Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.historischen Zusammenhange steht. Die erste Frage habe ich Gegen die Annahme einer sporadischen Lautaffection, die 1) auf diesem rein lautlichen Wege erkläre sich zwar die historischen Zusammenhange steht. Die erste Frage habe ich Gegen die Annahme einer sporadischen Lautaffection, die 1) auf diesem rein lautlichen Wege erkläre sich zwar die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="59"/> historischen Zusammenhange steht. Die erste Frage habe ich<lb/> dahin beantwortet, dass die Aspiration als eine sporadische,<lb/> allmählich sich weiter verbreitende Lautveränderung aufzu-<lb/> fassen sei, die zweite dahin, dass man zwar die ältere Aspi-<lb/> ration im Medium als den „Vorläufer“ der zweiten betrachten,<lb/> nicht aber einen directen Zusammenhang zwischen beiden<lb/> nachweisen könne.</p><lb/> <p>Gegen die Annahme einer sporadischen Lautaffection, die<lb/> sonst Schmidt's Principien nicht durchaus entgegen steht, macht<lb/> dieser hauptsächlich drei Einwendungen:</p><lb/> <p>1) auf diesem rein lautlichen Wege erkläre sich zwar die<lb/> Aspiration der ursprünglichen ‘tenues’, nicht die der ‘mediae’.<lb/> Dieser Einwand hat insofern seine Berechtigung, als aller-<lb/> dings die Erscheinung der Aspiration bei harten Explosiv-<lb/> lauten, freilich fast nur denen des gutturalen und labialen<lb/> Organs, sich ziemlich häufig beobachten lässt, wie ich Grundz.⁵<lb/> 501 ff. nachgewiesen habe, die eines weichen Explosivlautes<lb/> aber (Grundz.⁵ 521 ff.) für die Gutturalen nur in geringem Um-<lb/> fange — entschieden aber bei <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πρό-χνυ</foreign></hi> = *<hi rendition="#i">πρό-γονυ</hi> (vergl.<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">γνύ-ξ</foreign></hi>) — und für die Labialen gar nicht. Ich habe daher in<lb/> meinem „Verbum“ das ziemlich häufige Vorkommen eines <hi rendition="#i">φ</hi><lb/> im Perfect gegenüber einem wurzelhaften <hi rendition="#i">β</hi>, z. B. in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τετρί-<lb/> φαται</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέτριφα</foreign></hi>, besonders hervorgehoben, ohne dass ich<lb/> mir zutraute, für den Anlass dieser Erscheinung eine nach<lb/> allen Seiten befriedigende Erklärung zu geben. Ich begnügte<lb/> mich mit der Annahme, dass wir hier ein Fortwuchern der<lb/> Aspiration anzunehmen hätten, wozu sich namentlich bei den<lb/> Attikern anderweitige Belege finden. Mein Gegner aber greift<lb/> sogar S. 310 zu der schneidigen Wendung: „Dass im Per-<lb/> fect andere Lautgesetze gelten als in allen übrigen Sprach-<lb/> formen, wird niemand annehmen wollen“. Aber wer spricht<lb/> von Lautgesetzen ? Auch die Aspiration einer Tenuis ist kein<lb/> Lautgesetz und wird doch von Joh. Schmidt anerkannt. Aus<lb/> derselben W. <hi rendition="#i">τεκ</hi> geht zwar <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέκ-νο-ν</foreign></hi>, aber auch <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέχ-νη</foreign></hi> hervor<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0067]
historischen Zusammenhange steht. Die erste Frage habe ich
dahin beantwortet, dass die Aspiration als eine sporadische,
allmählich sich weiter verbreitende Lautveränderung aufzu-
fassen sei, die zweite dahin, dass man zwar die ältere Aspi-
ration im Medium als den „Vorläufer“ der zweiten betrachten,
nicht aber einen directen Zusammenhang zwischen beiden
nachweisen könne.
Gegen die Annahme einer sporadischen Lautaffection, die
sonst Schmidt's Principien nicht durchaus entgegen steht, macht
dieser hauptsächlich drei Einwendungen:
1) auf diesem rein lautlichen Wege erkläre sich zwar die
Aspiration der ursprünglichen ‘tenues’, nicht die der ‘mediae’.
Dieser Einwand hat insofern seine Berechtigung, als aller-
dings die Erscheinung der Aspiration bei harten Explosiv-
lauten, freilich fast nur denen des gutturalen und labialen
Organs, sich ziemlich häufig beobachten lässt, wie ich Grundz.⁵
501 ff. nachgewiesen habe, die eines weichen Explosivlautes
aber (Grundz.⁵ 521 ff.) für die Gutturalen nur in geringem Um-
fange — entschieden aber bei πρό-χνυ = *πρό-γονυ (vergl.
γνύ-ξ) — und für die Labialen gar nicht. Ich habe daher in
meinem „Verbum“ das ziemlich häufige Vorkommen eines φ
im Perfect gegenüber einem wurzelhaften β, z. B. in τετρί-
φαται und τέτριφα, besonders hervorgehoben, ohne dass ich
mir zutraute, für den Anlass dieser Erscheinung eine nach
allen Seiten befriedigende Erklärung zu geben. Ich begnügte
mich mit der Annahme, dass wir hier ein Fortwuchern der
Aspiration anzunehmen hätten, wozu sich namentlich bei den
Attikern anderweitige Belege finden. Mein Gegner aber greift
sogar S. 310 zu der schneidigen Wendung: „Dass im Per-
fect andere Lautgesetze gelten als in allen übrigen Sprach-
formen, wird niemand annehmen wollen“. Aber wer spricht
von Lautgesetzen ? Auch die Aspiration einer Tenuis ist kein
Lautgesetz und wird doch von Joh. Schmidt anerkannt. Aus
derselben W. τεκ geht zwar τέκ-νο-ν, aber auch τέχ-νη hervor
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