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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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nen betragen, wollte man nun durchaus wissen, wer von
Beiden der Betrüger sey, und ganz besonders hartnäckig
erwiesen sich die Prälaten, deren Führer, der Erzbischof
von Toulouse, Lomenie de Brienne mit ihnen regelmäßig
abgesonderte Berathungen pflog. Sie rechneten ein Defi-
cit von 140 Millionen heraus und nicht wenige unter ih-
nen sprachen von Reichsständen, als allein berechtigt die
neue Grundsteuer, welcher man um Alles hätte entrinnen
mögen, zu bewilligen. In dieser Bedrängniß nahm Ca-
lonne seine Zuflucht zur höchsten Gewalt, und Ludwig
verkündigte den Büreaus, ihre Aufgabe sey nicht über den
Grund der Steuer, sondern über ihre Form zu berathen.
Hierüber ward in der Hauptstadt viel gescherzt. Ein
Koch legt seinen Hühnern die Frage vor: Mit welcher
Brühe wollt ihr gegessen werden? Sie darauf: Aber
wir wollen gar nicht gegessen werden. Er: Ihr verwech-
selt den Stand der Frage; man fragt euch, mit welcher
Brühe ihr gegessen werden wollt. Zu gleicher Zeit machte
im zweiten Büreau, in welchem Artois präsidirte, der
Marquis Lafayette durch eine Menge von Anträgen zu
schaffen, wollte das Lotto, die Verhaftsbriefe abgeschafft,
die Domänen besser beaufsichtigt wissen, damit sie weder
verschleudert, noch im unpassendsten Zeitpuncte durch An-
käufe vermehrt würden. Die Bewilligung von Steuern
knüpfte er in aller Form an Reichsstände; nur für die
Frist bis zu ihrem Zusammentritte können sich nach seiner
Meinung die Notabeln ermächtigt halten Steuern zu be-

nen betragen, wollte man nun durchaus wiſſen, wer von
Beiden der Betrüger ſey, und ganz beſonders hartnäckig
erwieſen ſich die Prälaten, deren Führer, der Erzbiſchof
von Toulouſe, Lomenie de Brienne mit ihnen regelmäßig
abgeſonderte Berathungen pflog. Sie rechneten ein Defi-
cit von 140 Millionen heraus und nicht wenige unter ih-
nen ſprachen von Reichsſtänden, als allein berechtigt die
neue Grundſteuer, welcher man um Alles hätte entrinnen
mögen, zu bewilligen. In dieſer Bedrängniß nahm Ca-
lonne ſeine Zuflucht zur höchſten Gewalt, und Ludwig
verkündigte den Büreaus, ihre Aufgabe ſey nicht über den
Grund der Steuer, ſondern über ihre Form zu berathen.
Hierüber ward in der Hauptſtadt viel geſcherzt. Ein
Koch legt ſeinen Hühnern die Frage vor: Mit welcher
Brühe wollt ihr gegeſſen werden? Sie darauf: Aber
wir wollen gar nicht gegeſſen werden. Er: Ihr verwech-
ſelt den Stand der Frage; man fragt euch, mit welcher
Brühe ihr gegeſſen werden wollt. Zu gleicher Zeit machte
im zweiten Büreau, in welchem Artois präſidirte, der
Marquis Lafayette durch eine Menge von Anträgen zu
ſchaffen, wollte das Lotto, die Verhaftsbriefe abgeſchafft,
die Domänen beſſer beaufſichtigt wiſſen, damit ſie weder
verſchleudert, noch im unpaſſendſten Zeitpuncte durch An-
käufe vermehrt würden. Die Bewilligung von Steuern
knüpfte er in aller Form an Reichsſtände; nur für die
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[111/0121] nen betragen, wollte man nun durchaus wiſſen, wer von Beiden der Betrüger ſey, und ganz beſonders hartnäckig erwieſen ſich die Prälaten, deren Führer, der Erzbiſchof von Toulouſe, Lomenie de Brienne mit ihnen regelmäßig abgeſonderte Berathungen pflog. Sie rechneten ein Defi- cit von 140 Millionen heraus und nicht wenige unter ih- nen ſprachen von Reichsſtänden, als allein berechtigt die neue Grundſteuer, welcher man um Alles hätte entrinnen mögen, zu bewilligen. In dieſer Bedrängniß nahm Ca- lonne ſeine Zuflucht zur höchſten Gewalt, und Ludwig verkündigte den Büreaus, ihre Aufgabe ſey nicht über den Grund der Steuer, ſondern über ihre Form zu berathen. Hierüber ward in der Hauptſtadt viel geſcherzt. Ein Koch legt ſeinen Hühnern die Frage vor: Mit welcher Brühe wollt ihr gegeſſen werden? Sie darauf: Aber wir wollen gar nicht gegeſſen werden. Er: Ihr verwech- ſelt den Stand der Frage; man fragt euch, mit welcher Brühe ihr gegeſſen werden wollt. Zu gleicher Zeit machte im zweiten Büreau, in welchem Artois präſidirte, der Marquis Lafayette durch eine Menge von Anträgen zu ſchaffen, wollte das Lotto, die Verhaftsbriefe abgeſchafft, die Domänen beſſer beaufſichtigt wiſſen, damit ſie weder verſchleudert, noch im unpaſſendſten Zeitpuncte durch An- käufe vermehrt würden. Die Bewilligung von Steuern knüpfte er in aller Form an Reichsſtände; nur für die Friſt bis zu ihrem Zuſammentritte können ſich nach ſeiner Meinung die Notabeln ermächtigt halten Steuern zu be-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/121>, abgerufen am 05.05.2024.