durch den Beifall der Pariſer berauſcht,
überboten ſich einander. Die Königin war in dieſen Ta-
gen in ihrem Park von St. Cloud nicht vor Beleidigun-
gen ſicher, man hielt ſie zurück von Paris, damit ſie den
Zuruf: „Madame Deficit“ nicht höre. Als das Parla-
ment die Steueredicte für nichtig und erſchlichen erklärte,
zum dritten Male Reichsſtände fordernd, ſah man den
d’Espréménil von der vor dem Palaſte harrenden Menge
mit Jubel empfangen, in ſeinen Wagen getragen. Auf
die Nachricht erhielt das Parlament Befehl ſeinen Palaſt
in der Cité und die Hauptſtadt ſofort zu räumen, ſeine
Amtsverrichtungen in Troyes fortzuſetzen. Den Rückſchlag
darauf gaben der Rechnungshof und das Oberſteuercolle-
gium, indem beide nun ebenfalls gegen die auch ihnen
abgezwungene Protocollirung proteſtirten, ebenfalls Reichs-
ſtände begehrend, daneben die Rückberufung des Parla-
ments an den gewohnten Ort ſeiner Thätigkeit. Aber die
wogende Menge zog die Standhaftigkeit des Oberſteuer-
hofes in Zweifel, ſie drang in den Juſtizpalaſt, wo die-
ſes hohe Collegium neben dem Parlamente reſidirte, er-
brach die Thüren, ließ nicht eher ab, bis ihr das Pro-
tocoll vorgezeigt war.

Während ſo die Schwierigkeiten der Zeit zu drohenden
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[118/0128] denen bewilligt würden, welche ſie bezahlten, werde mis- achtet; und nach der Sitzung proteſtirte man abermals gegen die erzwungene Einzeichnung der Steueredicte. Die jungen Räthe, durch den Beifall der Pariſer berauſcht, überboten ſich einander. Die Königin war in dieſen Ta- gen in ihrem Park von St. Cloud nicht vor Beleidigun- gen ſicher, man hielt ſie zurück von Paris, damit ſie den Zuruf: „Madame Deficit“ nicht höre. Als das Parla- ment die Steueredicte für nichtig und erſchlichen erklärte, zum dritten Male Reichsſtände fordernd, ſah man den d’Espréménil von der vor dem Palaſte harrenden Menge mit Jubel empfangen, in ſeinen Wagen getragen. Auf die Nachricht erhielt das Parlament Befehl ſeinen Palaſt in der Cité und die Hauptſtadt ſofort zu räumen, ſeine Amtsverrichtungen in Troyes fortzuſetzen. Den Rückſchlag darauf gaben der Rechnungshof und das Oberſteuercolle- gium, indem beide nun ebenfalls gegen die auch ihnen abgezwungene Protocollirung proteſtirten, ebenfalls Reichs- ſtände begehrend, daneben die Rückberufung des Parla- ments an den gewohnten Ort ſeiner Thätigkeit. Aber die wogende Menge zog die Standhaftigkeit des Oberſteuer- hofes in Zweifel, ſie drang in den Juſtizpalaſt, wo die- ſes hohe Collegium neben dem Parlamente reſidirte, er- brach die Thüren, ließ nicht eher ab, bis ihr das Pro- tocoll vorgezeigt war. Während ſo die Schwierigkeiten der Zeit zu drohenden Gefahren heranwuchſen, ſah man die Königin regelmäßig

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/128>, abgerufen am 04.05.2024.