Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

neben lokr. tek-na, aus W. luk lukh-nos, aber aus puk (pukazo)
puk-no-s, aus blep zwar blepo, aber blepharon. Neben tukos,
tetukonto steht teteukhatai, teteukha, teukha, tugkhano, etukhon.
Es ist niemand gelungen und wird schwerlich jemand ge-
lingen, die Bewegung der Laute durchweg auf feste Normen
zurückzuführen, wie ich im ersten Abschnitt dieser Unter-
suchung gezeigt zu haben glaube. Diese Wahrnehmung kommt
hier zur Anwendung.

2) Zweitens fragt Joh. Schmidt, warum denn gerade das
Perfect in so erheblichem Umfange die Aspiration, sogar im
Unterschied von andern Zeitformen desselben Stammes er-
fahre, warum es zwar beblepha, aber nicht etwa blepho heisse.
Diese Frage kann ich nicht in einer abschliessenden Weise
beantworten, aber ich glaube, dass die Gegner meiner Auf-
fassung ebenso wenig zu sagen wissen, warum zwar in glukus
das k erhalten, in takhu-s aber (Grundz.5 507) in die Aspirata
verwandelt ist, warum in lip' elaio das p geblieben, in
eleipho aspirirt ist, warum tetoka sein k nie mit kh vertauscht,
kekopha aber gegenüber dem homer. kekophos sein p in ph ver-
wandelt hat. Dass eine Lautaffection in gewissen Sprach-
formen sich weiter verbreitet und fester haftet als in andern,
ist nicht befremdlich und lässt sich auch sonst nachweisen.
Denn das Bestreben, gleichbedeutende Formen gleichmässiger
zu gestalten, ist ein sehr natürliches. Ich verweise z. B. auf
die Vorliebe des sog. starken Passivaorists für die Mediae
(Verb. II2 356). Man wird auch in der Erklärung des sth der
Medialformen schwerlich ohne die Annahme eines solchen
Fortwucherns auskommen können. In diesem Sinne ist also
das Princip der Analogiebildung auch hier anzuerkennen, worin
ich mit Gust. Meyer (Gr. S. 422) übereinstimme. Nur glaube
ich nicht, dass man damit allein auskommt, noch weniger,
dass die Schmidt'sche Erklärung auf Wahrscheinlichkeit An-
spruch machen kann.

3) Von gar keinem Gewicht scheint mir der dritte Ein-

neben lokr. τέκ-να, aus W. λυκ λύχ-νος, aber aus πυκ (πυκάζω)
πυκ-νό-ς, aus βλεπ zwar βλέπω, aber βλέφαρον. Neben τύκος,
τετύκοντο steht τετεύχαται, τέτευχα, τεύχα, τυγχάνω, ἔτυχον.
Es ist niemand gelungen und wird schwerlich jemand ge-
lingen, die Bewegung der Laute durchweg auf feste Normen
zurückzuführen, wie ich im ersten Abschnitt dieser Unter-
suchung gezeigt zu haben glaube. Diese Wahrnehmung kommt
hier zur Anwendung.

2) Zweitens fragt Joh. Schmidt, warum denn gerade das
Perfect in so erheblichem Umfange die Aspiration, sogar im
Unterschied von andern Zeitformen desselben Stammes er-
fahre, warum es zwar βέβλεφα, aber nicht etwa βλέφω heisse.
Diese Frage kann ich nicht in einer abschliessenden Weise
beantworten, aber ich glaube, dass die Gegner meiner Auf-
fassung ebenso wenig zu sagen wissen, warum zwar in γλυκύς
das κ erhalten, in ταχύ-ς aber (Grundz.⁵ 507) in die Aspirata
verwandelt ist, warum in λιπ' ἐλαίῳ das π geblieben, in
ἐλείφω aspirirt ist, warum τέτοκα sein κ nie mit χ vertauscht,
κέκοφα aber gegenüber dem homer. κεκοφώς sein π in φ ver-
wandelt hat. Dass eine Lautaffection in gewissen Sprach-
formen sich weiter verbreitet und fester haftet als in andern,
ist nicht befremdlich und lässt sich auch sonst nachweisen.
Denn das Bestreben, gleichbedeutende Formen gleichmässiger
zu gestalten, ist ein sehr natürliches. Ich verweise z. B. auf
die Vorliebe des sog. starken Passivaorists für die Mediae
(Verb. II2 356). Man wird auch in der Erklärung des σθ der
Medialformen schwerlich ohne die Annahme eines solchen
Fortwucherns auskommen können. In diesem Sinne ist also
das Princip der Analogiebildung auch hier anzuerkennen, worin
ich mit Gust. Meyer (Gr. S. 422) übereinstimme. Nur glaube
ich nicht, dass man damit allein auskommt, noch weniger,
dass die Schmidt'sche Erklärung auf Wahrscheinlichkeit An-
spruch machen kann.

3) Von gar keinem Gewicht scheint mir der dritte Ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="60"/>
neben lokr. <hi rendition="#i">&#x03C4;&#x03AD;&#x03BA;-&#x03BD;&#x03B1;</hi>, aus W. <hi rendition="#i">&#x03BB;&#x03C5;&#x03BA; <foreign xml:lang="ell">&#x03BB;&#x03CD;&#x03C7;-&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi>, aber aus <hi rendition="#i">&#x03C0;&#x03C5;&#x03BA;</hi> (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C0;&#x03C5;&#x03BA;&#x03AC;&#x03B6;&#x03C9;</foreign></hi>)<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C0;&#x03C5;&#x03BA;-&#x03BD;&#x03CC;-&#x03C2;</foreign></hi>, aus <hi rendition="#i">&#x03B2;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C0;</hi> zwar <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B2;&#x03BB;&#x03AD;&#x03C0;&#x03C9;</foreign></hi>, aber <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B2;&#x03BB;&#x03AD;&#x03C6;&#x03B1;&#x03C1;&#x03BF;&#x03BD;</foreign></hi>. Neben <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03CD;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi>,<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03CD;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;</foreign></hi> steht <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B5;&#x03CD;&#x03C7;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C5;&#x03C7;&#x03B1;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03B5;&#x03CD;&#x03C7;&#x03B1;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03C5;&#x03B3;&#x03C7;&#x03AC;&#x03BD;&#x03C9;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F14;&#x03C4;&#x03C5;&#x03C7;&#x03BF;&#x03BD;</foreign></hi>.<lb/>
Es ist niemand gelungen und wird schwerlich jemand ge-<lb/>
lingen, die Bewegung der Laute durchweg auf feste Normen<lb/>
zurückzuführen, wie ich im ersten Abschnitt dieser Unter-<lb/>
suchung gezeigt zu haben glaube. Diese Wahrnehmung kommt<lb/>
hier zur Anwendung.</p><lb/>
        <p>2) Zweitens fragt Joh. Schmidt, warum denn gerade das<lb/>
Perfect in so erheblichem Umfange die Aspiration, sogar im<lb/>
Unterschied von andern Zeitformen desselben Stammes  er-<lb/>
fahre, warum es zwar <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B2;&#x03AD;&#x03B2;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C6;&#x03B1;</foreign></hi>, aber nicht etwa <hi rendition="#i">&#x03B2;&#x03BB;&#x03AD;&#x03C6;&#x03C9;</hi> heisse.<lb/>
Diese Frage kann ich nicht in einer abschliessenden Weise<lb/>
beantworten, aber ich glaube,  dass die Gegner meiner Auf-<lb/>
fassung ebenso wenig zu sagen wissen, warum zwar in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B3;&#x03BB;&#x03C5;&#x03BA;&#x03CD;&#x03C2;</foreign></hi><lb/>
das <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> erhalten, in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03B1;&#x03C7;&#x03CD;-&#x03C2;</foreign></hi> aber (Grundz.&#x2075; 507) in die Aspirata<lb/><lb/>
verwandelt ist, warum in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BB;&#x03B9;&#x03C0;' &#x1F10;&#x03BB;&#x03B1;&#x03AF;&#x1FF3;</foreign></hi> das <hi rendition="#i">&#x03C0;</hi> geblieben, in<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F10;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AF;&#x03C6;&#x03C9;</foreign></hi> aspirirt ist, warum <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x03AD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BA;&#x03B1;</foreign></hi> sein <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> nie mit <hi rendition="#i">&#x03C7;</hi> vertauscht,<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BA;&#x03AD;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C6;&#x03B1;</foreign></hi> aber gegenüber dem homer. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BA;&#x03B5;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C6;&#x03CE;&#x03C2;</foreign></hi> sein <hi rendition="#i">&#x03C0;</hi> in <hi rendition="#i">&#x03C6;</hi> ver-<lb/>
wandelt hat.    Dass eine Lautaffection in gewissen Sprach-<lb/>
formen sich weiter verbreitet und fester haftet als in andern,<lb/>
ist nicht befremdlich und lässt sich auch sonst nachweisen.<lb/>
Denn das Bestreben, gleichbedeutende Formen gleichmässiger<lb/>
zu gestalten, ist ein sehr natürliches.   Ich verweise z. B. auf<lb/>
die Vorliebe des sog.  starken Passivaorists für die Mediae<lb/>
(Verb. II<hi rendition="#sup">2</hi> 356).   Man wird auch in der Erklärung des <hi rendition="#i">&#x03C3;&#x03B8;</hi> der<lb/>
Medialformen  schwerlich  ohne die  Annahme   eines  solchen<lb/>
Fortwucherns auskommen können.   In diesem Sinne ist also<lb/>
das Princip der Analogiebildung auch hier anzuerkennen, worin<lb/>
ich mit Gust. Meyer (Gr. S. 422) übereinstimme.   Nur glaube<lb/><lb/>
ich nicht,  dass man damit allein auskommt, noch weniger,<lb/>
dass die Schmidt'sche Erklärung auf Wahrscheinlichkeit An-<lb/>
spruch machen kann.</p><lb/>
        <p>3) Von gar keinem Gewicht scheint mir der dritte Ein-<lb/><lb/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0068] neben lokr. τέκ-να, aus W. λυκ λύχ-νος, aber aus πυκ (πυκάζω) πυκ-νό-ς, aus βλεπ zwar βλέπω, aber βλέφαρον. Neben τύκος, τετύκοντο steht τετεύχαται, τέτευχα, τεύχα, τυγχάνω, ἔτυχον. Es ist niemand gelungen und wird schwerlich jemand ge- lingen, die Bewegung der Laute durchweg auf feste Normen zurückzuführen, wie ich im ersten Abschnitt dieser Unter- suchung gezeigt zu haben glaube. Diese Wahrnehmung kommt hier zur Anwendung. 2) Zweitens fragt Joh. Schmidt, warum denn gerade das Perfect in so erheblichem Umfange die Aspiration, sogar im Unterschied von andern Zeitformen desselben Stammes er- fahre, warum es zwar βέβλεφα, aber nicht etwa βλέφω heisse. Diese Frage kann ich nicht in einer abschliessenden Weise beantworten, aber ich glaube, dass die Gegner meiner Auf- fassung ebenso wenig zu sagen wissen, warum zwar in γλυκύς das κ erhalten, in ταχύ-ς aber (Grundz.⁵ 507) in die Aspirata verwandelt ist, warum in λιπ' ἐλαίῳ das π geblieben, in ἐλείφω aspirirt ist, warum τέτοκα sein κ nie mit χ vertauscht, κέκοφα aber gegenüber dem homer. κεκοφώς sein π in φ ver- wandelt hat. Dass eine Lautaffection in gewissen Sprach- formen sich weiter verbreitet und fester haftet als in andern, ist nicht befremdlich und lässt sich auch sonst nachweisen. Denn das Bestreben, gleichbedeutende Formen gleichmässiger zu gestalten, ist ein sehr natürliches. Ich verweise z. B. auf die Vorliebe des sog. starken Passivaorists für die Mediae (Verb. II2 356). Man wird auch in der Erklärung des σθ der Medialformen schwerlich ohne die Annahme eines solchen Fortwucherns auskommen können. In diesem Sinne ist also das Princip der Analogiebildung auch hier anzuerkennen, worin ich mit Gust. Meyer (Gr. S. 422) übereinstimme. Nur glaube ich nicht, dass man damit allein auskommt, noch weniger, dass die Schmidt'sche Erklärung auf Wahrscheinlichkeit An- spruch machen kann. 3) Von gar keinem Gewicht scheint mir der dritte Ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/68
Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/68>, abgerufen am 25.11.2024.