den und nicht geneigter zu neuen Steuern. Als am Ende der hohe Adel zu der Entscheidung kam, den Grundsatz der gleichen Vertheilung anzuerkennen und wirklich in den Büreaus dafür den Ausschlag gab, erhoben sich aus dem Provinzialadel ungestüme Stimmen dagegen: "Der hat gut schenken," sprach man, "welcher vorher weiß daß ihm seine Opfer mit reichlichen Zinsen ersetzt werden. Ihr ziehet Pensionen von je 60,000, wo nicht gar 160,000 Livres, und wenn Ihr gleichwohl das Unglück habt Schul- den zu machen, fließen Euch abermals Hunderttausende zu. Mit uns Leuten aus der Provinz steht es anders." Auch die vom Klerus mochten von dem Grundsatze der Gleichmäßigkeit nichts wissen, und wie vielfach auch Brienne an den Steuern veränderte, ermäßigte, in Sachen des Eigennutzes sehen auch Einfältige scharf, es blieben im- mer Steuern und es war der ärgerliche Weg Calonne's. Ja hätte Brienne bloß durch Ersparungen und ohne damit jemand lästig zu fallen den Ausfall zu ergänzen vermocht, er wäre der rechte Mann gewesen. So aber war das Ende doch daß man die Steuern abschlug, als zu deren Bewil- ligung nicht befugt. Dabei von allen Seiten Überdruß der Sitzungen, bis auf den einen Lafayette, der nicht müde ward fruchtlose Anträge zu häufen, den Reformir- ten geholfen wissen wollte und sogar noch einmal die Reichsstände anregte, indem er eine Anleihe in Vorschlag brachte, welche bis zu deren Berufung den Staatsbedarf decken sollte. Am 25. Mai Entlassung der Notabeln.
8*
den und nicht geneigter zu neuen Steuern. Als am Ende der hohe Adel zu der Entſcheidung kam, den Grundſatz der gleichen Vertheilung anzuerkennen und wirklich in den Büreaus dafür den Ausſchlag gab, erhoben ſich aus dem Provinzialadel ungeſtüme Stimmen dagegen: „Der hat gut ſchenken,“ ſprach man, „welcher vorher weiß daß ihm ſeine Opfer mit reichlichen Zinſen erſetzt werden. Ihr ziehet Penſionen von je 60,000, wo nicht gar 160,000 Livres, und wenn Ihr gleichwohl das Unglück habt Schul- den zu machen, fließen Euch abermals Hunderttauſende zu. Mit uns Leuten aus der Provinz ſteht es anders.“ Auch die vom Klerus mochten von dem Grundſatze der Gleichmäßigkeit nichts wiſſen, und wie vielfach auch Brienne an den Steuern veränderte, ermäßigte, in Sachen des Eigennutzes ſehen auch Einfältige ſcharf, es blieben im- mer Steuern und es war der ärgerliche Weg Calonne’s. Ja hätte Brienne bloß durch Erſparungen und ohne damit jemand läſtig zu fallen den Ausfall zu ergänzen vermocht, er wäre der rechte Mann geweſen. So aber war das Ende doch daß man die Steuern abſchlug, als zu deren Bewil- ligung nicht befugt. Dabei von allen Seiten Überdruß der Sitzungen, bis auf den einen Lafayette, der nicht müde ward fruchtloſe Anträge zu häufen, den Reformir- ten geholfen wiſſen wollte und ſogar noch einmal die Reichsſtände anregte, indem er eine Anleihe in Vorſchlag brachte, welche bis zu deren Berufung den Staatsbedarf decken ſollte. Am 25. Mai Entlaſſung der Notabeln.
8*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0125"n="115"/>
den und nicht geneigter zu neuen Steuern. Als am Ende<lb/>
der hohe Adel zu der Entſcheidung kam, den Grundſatz<lb/>
der gleichen Vertheilung anzuerkennen und wirklich in den<lb/>
Büreaus dafür den Ausſchlag gab, erhoben ſich aus dem<lb/>
Provinzialadel ungeſtüme Stimmen dagegen: „Der hat<lb/>
gut ſchenken,“ſprach man, „welcher vorher weiß daß<lb/>
ihm ſeine Opfer mit reichlichen Zinſen erſetzt werden. Ihr<lb/>
ziehet Penſionen von je 60,000, wo nicht gar 160,000<lb/>
Livres, und wenn Ihr gleichwohl das Unglück habt Schul-<lb/>
den zu machen, fließen Euch abermals Hunderttauſende<lb/>
zu. Mit uns Leuten aus der Provinz ſteht es anders.“<lb/>
Auch die vom Klerus mochten von dem Grundſatze der<lb/>
Gleichmäßigkeit nichts wiſſen, und wie vielfach auch Brienne<lb/>
an den Steuern veränderte, ermäßigte, in Sachen des<lb/>
Eigennutzes ſehen auch Einfältige ſcharf, es blieben im-<lb/>
mer Steuern und es war der ärgerliche Weg Calonne’s.<lb/>
Ja hätte Brienne bloß durch Erſparungen und ohne damit<lb/>
jemand läſtig zu fallen den Ausfall zu ergänzen vermocht,<lb/>
er wäre der rechte Mann geweſen. So aber war das Ende<lb/>
doch daß man die Steuern abſchlug, als zu deren Bewil-<lb/>
ligung nicht befugt. Dabei von allen Seiten Überdruß<lb/>
der Sitzungen, bis auf den einen Lafayette, der nicht<lb/>
müde ward fruchtloſe Anträge zu häufen, den Reformir-<lb/>
ten geholfen wiſſen wollte und ſogar noch einmal die<lb/>
Reichsſtände anregte, indem er eine Anleihe in Vorſchlag<lb/>
brachte, welche bis zu deren Berufung den Staatsbedarf<lb/>
decken ſollte. Am 25. Mai Entlaſſung der Notabeln.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">8*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[115/0125]
den und nicht geneigter zu neuen Steuern. Als am Ende
der hohe Adel zu der Entſcheidung kam, den Grundſatz
der gleichen Vertheilung anzuerkennen und wirklich in den
Büreaus dafür den Ausſchlag gab, erhoben ſich aus dem
Provinzialadel ungeſtüme Stimmen dagegen: „Der hat
gut ſchenken,“ ſprach man, „welcher vorher weiß daß
ihm ſeine Opfer mit reichlichen Zinſen erſetzt werden. Ihr
ziehet Penſionen von je 60,000, wo nicht gar 160,000
Livres, und wenn Ihr gleichwohl das Unglück habt Schul-
den zu machen, fließen Euch abermals Hunderttauſende
zu. Mit uns Leuten aus der Provinz ſteht es anders.“
Auch die vom Klerus mochten von dem Grundſatze der
Gleichmäßigkeit nichts wiſſen, und wie vielfach auch Brienne
an den Steuern veränderte, ermäßigte, in Sachen des
Eigennutzes ſehen auch Einfältige ſcharf, es blieben im-
mer Steuern und es war der ärgerliche Weg Calonne’s.
Ja hätte Brienne bloß durch Erſparungen und ohne damit
jemand läſtig zu fallen den Ausfall zu ergänzen vermocht,
er wäre der rechte Mann geweſen. So aber war das Ende
doch daß man die Steuern abſchlug, als zu deren Bewil-
ligung nicht befugt. Dabei von allen Seiten Überdruß
der Sitzungen, bis auf den einen Lafayette, der nicht
müde ward fruchtloſe Anträge zu häufen, den Reformir-
ten geholfen wiſſen wollte und ſogar noch einmal die
Reichsſtände anregte, indem er eine Anleihe in Vorſchlag
brachte, welche bis zu deren Berufung den Staatsbedarf
decken ſollte. Am 25. Mai Entlaſſung der Notabeln.
8*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/125>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.